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Indizien seien nicht ausreichend
Verteidiger fordert Freispruch für Viviane Obenauf

Vivane Obenauf of Switzerland, left, fights against Luchiya Doncheva of Bulgaria during a lightweight fight at the Boxing Day meeting in Bern, Switzerland, Friday, December 26, 2014. (KEYSTONE/Peter Klaunzer)
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Der Verteidiger der wegen Mordes angeklagten Ex-Boxerin Viviane Obenauf hat am Montag vor dem bernischen Obergericht den Freispruch seiner Klientin gefordert. Die Indizien seien nicht ausreichend, vielmehr könne nicht ausgeschlossen werden, dass eine andere Täterschaft das Opfer umgebracht habe.

Der Verteidiger führte zugunsten seiner Klientin zahlreiche entlastende Elemente ins Feld. So habe sie zur Tatzeit an Schulter- und Ellenbogenproblemen gelitten und sei krank geschrieben gewesen. Sie hätte die nötigen Schläge gar nicht ausführen können.

Das Mordopfer habe notorische Unordnung mit seinen Schlüsseln gehabt. Es sei also nicht klar, wer ausser seiner Klientin noch einen Schlüssel zur Wohnung des Opfers hatte. Ausserdem habe das Opfer die Balkontüre bisweilen offen gelassen. Eine Täterschaft hätte sich also auch über die offene Balkontüre in die Wohnung einschleichen können. Dass an der Fassade keine Spuren gefunden wurde, bedeute nicht automatisch, dass diese Version unwahr sei.

Blut am Tatort war noch nicht trocken

Dass Zeugen das Auto der Angeklagten zur Tatzeit an einem Geräusch erkannt haben wollten, bezweifelte der Verteidiger. Der entsprechende Zeuge schildere den Ton, den er gehört haben wolle, immer wieder anders. Zudem wäre der Ton nur entstanden, wenn die Klimaanlage des Wagens eingeschaltet gewesen wäre. In einer kalten Oktobernacht wäre dies kaum wahrscheinlich gewesen.

Auch die Blutspritzer auf den Schuhen der Angeklagten könnten in anderem Zusammenhang als der Tat dorthin gelangt sein. Als die Frau ihren getöteten Gatten in dessen Wohnung fand, sei noch nicht alles Blut am Tatort trocken gewesen.

Der Film war nicht zu Ende

Seine Klientin habe am Abend der Tat ihre Wohnung in Oberried am Brienzersee nicht mehr verlassen. Das lasse sich aus den Daten ableiten, dass sie zuerst mit dem Sohn einen Film geschaut, ihn ins Bett gebracht und anschliessend selber noch einen Film geschaut habe, der nicht ganz bis zum Ende durchgelaufen sei. Das heisse, dass sie ihn abgeschaltet habe. Dazu habe sie zu Hause sein müssen.

Insgesamt machte der Verteidiger begründete Zweifel an der Täterschaft seiner Klientin geltend. Diese sei freizusprechen und für die ausgestandene Haft von über drei Jahren mit 200 Franken pro Tag zu entschädigen.

Widersprüchliche Aussagen der Angeklagten

Viviane Obenauf, die in Interlaken ihren Ehemann erschlagen haben soll, hatte zuvor Widersprüchliches zu Protokoll gegeben. So soll ihr ein Polizist blutige Gegenstände ihres Gatten vorbeigebracht haben, um falsche Spuren zu legen.

Die Angeklagte behauptete, der Polizeibeamte habe ihr eine Uhr und das Portemonnaie ihres verstorbenen Gatten vorbeigebracht. Damit habe der Polizist Blutspuren in ihre Wohnung tragen wollen.

Der Präsident der Strafkammer gab am Nachmittag bekannt, dass ein Polizist der Angeklagten tatsächlich ein Portemonnaie und eine Uhr des verstorbenen Gatten ausgehändigt hatte, allerdings nicht in der Wohnung der Angeklagten, sondern in ihrem Boxstudio.

Vor Obergericht wurden zahlreiche Details nochmals aufgearbeitet. Die Angeklagte sprach wasserfallartig, redete sich immer wieder in Rage und beteuerte, ihren Mann nicht umgebracht zu haben.

Falsche Beschuldigungen

Das Gericht konfrontierte die Angeklagte mit zahlreichen Indizien, die gegen ihre Tatversion sprechen. Dabei kam auch Widersprüchliches zum Vorschein.

Die Angeklagte beschuldigte auch Zeugen, falsch gegen sie ausgesagt zu haben. Konkret ging es um einen Mitarbeiter einer Autoreparaturwerkstätte, der angegeben hatte, um die Tatzeit den Wagen der Angeklagten in der fraglichen Region gesehen zu haben. Der Mann hasse sie, weil sie wegen schlechter Arbeit der Reparaturwerkstätte reklamiert habe, sagte die Angeklagte.

Die zierliche, aber kräftige Frau sass den Vormittag über kerzengerade auf ihrem Sitz, sprach so hastig, dass man ihr kaum folgen konnte. Immer wieder stellte sie die Frage: «Warum sollte ich das tun?»

Plötzlich wurde Obenauf ohnmächtig

Irgendwann verlor die gebürtige Brasilianerin die Fassung. Sie verwarf die Arme und kippte seitlich vom Stuhl. Die sie begleitenden Polizisten konnten die schluchzende Frau auffangen und hinaus begleiten. Nach einer Pause ging die Verhandlung weiter.

Zu 16 Jahren verurteilt

Die 37-jährige Frau wurde im Dezember 2022 in erster Instanz zu einer Freiheitsstrafe von 16 Jahren verurteilt. Das Regionalgericht Berner Oberland sah es in einem Indizienprozess als erwiesen an, dass die Frau ihren Ehemann, einen bekannten Interlakner Wirt, mit einem Baseballschläger erschlagen hatte. Die Frau bestreitet die Tat bis heute vehement.

Die Beschuldigte hatte 2018 den Championtitel des weltgrössten Boxverbandes erobert, der World Boxing Association (WBA). Sie betrieb in Interlaken einen Boxkeller. Das Berner Obergericht will sein Urteil am kommenden Freitag (23. Februar) verkünden.

SDA/chh