Eine russische KarriereÖsterreichs Ex-Aussenministerin im Dienste des Kremls
Karin Kneissl sorgte für Aufsehen, als sie Wladimir Putin an ihre Hochzeit einlud. Jetzt wird sie Mitglied im Verwaltungsrat des mächtigen Ölkonzerns Rosneft – und Lobbyistin russischer Interessen in der EU.
«Ein Kotau kann sich bezahlt machen.» «Ein verspätetes Hochzeitsgeschenk.» Oder auch «Freunderlwirtschaft made in Austria». Auf Twitter hat sich Hohn und Spott über Karin Kneissl ergossen, nachdem bekannt wurde, dass sie beim staatlichen russischen Ölkonzern Rosneft einen Posten im Verwaltungsrat bekommen soll. Die 56-jährige Ex-Politikerin war von 2017 bis 2019 Aussenministerin Österreichs gewesen. Zuletzt war Kneissl als Publizistin für den Medienkonzern Russia Today (RT) tätig. RT gilt als Propagandamaschine des Kremls.
Kneissl äusserte sich nicht zu ihrem neuen Job als «unabhängige Direktorin» im hohen Rosneft-Gremium. «Ich gebe keine Interviews», sagte sie diese Woche auf Anfrage der österreichischen Nachrichtenagentur APA. Kneissl stösst auf eine illustre Gesellschaft im elfköpfigen Verwaltungsrat des russischen Energieriesen.
Mit Gerd Schröder und Schweizer Banker im Verwaltungsrat
Vorsitzender des Rosneft-Verwaltungsrats ist seit 2017 der deutsche Ex-Kanzler Gerhard Schröder, der auch als Verwaltungsratspräsident des Gazprom-Unternehmens Nord Stream 2 tätig ist. Eine wichtige Figur ist zudem Matthias Warnig: Der frühere Stasi-Agent ist Geschäftsführer des umstrittenen Pipeline-Projekts von Nord Stream 2. Seit 2018 gehört auch ein Schweizer dem Rosneft-Aufsichtsrat an. Dabei handelt es sich um den Banker Hans-Jörg Rudloff, Jahrgang 1940, einst Präsident des Investmentbankings der Bank Barclays, ein Bankingdoyen mit dem Spitznamen «Mr. Eurobond», wie das Schweizer Finanzportal Finews schrieb.
CEO von Rosneft ist Igor Setschin, ein enger Weggefährte von Präsident Wladimir Putin, die sich schon seit gemeinsamen Zeiten in St. Petersburg in den 1990er-Jahren kennen. Rosneft gehört zu den russischen Unternehmen, die im Zuge des Ukraine-Konflikts von USA und EU bereits mit Sanktionen belegt worden sind.
Aus der Amtszeit von Kneissl als Aussenministerin ist vor allem ihr Hochzeitsfest in Erinnerung geblieben. Als sie am 18. August 2018 auf einem Weingut in der Steiermark ihre Hochzeit mit einem Unternehmer feierte, war Kreml-Chef Putin als Ehrengast anwesend. Dies hatte national und international für Irritationen gesorgt. Nach einem Tanz machte Kneissl einen Knicks vor dem russischen Präsidenten – eine Geste, die ihr viel Häme einbrachte. Die Braut wollte ihren Knicks allerdings nicht als Unterwerfungsgeste gegenüber Putin verstanden wissen. «Wer mich kennt, weiss, dass ich mich niemandem unterwerfe», erklärte sie.
Kritik äusserte auch Gerhard Mangott, Politikwissenschaftler und Russland-Experte an der Universität Innsbruck. Putins Präsenz an der Hochzeit der Aussenministerin sei nachteilig für Österreich. Der Besuch des russischen Präsidenten schüre den Verdacht, «dass Österreich ein trojanisches Pferd Russlands in der EU ist». Damals war noch die Kreml-freundliche FPÖ an der Regierung von Kanzler Sebastian Kurz beteiligt. Kneissl war als Parteilose von der FPÖ für die Regierung nominiert worden. Sie hatte schon länger gute Beziehungen nach Moskau. Als Aussenministerin hatte sie später wiederholt Kontakte zum russischen Präsidenten. Kneissl ist inzwischen von ihrem Ehemann geschieden, dafür ist ihre Bande zum Kreml noch enger geworden.
Vor ihrem kurzen Gastspiel als Aussenministerin war Kneissl auf verschiedenen Posten im diplomatischen Dienst Österreichs tätig gewesen. Danach arbeitete sie als Journalistin für den ORF und andere Medien sowie als Dozentin an Universitäten. Kneissl, die in Jordanien aufwuchs, spricht sieben Sprachen, darunter Arabisch und Hebräisch. Einen Namen machte sie sich vor allem als Expertin für den Nahen Osten und Energiepolitik. Dabei hat Kneissl auch eine langjährige Erfahrung als geopolitische Öl- und Gasmarktanalystin. Mit ihrem neuen Rosneft-Job wird Kneissl Lobbyistin für energie- und geopolitische Interessen Russlands in der EU.
Weitere Ex-Politiker Österreichs in Russland tätig
Die Rosneft-Verwaltungsräte werden von der russischen Regierung nominiert. Die «unabhängigen Direktoren» wie Kneissl haben die Aufgabe, Rosnefts Akzeptanz bei internationalen Investoren zu steigern. Laut «Frankfurter Allgemeiner Zeitung» wird der Rosneft-Job mit rund 550’000 Dollar pro Jahr entlöhnt.
Kneissl gehört nun zum prominenten Kreis ehemaliger österreichischer Spitzenpolitiker, die in Russland angeheuert haben. Hans Jörg Schelling (ÖVP), Finanzminister von 2014 bis 2017, arbeitet als Berater für den russischen Staatskonzern Gazprom und wirbt vor allem für die Pipeline Nord Stream 2 in der Ostsee. Christian Kern (SPÖ), Kanzler 2016/2017 , sitzt im Aufsichtsrat der russischen Staatsbahn RZD. Ein weiterer früherer Kanzler Österreichs, Wolfgang Schüssel (ÖVP), der von 2000 bis 2007 regierte, ist gleich für zwei russische Grossunternehmen tätig. Seit 2018 ist er Aufsichtsrat des Telekommunikationskonzerns MTS und seit 2019 Mitglied des Aufsichtsrats des Mineralölkonzerns Lukoil.
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