Indirekte Militärhilfe für UkraineRösti war gegen Panzerdeal – im Ständerat wirds knapp
Der Bundesrat erntet in Deutschland Lob für seine Zustimmung zum Panzerverkauf. Allerdings muss noch das Parlament zustimmen. Und da könnte es eng werden.
Seit Beginn des russischen Angriffs auf die Ukraine ist die Schweiz mit ihrer Neutralität zunehmend unter Druck geraten. Beharrlich verweigerte der Bundesrat anderen Ländern die Weitergabe von Schweizer Munition und Radschützenpanzern an die Ukraine. Dabei bleibt er. Doch zeigt er sich nun einverstanden damit, die Ukraine indirekt militärisch zu unterstützen.
Konkret: Die Schweiz soll 25 ausgemusterte Kampfpanzer Leopard 2 offiziell ausser Dienst stellen und an den deutschen Hersteller Rheinmetall zurückverkaufen. Diese Panzer würden nicht an die Ukraine geliefert. Deutschland und andere EU-Länder wollen damit aber Lücken schliessen, die wegen Panzerlieferungen an die Ukraine entstanden sind. Die Schweiz wäre also an einer Art Ringtausch beteiligt.
Die Sicherheitspolitische Kommission des Nationalrates hatte Ende März einem entsprechenden Antrag zugestimmt. Am Mittwoch nun ermächtigte der Bundesrat Verteidigungsministerin Viola Amherd dazu, den Vorschlag im Parlament zu unterstützen. Gemäss einer bundesratsnahen Person sprach sich Rösti dagegen aus.
Der Nationalrat entscheidet am 14. Juni. Er dürfte sich für die Ausserdienststellung der Panzer aussprechen. Knapp könnte es dagegen im Herbst im Ständerat werden. (Lesen Sie unseren Kommentar dazu: Jetzt soll das Parlament die Panzer freigeben)
SVP dagegen, FDP gespalten
«Es würde mich überraschen, wenn der Ständerat zustimmen würde», sagt SVP-Ständerat Werner Salzmann. Die SVP stellt sich entschieden gegen einen Panzerverkauf. «Der Bundesrat zündelt weiter an der Neutralität und schwächt die Verteidigungsfähigkeit der Schweizer Armee», schreibt sie in einer Mitteilung. Sie spricht von einem «Tabubruch», da die Schweiz schwere Waffen an eine «Kriegspartei» liefern würde.
In den anderen Parteien sind die Befürworter in der Mehrheit. Allerdings ist auch Widerstand zu erwarten, insbesondere von freisinnigen Ständeräten. Der Bundesrat müsse zuerst aufzeigen, wie er die Verteidigungsfähigkeit der Schweiz stärken wolle, sagt FDP-Ständerat Josef Dittli. Solange das Konzept nicht vorliege, sei ein solcher Entscheid «grobfahrlässig». FDP-Nationalrätin Maja Riniker dagegen bezeichnet den Bundesratsbeschluss in einem Tweet als «richtiges und wichtiges Zeichen».
«Ich bin glücklich, dass sich der Bundesrat wenigstens ein My bewegt hat.»
Erfreut zeigt sich die Mitte-Partei. Es handle sich um einen ersten Schritt, damit die Schweiz ihre Verantwortung übernehmen und ihren Beitrag für die Sicherheit und Solidarität in Europa leisten könne, schreibt sie. «Angesichts der russischen Aggression gegen die Ukraine muss Europa geschlossen seine Werte und seine Sicherheit verteidigen.»
Die SP dürfte sich laut Nationalrätin Priska Seiler Graf grossmehrheitlich oder geschlossen für den Panzerverkauf aussprechen. Ein Verkauf an Deutschland sei neutralitätsrechtlich unproblematisch, sagt Seiler Graf. «Ich bin glücklich, dass sich der Bundesrat wenigstens ein My bewegt hat.» Die Grünen wehren sich laut Fraktionschefin Aline Trede nicht gegen die Ausserdienststellung der Panzer, wenn diese nicht an Krieg führende Länder weitergegeben werden. Die Weitergabe von Schweizer Munition an die Ukraine hatten die Grünen abgelehnt.
Stimmt das Parlament der Ausserdienststellung zu, kann der Bundesrat in einem zweiten Schritt den Export beschliessen. Aus seiner Sicht könnte die Schweizer Armee ihren Eigenbedarf auch nach dem Verkauf von 25 Panzern decken. Damit die Bataillone vollständig ausgerüstet werden können, will der Bundesrat prüfen, einen Teil der insgesamt 96 stillgelegten Panzer dieses Typs zu reaktivieren.
Freude in Deutschland
In Deutschland löste der Entscheid des Bundesrats unverhohlene Freude aus. Die Regierung in Berlin hatte sich intensiv um die Freigabe der ausgemusterten Schweizer Leoparden bemüht. Verteidigungsminister Boris Pistorius (SPD) und der grüne Wirtschaftsminister Robert Habeck schrieben Amherd zu diesem Zweck am 23. Februar einen Brief. Dabei sicherten die beiden deutschen Minister der Schweiz zu, die Panzer nicht an die Ukraine weiterzuleiten.
Vor einem Monat war das Geschäft Thema auf höchster Ebene, als Bundespräsident Alain Berset den deutschen Kanzler Olaf Scholz in Berlin besuchte. Ein Einlenken in dieser Frage, so bedeutete Berlin Bern, könnte international etwas Druck von der Schweiz nehmen. Deutschland hat bisher nicht öffentlich erklärt, wozu die Schweizer Leoparden genau dienen sollen.
Fachleute hatten zunächst vermutet, Rheinmetall wolle die Panzer an Länder wie Polen, Norwegen oder Spanien verkaufen, die Leoparden desselben Typs im März an die Ukraine geliefert hatten. Polen hatte bereits im Frühling 2022 erstmals Interesse an den Schweizer Panzern gezeigt. Aus deutschen Regierungskreisen ist nun aber zu hören, dass die Bundeswehr selbst an ihnen interessiert ist.
Innert eines halben Jahres, so heisst es, könnte Rheinmetall die 25 Panzer derart modernisieren, dass sich mit ihnen die 18 Leopard 2 A6 ersetzen liessen, die Deutschland im März der Ukraine überlassen hat. Allerdings drängt die Zeit, die Bundeswehr wäre also auf einen schnellen Entscheid von National- und Ständerat angewiesen.
«Neutral zu bleiben, dient vor allem Russland. Es ist das Mindeste, dass die Schweiz Deutschland hilft.»
Politikerinnen und Politiker der deutschen Regierungsparteien, die die Schweiz für ihre Neutralitätspolitik zuletzt scharf kritisiert hatten, reagierten positiv auf den Beschluss: «Das ist eine sehr erfreuliche Nachricht», sagte Marie-Agnes Strack-Zimmermann, Vorsitzende des Verteidigungsausschusses des Bundestags und Mitglied der FDP. «Die Schweiz ist zwar bündnisneutral, aber nichtsdestotrotz assoziiertes Mitglied in der parlamentarischen Versammlung der Nato. Es ist daher ein wichtiges Signal in Richtung des westlichen Verteidigungsbündnisses, dass man ein klitzekleines Stück Verantwortung zu übernehmen bereit ist angesichts von Russlands Aggression der freien westlichen Welt gegenüber.»
Der Sozialdemokrat Michael Roth, der den Auswärtigen Ausschuss leitet, meinte: «Das Neutralitätsgebot gehört zur Kernidentität der Schweiz. Das respektiere ich. Derzeit aber wird ein Land mitten in Europa von einem Nachbarn mit dem Ziel angegriffen, es zu vernichten und zu unterjochen. Hier neutral zu bleiben, dient vor allem Russland. Insofern ist es das Mindeste, dass die Schweiz Deutschland hilft, die Lücken, die durch die Abgabe an die Ukraine entstanden sind, zu schliessen. Ich hoffe, dass diesem ersten Schritt auch weitere folgen.»
Marcus Faber, ebenfalls Verteidigungspolitiker der FDP, meinte: «Es ist ein gutes und wichtiges Signal, wenn die Schweizer Politik ihre Haltung zu Putins Angriffskrieg ändert. Der Verkauf von 25 Leopard 2 nach Deutschland ist da ein wichtiger Schritt. Direkt oder indirekt können so die überfallenen Ukrainer noch besser unterstützt werden.»
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