Offroad-RomantikIn die Wüste geschickt
Wie viel Geländewagen ist nötig? Beim Mazda Epic Drive 2024 wollten die Japaner beweisen, dass ihr schicker CX-60 mehr kann, als man ihm zutraut. Auf einer 1250 Kilometer langen Fahrt durch raues Terrain in der wilden Natur Marokkos.
Anfang September 2023 erschütterte ein fürchterliches Erdbeben Marokko. Das Epizentrum lag 74 Kilometer südwestlich von Marrakesch. Just in diesem Zeitraum plante Mazda seinen jährlich stattfindenden Epic Drive in dieser Region im Hohen Atlas – eine abenteuerliche Reise, die gleichermassen die Vorzüge der Mazda-Modelle sowie die malerische Landschaft des nordafrikanischen Landes aufzeigen sollte. Aufgrund der katastrophalen Auswirkungen des Bebens war an die Durchführung des Events natürlich nicht zu denken. Ein halbes Jahr später ist die Strasseninfrastruktur im betroffenen Gebiet grösstenteils wieder hergestellt. Und obwohl die verheerende Zerstörung noch immer deutlich sicht- und für die Bevölkerung stark spürbar ist, hat Mazda den Epic Drive in Marokko nun nachgeholt. Dies geschah in enger Absprache und auf ausdrücklichen Wunsch des marokkanischen Tourismusministeriums – schliesslich leben grosse Teile der Bevölkerung in dieser Region vom Tourismus und sind davon abhängig, dass wieder Reisende ins Land kommen.
Mazda wird mit vielem in Verbindung gebracht – Design, Präzision, Zuverlässigkeit und Fahrvergnügen etwa. Das grosse Abenteuer abseits befestigter Strassen gehört sicher nicht dazu. Zumindest nicht in Europa, wo im Modellportfolio kein Platz für geländegängige Fahrzeuge ist. Im Heimmarkt in Japan, aber auch in anderen Märkten wie in den USA ist das anders, da hat Mazda auch geländegängige Pick-ups im Angebot. Bei uns hingegen sind allradgetriebene SUV wie der CX-60 oder sein kürzlich vorgestellter grosser Bruder CX-80 das höchste der Gefühle – Modelle also, die den Fokus auf Komfort und Luxus legen. Dass man aber auch mit einem solchen Fahrzeug gut durch raues Geläuf kommt, sollte diese zweitägige Abenteuerfahrt beweisen.
Alles serienmässig
Die Reise startet in der ehemaligen Hauptstadt Marrakesch. Ein blitzblank polierter CX-60 steht für den Trip zur Verfügung, mit Plug-in-Hybridantrieb im unveränderten Serientrimm, erweitert nur durch einen GPS-Tracker, einen WLAN-Router und ein Funkgerät. Und mit einem Ersatzrad im Kofferraum, doch dazu später mehr. Die pulsierende Metropole mit ihrem oft chaotischen Verkehr verschwindet nach und nach im Rückspiegel, während sich die Route durch eine überraschend grüne Landschaft aus dem urbanen Gebiet hinauszieht, hinein in das östliche Atlasgebirge. Bis hierhin rollt der CX-60 noch mehrheitlich rein elektrisch, schliesslich ermöglicht eine volle Batterie dem Plug-in-Hybridsystem eine emissionsfreie Normreichweite von bis zu 63 Kilometern nach WLTP. Auf der restlichen Reise wird dann der 2,5-Liter-Vierzylinder-Benziner allein fürs Vorankommen verantwortlich sein – Ladesäulen sucht man in diesem Teil Marokkos vergebens.
Die Strecke windet sich in unzähligen Serpentinen bergwärts durch kleine Dörfer, in denen die zerstörerische Naturgewalt des schweren Bebens tiefe Narben hinterlassen hat. Das enge, aber mehrheitlich gut asphaltierte Strassenband bereitet dem Mazda keinerlei Mühe, das Allradsystem oder gar der Offroad-Fahrmodus wird zu diesem Zeitpunkt noch nicht gebraucht. Durchaus willkommen ist aber schon jetzt die betont komfortable Abstimmung des Fahrwerks. Unzählige Schlaglöcher, Bodenwellen und Temposchwellen am Ein- und Ausgang jeder Ortschaft verlangen Federung und Dämpfern viel ab, doch sie erledigen ihren Job bravourös.
Garstige Bedingungen
Entlang der atemberaubenden Bergstrasse geht es hinauf bis zur Passhöhe des Tizi n’Test, wo das 2300 Kilometer lange Massiv auf einer Höhe von 2100 Metern über Meer überquert wird. Danach fällt das Gelände steil ab, während die Strasse in weiteren engen Serpentinen hinunter in Richtung Sahara führt. Weiter gehts zur ehemaligen Berbersiedlung Ouarzazate, die heute eine Stadt mit 70’000 Einwohnern und von internationaler Bekanntheit ist, weil sich in der Region mehrere Filmstudios befinden. Dort wurden epische Werke produziert, darunter «Gladiator» oder auch Teile von «Game of Thrones» sowie zahlreiche Bibelfilme.
Und biblisch mutet die Landschaft auch an. Karge Felsen, sandige Ebenen, uralte Siedlungen mit in die Hänge gemeisselten Häusern und dazwischen immer wieder unberührte, spektakuläre Natur, so rau und ursprünglich, wie sie heute nur noch in wenigen Regionen der Erde zu finden ist. Der Staub der Jahrtausende, der auf den Ausläufern der Sahara liegt, lässt die Strasse hinter dem CX-60 in einer dichten Sandwolke verschwinden. Davon ist im Innenraum nichts zu merken, nicht das kleinste Stäubchen lässt die Klimaanlage ins Innere dringen. Der Bordcomputer zeigt 34 Grad, alle Systeme arbeiten zuverlässig, nur die Tankanzeige neigt sich dem Ende zu. Doch bis zum Übernachtungsort in der Ouednoujoum Ecolodge, einer selbstversorgenden Unterkunft tief in einem Canyon, wird keine Tankstelle mehr zu finden sein.
Umwerfend schön
Der nächste Tag beginnt früh. Im pastellroten Licht der aufgehenden Sonne geht es hinaus aus der Felsschlucht und hinab nach Ouarzazate. Tankstopp, endlich, mit noch 15 Kilometern Restreichweite auf der Anzeige – das war knapp. Vollgetankt mit Benzin und Kaffee geht es über die flachen Sahara-Ausläufer, bis sich die Landschaft wieder merklich ändert. «Gorges du Dadès» steht auf einem Schild, als sich eine weitere Felsschlucht auftut. Majestätisch, mit einem grünen, fruchtbaren Landstreifen in der Mitte, zieht sich dieser Canyon von der Oasenstadt Boumalne Dadès bis zum 40 Kilometer weiter nördlich liegenden Dorf M’semrir. Entlang des Dadestals verläuft die R704 – diese Regionalstrasse muss wohl zu den schönsten der Welt gezählt werden. Sie windet sich spektakulär die Felshänge hoch und hinunter, begleitet dazwischen den fruchtbaren Talboden, führt durch bunte, lebendige Dörfer und eröffnet immer wieder umwerfend schöne Ausblicke über diese beeindruckende Felsschlucht.
Dann steigt die Strasse konstant an, windet sich höher und höher – und plötzlich verschwindet der Asphalt. Auf holperigen Geröllpisten geht es durch eine mondgleiche Landschaft, und endlich kann auch das Allradsystem des Japaners zeigen, was es kann. Wer allerdings den Fahrspass auf den Geröllpisten zu intensiv geniesst, wird sogleich jäh gebremst. Das scharfkantige Gestein verursacht einen Plattfuss nach dem anderen, zumindest bei den italienischen Kollegen, die insgesamt fünfmal Reifen wechseln müssen. Unser CX-60 jedoch bleibt davon verschont und zieht die Sache ohne das kleinste Problem durch, bis wir nach 1250 Kilometern Fahrt in zwei Tagen müde, aber erfüllt wieder in Marrakesch eintreffen. Der schicke Japaner mag nicht das erste Modell sein, das einem für einen solchen Abenteuertrip in den Sinn kommt. Aber der SUV kann so etwas durchaus, und das durchwegs souverän.
Dieser Artikel stammt aus der «Automobil-Revue» – www.automobilrevue.ch
Fehler gefunden?Jetzt melden.