UNO-Debatte zum Ukraine-Krieg«Niemand ausser Russland will diesen Krieg»
Bei der Vollversammlung der Vereinten Nationen haben 141 Mitgliedstaaten für eine neue Resolution gestimmt, die Russland zum Rückzug aus der Ukraine auffordert.
Ein Jahr nach Beginn des russischen Angriffskriegs hat die UNO-Vollversammlung mit grosser Mehrheit einen Rückzug der russischen Truppen gefordert. 141 der 193 Mitgliedstaaten stimmten am Donnerstag in New York für eine entsprechende Resolution. Sieben Staaten stimmten gegen den Resolutionstext, 32 Staaten enthielten sich.
In der Resolution wird ein «umfassender, gerechter und dauerhafter Frieden» in der Ukraine sowie ein sofortiger und vollständiger Abzug der russischen Truppen aus dem Land gefordert.
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In einem Tweet vor ihrem Abflug zu den UNO schrieb Deutschlands Aussenministerin Annalena Baerbock: «Niemand ausser Russland will diesen Krieg. Wir wollen Frieden, die Ukraine, die Welt braucht Frieden.» Der Friedensplan liege in New York auf dem Tisch, twitterte die Ministerin: «Es ist die Charta der UNO.»
Je allgemeiner der Resolutionstext, desto grösser die Chancen auf viel Zustimmung.
Die Resolution ist in erster Linie dazu gedacht, ein möglichst deutliches Signal der Unterstützung an die Ukraine zu senden und zugleich Russland vor der Weltöffentlichkeit zu zeigen, dass eine breite Mehrheit den Krieg verurteilt und sich gegen Moskau stellt. Nachdem im vergangenen Oktober 143 der 193 Mitgliedsstaaten Russlands Angriff verurteilt hatten, drohte die weltweite Solidarität zuletzt vor allem wegen Kriegsmüdigkeit sowie der wirtschaftlichen Auswirkungen und weltweit gestiegener Preise zu schrumpfen.
Der unter anderem von den USA und EU-Ländern eingebrachte Resolutionsentwurf ist deshalb möglichst grundsätzlich formuliert worden und enthält als eine der zentralen Forderungen auch den Schutz der ukrainischen Zivilbevölkerung. Es gilt: Je allgemeiner der Text, desto grösser die Chancen auf viel Zustimmung. Trotzdem galt ein ähnlich überwältigendes Abstimmungsergebnis wie im Herbst als unwahrscheinlich.
Ein möglichst deutlicher Rückhalt für die Resolution wäre für die Initiatoren aus allen Kontinenten auch deshalb besonders wichtig, weil von China noch für diesen Freitag eine eigene Friedensinitiative zum Krieg erwartet wird, die jedoch im Westen von vornherein sehr kritisch gesehen wird. China, das noch am Mittwoch in Moskau die «strategische Partnerschaft» mit Russland verdeutlichte, hat den klaren Bruch des Völkerrechts bisher nicht verurteilt. Um die Einhaltung dieses Rechts geht es aber in der eingebrachten UNO-Resolution.
Auf der Vollversammlung sind einmal mehr die Sorgen sichtbar geworden, dass Russland den Krieg weiter verschärfen könnte. UNO-Generalsekretär Antonio Guterres warnte zu Beginn der Sitzung vor einem Einsatz von Atomwaffen. Es sei höchste Zeit, vom Abgrund zurückzutreten. «Der sogenannte taktische Einsatz von Atomwaffen ist absolut inakzeptabel», sagte Guterres an der Vollversammlung der Vereinten Nationen.
Russland richtet Vorwürfe an den Westen
Moskau, allen voran Präsident Wladimir Putin und sein Vorgänger, der Vizechef des russischen Sicherheitsrats, Dmitri Medwedjew, haben immer wieder unverhohlen mit dem Einsatz von Atomwaffen gedroht und damit ihre offensichtlichen militärischen Schwierigkeiten verdeutlicht. Auch am Donnerstag, dem Tag des Vaterlandsverteidigers, betonte Putin in Moskau, dass er die russischen Atomstreitkräfte stärken werde.
In New York wiederum behauptete der russische Botschafter bei den Vereinten Nationen, Wassili Nebensja, der Westen wolle sein Land «zerstückeln und zerstören». Wieder einmal würden deutsche Panzer Russen töten, sagte er und zielte auf die international abgestimmte Rüstungshilfe, mit der sich die Ukraine gegen die täglichen Angriffe durch Russland wehrt.
«Das ist Völkermord, und dem stehen wir heute gegenüber», sagte Dmytro Kuleba, der Aussenminister der Ukraine.
Die Ukraine hat seit dem russischen Einmarsch die Kontrolle über mehrere Gebiete im Osten und Süden verloren, Städte wie Mariupol sind zerstört, Zehntausende Zivilisten getötet worden. Immer wieder greift die russische Armee gezielt die kritische Infrastruktur an, trifft Strom- und Wasserversorgung. Nach Angaben des Flüchtlingshilfswerks der Vereinten Nationen (UNHCR) sind mehr als acht Millionen Ukrainerinnen und Ukrainer vor dem Krieg ins Ausland geflüchtet.
Der ukrainische Aussenminister Dmytro Kuleba erinnerte an der UNO-Generalversammlung daran, dass Russland in dem Krieg viele ukrainische Kinder verschleppt habe. Er sprach von mehreren Tausend Kindern, die nach Russland gebracht wurden, um sie dort von russischen Familien adoptieren und umerziehen zu lassen. «Das ist Völkermord, und dem stehen wir heute gegenüber», sagte Kuleba.
Die ukrainische Bevölkerung sieht trotz der dauerhaften Gewalt und der vielen Opfer derzeit keinen Grund für Zugeständnisse an Russland. Die Zeitung «Kyiv Independent» berichtete am Donnerstag, dass nach einer Umfrage des Internationalen Instituts für Soziologie in Kiew 87 Prozent der Ukrainerinnen und Ukrainer dagegen seien, auch nur irgendeines der ukrainischen Gebiete an Russland abzutreten. Damit entsprechen sie auch der Haltung ihres Präsidenten Wolodimir Selenski.
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