Elitärer Männerzirkel bricht TabuNimmt die grösste Zürcher Zunft bald Frauen auf?
Die Zunft zur Meisen hat eine Arbeitsgruppe gegründet. Frauen aus einer Zunft auszuschliessen, sei eigentlich nicht mehr zeitgemäss, sagt der «Meister». Eigentlich.
Die Zunft zur Meisen ist ein reiner Männerzirkel – so wie auch die anderen Zürcher Zünfte. Am Sechseläuten stehen die Frauen traditionell am Strassenrand.
Es überrascht deshalb, dass die grösste Zürcher Zunft zur Meisen zumindest darüber nachdenkt, ob sie in Zukunft auch Frauen aufnehmen will. Die NZZ berichtet, dass «die Meisen» eine Arbeitsgruppe gegründet hätten, welche momentan die Argumente der Gegner und Befürworter zusammenstelle. Im kommenden Frühling will die Zunft darüber abstimmen, ob sie ihre Statuten ändert und Frauen die Aufnahme in den Zirkel erlaubt.
Die Meinungen seien noch nicht gemacht, sagte Gustav von Schulthess der NZZ. Und: Es gebe bei der Diskussion kein Richtig oder Falsch. «Wir wollen niemanden ausschliessen.»
«Rolle der Frau in der Gesellschaft hat sich verändert»
Zunftmeister Gustav von Schulthess war früher ärztlicher Direktor des Universitätsspitals. Die Rolle der Frau habe sich in der Gesellschaft stark gewandelt, sagte er gegenüber der NZZ. Die Hauptaufgabe der Frau bestehe bekanntlich nicht mehr darin, den Haushalt zu schmeissen und die Kinder zu versorgen. «Frauen aus einer Zunft auszuschliessen, ist eigentlich nicht mehr zeitgemäss.»
Gustav von Schulthess ist auch Mitglied des Rotary-Clubs Zürich. Dieser hat vor 15 Jahren zum ersten mal über die Aufnahme von Frauen diskutiert. Für manche Mitglieder sei es damals unvorstellbar gewesen, als Männer nicht mehr unter sich zu sein. Heute gehörten Frauen ganz selbstverständlich dazu, sagt von Schulthess.
Konstantin von Schulthess, der mit dem Zunftmeister entfernt verwandt ist, erklärte der NZZ den Grundgedanken hinter der Arbeitsgruppe: «In einer Zunft geht es darum, sich mit liberal denkenden, interessanten Menschen auszutauschen. Man führt spannende Gespräche und geht bereichert nach Hause. Ohne Frauen schliessen wir die Hälfte dieser interessanten Menschen aus.» Reine Männer- oder Frauenthemen gebe es heute immer weniger.
Nur Töchter und «weibliche Persönlichkeiten» – aber keine Frauen
Diesen Frühling hat die NZZ über ein Gutachten von zwei Staatsrechtlern der Universität Zürich berichtet. Diese kamen zum Schluss, dass es zumindest in Basel nicht legal sei, Frauen vom Zunftleben auszuschliessen. Gustav von Schulthess betont, das die Zunft zur Meisen die Frauen-Arbeitsgruppe nicht aufgrund des Rechtsgutachtens gegründet habe. «Wir möchten Frauen nicht deshalb aufnehmen, weil man uns vielleicht eines Tages dazu zwingt», sagt von Schulthess. Auch bestreitet der Zunftmeister, dass die Zunft zur Meisen ein Nachwuchsproblem habe.
Als Zünfterinnen würden laut von Schulthess vor allem Töchter von Zünftern infrage kommen. Dazu weibliche Persönlichkeiten aus Wirtschaft, Politik, Kultur und Akademie – aber keine Ehefrauen. Das sei explizit nicht vorgesehen. Die Aufnahme aller Ehefrauen würde die Kapazität der Zunft sprengen, sagt der Zunftmeister. 260 Mitglieder umfasst die Zunft zur Meisen momentan.
Die NZZ hat Gustav von Schulthess auch mit der oft geäusserten Befürchtung konfrontiert, dass man in einer gemischten Runde weniger offen reden könne als anhin. «Ja, das mag bei einigen so sein», sagt er Zunftmeister. Andere Männer seien jedoch auch der Meinung, dass eine Diskussion spannender sei, wenn Frauen dabei seien.
Dass Frauen in Zünften bis jetzt nicht zugelassen sind, ist laut der NZZ eine Erscheinung der Neuzeit. Bis ins 16. Jahrhundert konnten Witwen oder Töchter Zünfterinnen werden, wenn der Ehemann oder Vater verstarb. Heute ist die Gesellschaft zu Fraumünster die einzige Gruppe, die am Sechseläutenumzug mitmarschieren darf. Sie geniesst ein Gastrecht.
Bis Ende Januar können die Mitglieder der Zunft nun sagen, was sie von der Aufnahme von Frauen halten. Würde sich die Zunft zur Meisen im kommenden Frühling dazu bekennen, gäbe es jedoch nicht sofort Zünfterinnen. Der Arbeitsgruppe schwebt laut der NZZ eine Übergangsphase vor. Während beispielsweise fünf Jahren könnten Frauen an Anlässen der Zunft teilnehmen: als Gäste.
tiw
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