Ihr Browser ist veraltet. Bitte aktualisieren Sie Ihren Browser auf die neueste Version, oder wechseln Sie auf einen anderen Browser wie ChromeSafariFirefox oder Edge um Sicherheitslücken zu vermeiden und eine bestmögliche Performance zu gewährleisten.

Zum Hauptinhalt springen
Meinung

Kolumne «Fast verliebt»
«Ich will dich nicht wollen»

Berichtet aus ihrem Umfeld: Claudia Schumacher.
Jetzt abonnieren und von der Vorlesefunktion profitieren.
BotTalk

Verschnörkelte Cover, Farbschnitt, Gold, Vanille, Rosa, Babyblau, verträumte Titel: Das ist die «New Adult»-Ecke im Buchladen. Ich habe ein paar Zeitungsartikel über das Phänomen gelesen, da heisst es: Mit Liebesgeschichten erschliesst sich die Buchwelt Heerscharen junger Leser:innen, die man ans Smartphone verloren glaubte. «Irgendwie niedlich, dass Romantik wieder so gefragt ist», sage ich zu einer Buchhändlerin, als ich vor so einer Mädchenecke stehe. «Mit Romantik hat das nicht so viel zu tun», sagt sie und lacht. Ich solle mal ein paar Bücher nehmen und reinlesen.

Was am helllichten Tag in der Buchhandlung Ihres Vertrauens an Ihre Tochter verkauft wird, darf wohl auch in einer Zeitung für Erwachsene stehen – ich versuche also, das Wesentliche wiederzugeben. Da springen Genitalien aus Hosen, die «dick und hart» sind und «voller Lusttropfen». In einem Buch wird eine Mädchenbrust «mit dicken Strömen von Sperma bedeckt», und ein Junge hat einen so heftigen Orgasmus in der von «Sex geschwängerten Luft», dass er «fast zu Boden gesunken wäre».

Das sei so in etwa der Durchschnitt, sagt die Buchhändlerin. Zugegeben, Bücher wie diejenigen von Bestsellerautorin Colleen Hoover seien ein bisschen «vanilliger». Dafür seien andere wiederum noch krasser.

In solchen Büchern sind dann die Bad Boys – es sind fast immer Bad Boys – so böse, dass der Sex recht aggressiv wird. «Du magst die, aber du behandelst sie, als würdest du sie hassen», lese ich irgendwo. Auch das Abtrainieren von Würgreflexen, wie ich bald feststelle, gehört zu den beliebten literarischen Motiven des Genres. «Die Mischung aus kindlichen Leserinnen, Schulsetting und Deepthroat, bis den Protagonistinnen schwarz wird vor Augen, finde ich schon etwas problematisch», sagt die Buchhändlerin. «Spicy» heisst das im Genre, nicht «explizit» oder «pornografisch»: Über allem liegt ein Deckmäntelchen.

Anscheinend sind Mädchen sehr viel geschickter als Jungs, wenn es darum geht, die eigene Triebhaftigkeit vor den Eltern zu verschleiern – aber wohl auch vor sich selbst. In den Geschichten werden die Mädchen von ihren Lovern als «gutes Mädchen» oder «Prinzessin» bezeichnet, bevor sie von ihnen an den Haaren gezogen und hart rangenommen werden. Warum können junge Frauen im Zeitalter der feministischen Revolutionen nicht zu ihrer Sexualität stehen? Warum muss das so verbogen und indirekt stattfinden («Ich will dich nicht wollen»), warum so kindlich-rosa verpackt werden?

Sie habe einmal versucht, die krassesten Titel mit gebastelten Chilischoten zu dekorieren, erzählt die Buchhändlerin, aber dann seien die Mädchen gekommen und hätten sich beschwert. «Als neulich eine Mutter kam, die ihrer dreizehnjährigen Tochter das neuste Buch ihrer Lieblingsautorin schenken wollte, habe ich sie gefragt, ob sie wisse, was da drinsteht», fährt sie fort. Nachdem die Frau reingelesen hatte, musste sie sich erst mal hinsetzen.