Platin-Thronjubiläum der QueenNoch einmal wird Elizabeth II. ganz gross gefeiert
An diesem Sonntag hat die britische Königin 70 Dienstjahre absolviert – Rekord im Vereinigten Königreich. Viele Festivitäten sind zu ihren Ehren geplant. Aber es gibt auch ein paar Wolken am Windsor-Himmel.
Einen Rekord wie diesen hat es noch nie gegeben in der britischen Geschichte. An diesem Sonntag feiert Königin Elizabeth II. siebzig Jahre auf dem Thron. Am 6. Februar 1952, eine Ewigkeit zurück, war die damals 25-Jährige aufgerückt zur Monarchin und damit zum Staatsoberhaupt der Britischen Inseln und einer erklecklichen Zahl weltweiter «Besitzungen» Londons.
Inzwischen, 95-jährig, schaut die alte Dame in einem etwas kleineren Rahmen auf eine bemerkenswerte Geschichte zurück. Ein paar emotionale Erinnerungen und ein Gläschen vom Besten dürfte sie sich jedenfalls gönnen im Schlösschen Sandringham in der ostenglischen Grafschaft Norfolk, wo sie sich zurzeit für ein paar Wochen aufhält.
Hier in Sandringham war ja an jenem 6. Februar vor siebzig Jahren ihr Vater, König George VI., gestorben – ohne dass die Tochter von seinem Tod wusste, einen Morgen lang. Denn sie selbst fand sich mit ihrem Gatten Philip auf Reisen. Sie hatte im Treetop-Hotel in Kenia, hoch über einer Tränke mit wilden Tieren, die Nacht verbracht. Ins nahe Hotel Sagana Lodge zurückgekehrt, erfuhr sie von Philip, dass der König tot war. Und dass sie sofort nach England zurückmüsse. Sie war keine Prinzessin mehr, sondern plötzlich «Ihre Majestät».
Extra-Feiertage fürs «Platinum-Fest»
Am nächsten Tag, dem 7. Februar, war sie wieder in London, wo sie am Flughafen von Premierminister Winston Churchill empfangen wurde. Womit ihre lange «Dienstzeit» begann. Für ihre Landsleute stellte sie, mit ihren jungen Jahren und ihrem verschämten Lächeln, einen erfreulichen Neuanfang nach den harten Kriegs- und den grauen Nachkriegsjahren dar. Als sie im Jahr darauf gekrönt wurde, säumten schon drei Millionen Menschen die Strassen in der britischen Hauptstadt auf dem Weg zur Westminster Abbey.
Die neue Queen war denkbar populär. In der Folge war sie aus dem Insel-Leben nicht mehr wegzudenken. Und so soll in diesem Jahr gebührend gefeiert werden, was Elizabeth für Grossbritannien sieben Jahrzehnte lang bedeutete, durch all die turbulenten Zeiten, durch viel Wandel hindurch. Am kommenden Sonntag, zum Jahrestag der Thronbesteigung, werden diese Feiern noch privaten Charakter haben.
Die ersten öffentlichen Festivitäten sind, mit einem grossen Historienspiel auf Windsor Castle, für etwas wärmere Zeiten, für Mitte Mai geplant. Und vom 2. bis zum 5. Juni soll es dann richtig hoch hergehen. Zu Ehren der Jubilarin hat die Regierung zum «Platinum-Fest» durch zwei Extra-Feiertage ein sehr langes Wochenende geschaffen. Noch einmal werden Millionen Feierlustige Gelegenheit haben, die Queen hochleben zu lassen, wie schon beim «Silbernen» von 1977, beim «Goldenen» von 2002 und beim «Diamantenen» von 2012.
Geplant sind für den Donnerstag jener Juni-Woche Horse-Guard-Paraden und das Entzünden von Fackeln nicht nur am Buckingham-Palast, sondern überall im Land und, wie in den alten Zeiten, rund um die Welt. Am Freitag findet der Dankgottesdienst in der St.-Paul’s-Kathedrale und am Samstag eine «Platinum Party am Palast», mit noch ungenannten «Top-Stars», statt. Und am Sonntag, dem Abschlusstag, soll sich ganz Grossbritannien in Parks, Gärten und Strassenfesten zum «Big Jubilee Lunch» zusammenfinden, zu Ehren der Queen.
Gesucht: der perfekte Platinum-Pudding
Sandringham und Balmoral Castle, die der Öffentlichkeit sonst unzugänglich sind, öffnen zugleich ihre Tore. Ein Festzug mit 200 Bannern aus Seide, die einen «Fluss der Hoffnung» darstellen sollen, wird die Prachtstrasse der Mall entlang auf den Buckingham-Palast zuziehen. Tänzer, Gaukler, Musiker, Militärs, Mitarbeiter des Gesundheitswesens und viele Freiwilligenverbände haben ihre Beteiligung zugesagt.
Wie immer hat man sich Kurioses einfallen lassen, um den Appetit auf die Jubiläumsfeiern anzuregen. In Kürze wird ein nationaler Wettbewerb eröffnet zur Kreation eines neuen Nachtischs, eines königlichen Desserts. Prominente Köche, die das ganze Land vom Fernsehen kennt, sollen entscheiden, was am Festtags-Wochenende als «der perfekte Platinum-Pudding» gelten darf. 1953, zur Krönung, war ja feierlich «Poulet Reine Elizabeth» aufgetischt worden – auch Coronation Chicken, Krönungshühnchen, genannt. Dass es diesmal ums Dessert geht, ist wohl kein Zufall. Mit den diesjährigen Feiern dürfte sich der Jubiläumsreigen schliessen. Auch von einer derart robusten Jubilarin wie Elizabeth II. kann niemand erwarten, dass sie für immer da sein wird – mögen ihre vielen Bewunderer davon auch lieber nichts hören.
Im April wird das langlebigste gekrönte Haupt der Insel-Geschichte immerhin stolze 96 Jahre alt. Und wiewohl sie sich erstaunlich gehalten hat und noch immer zu lächeln versteht, wenn sie will, ist in jüngster Zeit deutlich geworden, dass ihre Kräfte schwinden, nach und nach. Im Herbst musste sie aus gesundheitlichen Gründen mehrere Auftritte, die ihr wichtig waren, absagen. Weder zur Eröffnung des Weltklimagipfels in Glasgow noch zur jährlichen Kranzniederlegung in Whitehall für die Kriegsgefallenen schaffte sie es. Einmal fand sie sich überraschend «zur Beobachtung» ins Krankenhaus eingeliefert. Ihre besorgten Ärzte verordneten ihr mehrere Wochen Ruhe. Seither hat sie zwar wieder Termine, meist in Windsor Castle, wahrgenommen, sich bei vielen Gelegenheiten aber eher elektronisch zugeschaltet.
Harry und Meghan fühlen sich «nicht sicher genug»
Generell werde sie nun wohl weniger Präsenz zeigen, vermutet man in London. Prinz Charles, der ihr einmal folgen soll, und dessen ältester Sohn William, der Nächste in der Thronfolge, haben begonnen, Aufgaben zu übernehmen, die ihr einst vorbehalten waren. Schon während der beiden zurückliegenden Covid-Jahre sass sie ja weitgehend abgeschirmt in Windsor Castle. Was Anti-Monarchisten wie ein verstohlener Blick in die Zukunft vorkam. Denn in ihrem Urteil hatte die Queen wenig damit zu tun, wie «ihr» Land es durch die Krise schaffte. Mochten William und dessen Frau Catherine auch, mit immer neuen Einlagen, eine gewisse Präsenz in der Öffentlichkeit zu wahren suchen: Letztlich spielte die Monarchie keine grosse, keine zentrale Rolle in jener prekären Zeit.
Den Frohsinn der nun geplanten Feiern werden ausserdem ein paar andere Wolken am Windsor-Himmel trüben. Harry und Meghan, die sich in die USA abgesetzt haben, fühlen sich nach eigenem Bekunden «nicht sicher» genug in der alten Heimat des Prinzen, nachdem die britische Regierung den Polizeischutz für sie dort eingeschränkt hat. Möglicherweise, heisst es in Kalifornien, werde Harry zum Gratulieren anrücken, aber ohne Meghan und die beiden Kinder. Man überlege sich das noch. Tatsächlich hat sich eine tiefe Kluft aufgetan zwischen dem «abtrünnigen» Zweig der Windsors und den «Daheimgebliebenen», die die Institution mit nur geringfügigen Änderungen wahren wollen.
Commonwealth-Länder wenden sich ab
Harrys demonstratives Abdriften in eine Celebrity-Existenz hat in einer Epoche schwindender Bedeutung der Aristokratie in England die Monarchie vor gänzlich neue Fragen gestellt. Und natürlich überschattet, was die persönlichen Gefühle der Königin betrifft, das kommende New Yorker Verfahren gegen Andrew, der immer als ihr Lieblingssohn galt, alle Festtagsfreude. Zuletzt hat die Queen Andrew alle Ehrentitel aberkannt und ihn praktisch daheim in ein internes Exil verbannen müssen, so schweren Schaden haben die ernsten Beschuldigungen gegen den Herzog von York dem Ansehen der Royals zugefügt. Zudem weiss die Königin, dass Charles wenig Popularität im Land geniesst. Einen Neuanfang, ein erhebendes Gefühl würden sich nicht einmal viele Royalisten von einem König Charles erträumen.
Allein schon dass jetzt immer mehr Commonwealth-Länder sich mit dem Gedanken tragen, dem alten «Mutterland» den Rücken zu kehren, sobald Charles antritt, spricht Bände. Charles III. wird mit grosser Wahrscheinlichkeit König in einem schrumpfenden Königreich mit wesentlich geringerem Zuspruch als seine Mutter sein. Umso mehr klammert sich, wer der Krone verhaftet ist, an die jetzige Amtsinhaberin. Wehmütig schauen diejenigen, die Elizabeth II. auf ihrem Weg begleitet haben, auf diese Zeit zurück.
Diese Woche begannen Londons Boulevardblätter bereits ihre ersten «Sonderbeilagen» zum Jubiläum zu veröffentlichen. Der «Daily Mirror» zum Beispiel erinnerte daran, wie die im Februar 1952 verwitwete Queen Mother – die frühere Königin Elizabeth – in einem Appell an die Bevölkerung Unterstützung für ihre Tochter erbat. «Ich lege euch allen meine Tochter ans Herz», sagte sie damals. «Bitte schenkt ihr eure Loyalität, eure Hingebung. In dem grossen und einsamen Amt, zu dem sie berufen wurde, wird sie euren Schutz und eure Liebe brauchen.» Das war vor siebzig Jahren der bei Hofe übliche Ton.
Fussball-Nationaltrainer Southgate stimmt in Jubelgesang ein
Just hat übrigens auch Englands Fussball-Nationaltrainer Gareth Southgate seine Landsleute aufgefordert, den Höhepunkt der Platinum-Feiern, den 5. Juni, zu einem «National Thank You Day», einem Tag nationaler Dankbarkeit, zu machen. Und selbst da schaut man schon über Elizabeth hinaus.
Southgate und die anderen Initiatoren der Idee finden nämlich, dass die Briten bei dieser Gelegenheit nicht nur Ihrer Majestät «für 70 Jahre treuer Dienste ein herzliches Dankeschön sagen» sollten. Sondern dass sie, im Lichte dieses Jubiläums, auch einander gratulieren könnten für einen Geist nachbarschaftlicher Hilfe, unverbrüchlicher Freundschaften und gegenseitiger Unterstützung über die langen Jahre der elisabethanischen Ära hinweg.
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