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Meinung

Kommentar zur Forderung der Wirtschaft
Schulnoten allein sind ungenügend – was es jetzt wirklich braucht

Gymi Schueler und Schuelerinnen der 5 Klasse folgen der deutsche Unterricht an der Kanti Glarus am 17. Juni 2019 in Glarus. (KEYSTONE/Gaetan Bally)
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Eine 5 in Mathe, eine 4–5 in Deutsch. Eine Sekundarschülerin mit diesen Noten hat gute mathematische Kompetenzen und erzielt genügende bis gute Ergebnisse im sprachlichen Bereich. Alles klar?

Keineswegs. Wer sich mit Vertretern kleiner und mittlerer Betriebe unterhält, hört schon länger Klagen: Man müsse den Lehrlingen wegen ungenügender Leistungen eigenhändig Nachhilfe geben – obwohl die Seknoten ein anderes, besseres Bild vermittelt hatten. 

Diese Diskrepanz zwischen im Zeugnis ausgewiesener und tatsächlicher Leistung hat vielfältige Ursachen. In der sensiblen Übergangsphase zwischen Schulabschluss und Berufseinstieg spielen etwa Faktoren wie Motivation oder psychisches Wohlbefinden eine wichtige Rolle.

Noten gaukeln Objektivität vor

Aber eine Ursache hat mit dem Bewertungssystem selbst zu tun: Die Schulnoten gaukeln eine falsche Objektivität vor. Denn was bedeutet eine 5 in Mathe konkret? Ist diese Schülerin auch in der Geometrie gut? Beherrscht sie Kopfrechnen genauso wie Prozentrechnen? Und: Hätte sie in einer anderen Gemeinde oder nur schon bei einer anderen Lehrerin dieselbe Note erhalten?

Erschwerend für die Interpretation kommt hinzu, dass in den Gemeinden über die Schulstufen hinweg ein Wildwuchs an Beurteilungsmodellen herrscht. Das kritisiert jetzt die Wirtschaft in einem neuen Papier: Die Unternehmen wüssten zu wenig, welche Kompetenzen sich hinter einer Note verbergen. Immer häufiger müssten sie selbst aufwendige Tests durchführen, um die potenziellen Lehrlinge zu prüfen, monieren Economiesuisse und Arbeitgeberverband. Sie fordern daher schweizweit standardisierte Tests zum Ende der Schulzeit. Das ermögliche eine vergleichbare Messung der Leistungen. 

Es ist erfreulich, dass sich die Wirtschaft mit einem konkreten Vorschlag in die emotionale Debatte um die Schulnoten einbringt. Viel zu oft werden bildungspolitische Diskussionen rein politisch geführt, ohne die Bedürfnisse der späteren Lehr- und Ausbildungsbetriebe zu berücksichtigen. Dass der Übergang zwischen Volksschule und Erwerbsleben nicht reibungslos funktioniert, verdeutlicht auch die grösser werdende Zahl von Lehrabbrüchen. Rund jeder vierte Lehrvertrag wird heute aufgelöst. Sprich: Lehrlinge und Lehrbetriebe passen immer weniger zueinander. Eine beunruhigende Entwicklung. 

Persönliche Kompetenzen ausdeutschen

Trotzdem gibt es eine sinnvollere Alternative zu einem standardisierten Test für alle Sekschülerinnen und -schüler, die überdies besser mit zentralen Unterrichtsprinzipien übereinstimmt: Ein Kompetenzenportfolio mit ausformulierten Stärken und Schwächen, wie es der Lehrerverband vorschlägt, würde die Leistungen des einzelnen Jugendlichen besser beschreiben als die Momentaufnahme eines standardisierten Tests.

Anders als von der Lehrerschaft gefordert, müsste ein solch schweizweit einheitliches Zeugnis aber ergänzend auch Noten umfassen. Denn Noten bleiben trotz ihrer Unschärfen eine wichtige Beurteilungskomponente – nicht zuletzt, weil sie die Jugendlichen mit der Realität unserer Leistungsgesellschaft konfrontieren. Sonst ist der Aufprall in der Lehre noch viel härter.