Odyssee von «Aquarius» ist nach einer Woche zu Ende
Nach einer 1500 Kilometer langen Irrfahrt auf dem Mittelmeer haben das Hilfsschiff und seine beiden Begleitschiffe in Valencia angelegt.
Die «Aquarius» und ihre zwei Begleitschiffe legten am Sonntag im Hafen der Stadt Valencia an. Italien und Malta hatten die «Aquarius» abgewiesen und damit eine neue Krise in der EU-Flüchtlingspolitik ausgelöst. Schliesslich erklärte sich Spanien bereit, die 630 Flüchtlinge ins Land zu lassen.
Zuerst traf am Sonntagmorgen das italienische Marineschiff «Dattilo» in Valencia ein. Es hatte nach Angaben des Roten Kreuzes 274 Flüchtlinge an Bord. Gut vier Stunden später legte dann die «Aquarius» mit 106 Migranten an Bord an. Das italienische Marineschiff «Orione» mit weiteren 250 Flüchtlingen folgte am frühen Nachmittag.
Die Flüchtlinge waren vor einer Woche bei verschiedenen Rettungsaktionen vor der libyschen Küste von der Hilfsorganisation SOS Méditerranée aufgenommen worden.
Unter den Geretteten waren elf kleine Kinder, 89 unbegleitete Minderjährige und mindestens sieben Schwangere. Sie kommen nach Angaben von Ärzte ohne Grenzen aus 26 Ländern, darunter neben afrikanischen Ländern auch Afghanistan, Pakistan und Bangladesh.
Applaus an Bord
Als die «Dattilo» am Hafen anlegte, war an Bord Applaus zu hören. Auf der «Aquarius» wurde bei der Hafeneinfahrt getanzt und gesungen, wie auf einem Video von SOS Méditerranée im Onlinedienst Twitter zu sehen war.
Hier wird Inhalt angezeigt, der zusätzliche Cookies setzt.
An dieser Stelle finden Sie einen ergänzenden externen Inhalt. Falls Sie damit einverstanden sind, dass Cookies von externen Anbietern gesetzt und dadurch personenbezogene Daten an externe Anbieter übermittelt werden, können Sie alle Cookies zulassen und externe Inhalte direkt anzeigen.
Nach dem Anlegen der «Dattilo» gingen zunächst Mediziner an Bord, um die Flüchtlinge zu untersuchen. Schwangere Frauen und Verletzte wurden ins Spital gebracht. Am Hafen standen 2320 Helfer bereit, um die Menschen aufzunehmen, darunter 470 Dolmetscher. Das Rote Kreuz verteilte Decken, Kleidung und Hygieneartikel.
«Das ist das Ende einer viel zu langen Reise», sagte der Präsident von Ärzte ohne Grenzen in Spanien, David Noguera. Die Flüchtlinge seien nun endlich «an einem sicheren Ort». Die Weigerung der italienischen Behörden, das Rettungsschiff anlegen zu lassen, kritisierte er als «negativen» Präzedenzfall.
Dank an Spanien
Ärzte ohne Grenzen erklärte, die italienische und andere europäische Regierungen hätten «in ihrer humanitären Verantwortung schmählich versagt». Vor dem EU-Gipfel in der kommenden Woche forderte die Organisation die europäischen Regierungen auf, «das Leben der Menschen an die erste Stelle zu setzen».
Der Generalsekretär der Internationalen Föderation der Rotkreuz- und Rothalbmondgesellschaften (IFRC), Elhadj As Sy, dankte Spanien dafür, die Flüchtlinge «mit offenen Armen» empfangen zu haben. «Wir fordern alle anderen Länder auf, dem Beispiel zu folgen und Bedürftigen zu helfen», sagte Sy in Valencia.
Weiter nach Frankreich
Wie die spanische Regierung am Samstag bestätigte, soll ein Teil der Flüchtlinge von der «Aquarius» nach Frankreich weiterreisen, sofern sie das wollen und die Voraussetzungen für Asyl erfüllen. Frankreich hatte Italiens Weigerung, das Hilfsschiff einlaufen zu lassen, scharf kritisiert. Präsident Emmanuel Macron warf Rom «Zynismus und Verantwortungslosigkeit» vor.
Der französische Regierungssprecher Benjamin Griveaux konnte am Sonntag allerdings noch nicht sagen, wie viele Flüchtlinge Frankreich genau aufnehmen wird. Dies werde nun «von Fall zu Fall» geprüft.
«Als Minister und als Vater»
Italiens Innenminister Matteo Salvini hatte am Samstag seine Ankündigung bekräftigt, Flüchtlings-Hilfsschiffe von Nichtregierungsorganisationen künftig abzuweisen. Die NGO sollten wissen, «dass Italien nicht länger Komplize beim Geschäft mit der illegalen Einwanderung sein will», schrieb der Politiker der fremdenfeindlichen Lega-Partei auf Facebook.
NGO-Schiffe sollten sich andere Häfen ausserhalb Italiens suchen. Er habe diese Entscheidung «als Minister und als Vater zum Wohle aller» getroffen, erklärte Salvini. Der Innenminister äusserte sich konkret zu zwei Hilfsschiffen: Die beiden Schiffe «Seefuchs» und «Lifeline» warteten vor der libyschen Küste auf ihre «menschliche Fracht, die von den Schleppern zurückgelassen wird».
Willkommensgruss und Proteste
Am Hafen von Valencia wurde ein riesiges Plakat mit der Aufschrift «Willkommen zu Hause» in mehreren Sprachen aufgehängt, darunter Katalanisch und Arabisch.
Es gab aber auch Plakate mit der Aufschrift «Spanier zuerst» zu sehen, die deutlich machten, dass nicht alle die Flüchtlinge in Spanien willkommen heissen. Federführend bei dem Protest war die von der französischen Front National – seit Juni 2018 heisst die rechte Partei Rassemblement National – unterstützte Partei España 2000,
Auch viele freiwillige Helfer kamen zum Hafen. «Die Leute melden sich für alles: Sie wollen übersetzen oder bieten eine Unterkunft an», sagte der Künstler Johnson Tamayo, der als Freiwilliger beim Roten Kreuz arbeitet.
Mittelmeer-Flüchtlinge sollen nach Spanien gebracht werden. Video: Reuters
Anstieg auf anderen Routen
Die Zahl der Flüchtlinge auf der westlichen und östlichen Mittelmeer-Route ist nach Angaben der EU-Grenzschutzagentur Frontex seit 2017 deutlich gestiegen. Viele Menschen versuchten wieder, über die Türkei und Griechenland sowie über Spanien nach Europa zu kommen, sagte der Frontex-Vizechef Berndt Körner auf einer Tagung in Österreich.
Die zentrale Mittelmeer-Route nach Italien habe wegen der Kooperation mit der libyschen Küstenwache deutlich an Attraktivität für Migranten verloren. Nun gehe es aus Sicht von Frontex darum, in der Mittelmeer-Region einen «gemeinsamen operativen Raum» zu etablieren, sagte Körner am Samstag im Stift Göttweig. Dazu zählten länderübergreifende Einsätze und Datenaustausch.
Körner zog eine Bilanz der Frontex-Aktivität 2017. Danach wurden bei 341 Flügen rund 14'000 Migranten, die keine Chance auf Asyl hatten, in mindestens zwölf Länder Afrikas und Asiens zurückgebracht. Zudem habe Frontex die Daten von 90'000 Personen an Interpol übermittelt. Fast 140 Tonnen Rauschgift seien beschlagnahmt worden. Die Schmuggelware sei auf das Siebenfache gestiegen, sagte Körner.
SDA/nag
Dieser Artikel wurde automatisch aus unserem alten Redaktionssystem auf unsere neue Website importiert. Falls Sie auf Darstellungsfehler stossen, bitten wir um Verständnis und einen Hinweis: community-feedback@tamedia.ch