Neuer Parteichef für Forza ItaliaOhne Berlusconi wird es schwer
Melonis Koalitionspartner war auf den früheren Ministerpräsidenten zugeschnitten: Jetzt kämpft Forza Italia mit Aussenminister Antonio Tajani an der Spitze ums Überleben.
Die Berlusconi-Partei Forza Italia hat die Weichen für die Zukunft gestellt. Bei einem Parteitag, der stark auf den im Juni verstorbenen Gründer und Alleinherrscher Silvio Berlusconi zugeschnitten war, wählten die 213 Delegierten in Rom den langjährigen Gefolgsmann von Berlusconi, Antonio Tajani, einstimmig zum neuen Vorsitzenden. Der Aussenminister und stellvertretende Premierminister war der einzige Kandidat. Bereits während der letzten Monate des Patriarchen hatte der 69-Jährige die Parteiarbeit koordiniert.
Der frühere Luftwaffenoffizier Tajani arbeitete seit 30 Jahren an der Seite von Berlusconi – er war unter anderem sein Regierungssprecher – und war auch deshalb als Nachfolger gesetzt: Kaum jemand kannte den Politiker Berlusconi so gut wie er. Entsprechend hielt er nach seiner Wahl eine leidenschaftliche Rede, in der er immer wieder auf den Vorgänger verwies. Dafür erhielt er viel Beifall und am Ende stehende Ovationen. Er positionierte die Forza Italia als konservative, bürgerliche und christliche Volkspartei Mitte-rechts. Sie setze sich für Familie, Liberalität, Unternehmertum und Europa ein, sagte er.
Nur gewählt für ein Jahr
Doch Tajanis Lage ist prekär. Die Partei war Berlusconis Geschöpf, sein Nachfolger nennt sich nicht mehr «Präsident» («denn es konnte nur einen Präsidenten geben»), sondern Parteisekretär, wie das in Italien auch bei anderen Parteien üblich ist. Sein Mandat dauert auch nur bis zum nächsten Parteitag kurz vor der Europawahl 2024, die als Prüfstein gilt für die Frage, ob die Partei ohne Berlusconi überhaupt überleben kann.
Diese Frage ist durchaus offen. Das beginnt schon bei der starken Akzentuierung der Europapolitik, für die Tajani als früherer EU-Kommissar und EU-Parlaments-Präsident steht. Nur ist Europa im rechten politischen Spektrum Italiens nicht populär, und Forza Italia hatte ihre besten Wahlergebnisse von bis zu 29 Prozent sicher nicht wegen einer europafreundlichen Ausrichtung erhalten, sondern wegen der sonstigen Positionen und der aussergewöhnlichen Ausstrahlung des Parteigründers. Die hat Tajani erkennbar nicht, auch wenn er sich am Samstag um einen kämpferischen Ton bemühte.
Auch war die Forza Italia immer ein bisschen eine Privatangelegenheit des Milliardärs und Medienunternehmers Berlusconi. Er hat sie wie sein sechstes Kind behandelt – und auch finanziell ausgestattet. Heute hat die Partei fast 100 Millionen Euro Schulden und ist auf das Wohlwollen der Familie Berlusconi angewiesen. Tajani war zwar im Team Berlusconi, aber er war nicht Teil der Familie. Unklar ist die Rolle der letzten Gefährtin des Parteichefs, Marta Fascina, die für die Forza Italia im Parlament sitzt und zu seinen Lebzeiten einflussreich war. Die 33-Jährige, die wegen ihres Teils am Erbe gelegentlich «Lady 100 milioni» genannt wird, nahm am Parteitag nicht teil, dafür sei es «noch zu früh», liess sie mitteilen.
Schon unter Berlusconi hatte Forza Italia bei den Wählerinnen und Wählern stark an Zustimmung eingebüsst.
Tajani stützt sich bislang vor allem auf die älteste Tochter Marina, die im Konzern des Vaters eine zentrale Rolle spielt. Mit ihr telefoniere er täglich, sagte er zuletzt in einem Interview. Die Kinder des Verstorbenen haben zwar eine freundliche Grussbotschaft an den Parteitag geschickt, die dankbar quittiert wurde, aber sie haben auch klar kommuniziert, dass sie ihrem Vater nicht in die Politik nachfolgen wollen. Die Frage ist, ob und wann sie der Partei den Stecker ziehen – erst recht, wenn diese keine ansprechenden Wahlergebnisse liefern sollte.
Schon unter Berlusconi hatte Forza Italia bei den Wählerinnen und Wählern stark an Zustimmung eingebüsst, die vergangene Parlamentswahl im Oktober beendete sie mit 8,1 Prozent der Stimmen auf Platz drei innerhalb des rechten Bündnisses hinter Giorgia Melonis Fratelli d’Italia (26 Prozent) und selbst hinter der Lega von Verkehrsminister Matteo Salvini (8,8 Prozent). Nach dem Tod des Patriarchen schnellte sie auf 9,5 Prozent, ist aber seitdem wieder auf das frühere Niveau abgerutscht. Derzeit liegt sie in Umfragen bei 7 Prozent, während die Lega auf 10 Prozent und Melonis Fratelli d’Italia auf annähernd 30 Prozent kommt.
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