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Schweizer Triathlon-Medaille
Von Spirig inspiriert zu Silber: Julie Derrons grosser Coup in Paris

PARIS, FRANCE - JULY 31: Julie Derron of Team Switzerland celebrates winning the silver medal while gold medalist Cassandre Beaugrand (L) of Team France reacts during Women's Individual Triathlon on day five of the Olympic Games Paris 2024 at Pont Alexandre III on July 31, 2024 in Paris, France. (Photo by Michael Steele/Getty Images)
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Kaum war Julie Derron überschwänglich jubelnd über die Ziellinie auf dem pompösen Pont Alexandre III geflogen, lag sie auch schon am Boden und vergoss mit der Olympiasiegerin die Tränen des Triumphs. Sie lagen sich in den Armen, wussten, dass sie an diesem Morgen Enormes erreicht hatten und zollten einander Respekt.

Die 27-jährige Zürcherin hatte sehr viel für das Rennen getan, auf dem Rad, danach auf der Laufstrecke. Erst zuletzt hatte die Einheimische Cassandre Beaugrand die Schweizerin unter tosendem Applaus ihres eigenen Publikums attackiert – Derron gewann mit kleinem Rückstand Silber und sagte danach: «Ich bin sehr stolz, es ist unglaublich. Das war das perfekte Rennen für mich.»

Und irgendwo an der Strecke stand Brett Sutton, ihr Trainer, und konnte sich über die nächste Olympiamedaille einer von ihm betreuten Schweizerin freuen. 2012 hatte er Nicola Spirig in London zu Gold geführt, ihr gelang vier Jahre später in Rio das Kunststück von Silber – und jetzt wieder eine Silbermedaille.

Gold medalist Cassandre Beaugrand of France, left, and Silver medalist Julie Derron of Switzerland, right, react at the finish area during the women's triathlon competition at the 2024 Paris Summer Olympics in Paris, France, Wednesday, July 31, 2024. (KEYSTONE/Anthony Anex)

Sutton wusste in diesem Moment, dass er nun für Derron einen neuen Übernamen finden muss. Seit sie in ihrer Juniorinnenzeit zu seiner Gruppe gestossen war, nannte er sie «Little pistol», die kleine Pistole. Ganz einfach, weil er seine Top-Shots als «Guns», als Kanonen bezeichnet. Und das ist sie jetzt auch.

Vorbereitet nach Spirig-Muster

Derron ist eine Art Ziehtochter von Spirig, die im Sommer ebenfalls in St. Moritz trainiert. Sutton gab der Olympiasiegerin in der Trainingsgruppe einst die Rolle des Vorbildes, der Mentorin – und das ist sie jetzt noch. Denn Spirig ist Athletenbetreuerin beim Ausrüster Derrons, und als solche erlebte sie den Zieleinlauf an vorderster Front. Spirig sagte: «Wir haben fünf, sechs Jahre zusammen trainiert, ich wusste, dass sie jetzt sehr, sehr gut in Form ist. Brett Sutton ist nicht nur ein unheimlich guter Trainer, er ist auch ein sehr guter Menschenkenner.»

Derron versuchte derweil in der Mixed-Zone, wo die Athletinnen auf die Medien treffen, ihre Gefühle zu ordnen, «ganz angekommen ist diese Medaille noch nicht», sagte sie. Tatsächlich habe sie sich nach Spirig-Muster vorbereitet, «sie bestritt jeweils zwei Halb-Ironmans vor Olympia, auch ich machte das, was mir sehr viel Selbstvertrauen für die kürzere Distanz gab.»

Derron hat sich im vergangenen Jahr auch nicht aus dem Konzept bringen lassen, als sie im Februar einen Ermüdungsbruch in der Hüfte erlitt. «Ich konnte nicht einmal mehr laufen, das waren schwierige Monate, weil die Zeit für die Qualifikation plötzlich knapp wurde», sagte sie.

Sie hat die Rückkehr jedoch schnell geschafft – und ihr Extra-Effort in diesem Jahr hat sich nun ausbezahlt: Sie reiste im Januar für vier Monate nach China – weil Sutton seit einiger Zeit Nationaltrainer der chinesischen Triathleten ist. «Das war eine grosse Herausforderung, so lange von zu Hause weg zu sein, aber es hat mir extrem viel gebracht», sagte sie.

Am meisten habe sie von den Chinesinnen im Schwimmen profitiert, diese seien stärker als sie gewesen und hätten sie gepusht. Im Rahmen dieses Aufenthaltes in Fernost absolvierte Derron auch vier Rennen und gewann dabei das Weltcuprennen von Chengdu.

«Wenn Race-day ist, ist Race-day»

Derron gewann die sechste Olympiamedaille im Triathlon für die Schweiz. Brigitte McMahon war 2000 in Sydney bei der Premiere Olympiasiegerin geworden und Magalie Messmer hatte Bronze gewonnen, 2004 in Athen kämpfte sich Sven Riederer zu Bronze, und Spirigs Gold-Silber-Double ist bekannt.

Silver medallist Julie Derron of Switzerland celebrates on the podium during the medal ceremony for the women's triathlon competition at the 2024 Paris Summer Olympics in Paris, France, Wednesday, July 31, 2024. (KEYSTONE/Anthony Anex)

Derron hatte ein starkes und mutiges Rennen gezeigt, war als 15. nach 1,5 km Schwimmen in der Seine aus dem Wasser gestiegen mit 46 Sekunden Rückstand auf Flora Duffy (Bermuda), die Führende und Olympiasiegerin von 2021. «Die Wasserqualität war für uns kein Thema, wenn Race-day ist, ist Race-day, dann sind wir im Wettkampfmodus.»

Auf dem Rad schaffte es Derron schnell in eine 14-köpfige Verfolgergruppe von Duffy. Die Streckenverhältnisse waren nach Regen am frühen Morgen ähnlich schwierig wie beim Zeitfahren am Samstag, durch Stürze fielen viele Fahrerinnen zurück. Derron jedoch profilierte sich als technisch ausgezeichnete Fahrerin und machte vorne die Pace. «Natürlich mussten wir vorsichtig fahren, ich vertraute aber ganz meinen Fähigkeiten, das trainieren wir lange genug». Sie, die mit Aussenseiterinnenchancen gestartet war, ging so als Erste auf die Laufstrecke. Und machte in einem Quartett mit den französischen Mitfavoritinnen Cassandre Beaugrand und Emma Lombardi sowie Beth Potter (GBR) auch da das Tempo – bis fast zuletzt.

«Ich weiss nicht genau, was mich beim Laufen geritten hat, ich bin vorne gerannt, und ich erwartete immer die Attacke», sagte sie. Und: «Ich wusste, wir sind zu viert und drei gewinnen eine Medaille. Ich wollte ganz sicher nicht die sein, die leer ausgeht.» Den Angriff von Beaugrand vermochte sie dann nicht zu kontern, sechs Sekunden nach der Französin lief Derron ins Ziel.

Damit ist endgültig auch ihr Ärger über die Nichtnomination für Tokio vor drei Jahren vergessen, als die Entscheidung ganz knapp gegen sie ausfiel. «Es ist nicht eine Genugtuung, im Nachhinein muss ich sagen, dass ich zu wenig gut war damals», gab sie zu. Und: «Nicht nach Tokio dürfen und jetzt eine Medaille gewinnen – so nehme ich das gerne.» Auf die Frage, ob ihr Coup nun ihr Leben und ihre Karriere verändern würde, meinte sie verschmitzt: «Da muss ich wohl mal Nicola fragen.»

Julie Derron, silver medal winner in the women's triathlon, takes a pose with poses with her family Marc, Marianne, Nina and Michelle, at the reception in the maison suisse during the 2024 Paris Summer Olympics in Paris, France, Wednesday, July 31, 2024. (KEYSTONE/Anthony Anex)