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Vermutete Unterschlagung
Neuer Skandal wirft Schatten auf Liechtensteiner Finanzplatz

Der Liechtensteiner Landtag hat im März eine Reform des Treuhändergesetzes beschlossen, um weitere Missbrauchsfälle zu verhindern. Kritiker halten die Reform für unzureichend.
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Der Finanzplatz Liechtenstein wird von einem neuen Skandal erschüttert: Die Staatsanwaltschaft ermittelt gegen einen bekannten Treuhänder (Name der Redaktion bekannt). Gemäss lokalen Medien geht es um den Verdacht der Veruntreuung von Kundengeldern. Laut Finanzkreisen seien seiner Bank verdächtige Zahlungen aufgefallen, für die es keine Erklärung gebe.

Die Bank schaltete daraufhin die Behörden ein, was in einer Strafanzeige mündete. Die Ermittler haben bereits eine Hausdurchsuchung bei dem Treuhänder durchgeführt, um Beweismittel zu sichern. Unklar ist, um welche Beträge es geht.

Zweifel, ob die Branche ausreichend kontrolliert wird

«Gegen meinen Mandaten liegt keine Anklage vor, sämtliche Vorwürfe gegen meinen Mandaten sind haltlos, was das Ermittlungsverfahren auch ergeben wird», schreibt sein Anwalt. Der leitende Liechtensteiner Staatsanwalt Robert Wallner will «zu diesem laufenden Verfahren keine Auskunft» geben. Es gilt die Unschuldsvermutung.

Sollten die Ermittlungen strafbare Handlungen zutage fördern, wäre das für den Finanzplatz fatal. Denn dies wäre schon der dritte prominente Fall von Missbrauch im Treuhandwesen innert drei Jahren. Wieder steht die Frage im Raum, ob die Branche ausreichend kontrolliert wird. Dabei steht der Sektor bereits unter Druck, wie die sinkende Zahl an Stiftungen zeigt.

Der wohl prominenteste Missbrauchsfall ist jener des ehemaligen Präsidenten des Liechtensteiner Staatsgerichts, der auch als Treuhänder aktiv war. Der 70-Jährige hatte insgesamt 40 Millionen Franken seiner Kunden veruntreut. Vor zwei Jahren wurde er zu acht Jahren Haft wegen Untreue, schweren Betrugs und Geldwäsche verurteilt.

In einem weiteren Fall wurde im vergangenen Juli der Treuhänder M. S. zu sechseinhalb Jahren Haft verurteilt wegen Untreue, gewerbsmässigen Betrugs, Veruntreuung und Geldwäsche. Seinen Bentley, das Schulgeld für die Kinder und die Kosten für seine Immobilien hatte M. S. mit den Geldern bezahlt, die er eigentlich für die Kunden in zwei Trusts hätte verwalten sollen.

In einer Broschüre zum Finanzplatz wirbt Liechtenstein dagegen für sein «liberales und bewährtes Stiftungs- und Trustrecht»: Mit Liechtensteiner Stiftungen und Trusts könnten «Vermögenswerte über Generationen hinweg gesichert, geschützt und potenzielle Gefahren wie geopolitische Risiken oder Haftungsrisiken minimiert werden». Dumm nur, wenn sich jene, die das Vermögen eigentlich schützen sollen, selbst daran bedienen.

Reform in der Kritik

Um solche Skandale zu vermeiden, hatte der Liechtensteiner Landtag – das Parlament – erst im März eine Verschärfung des Treuhändergesetzes verabschiedet, die im Juli in Kraft tritt. Das Gesetz weitet die Aufsicht der Liechtensteiner Finanzaufsicht FMA auf die Treuhänder aus. Zudem müssen Treuhänder sich von einem unabhängigen Wirtschaftsprüfer prüfen lassen. Und sie müssen ein «internes Kontrollsystem» und ein «wirksames Risikomanagement» haben.

Ein Insider des Liechtensteiner Treuhandwesens, der seinen Namen nicht in der Zeitung lesen will, ist kritisch: «Mit dieser Reform werden Fälle wie jene des ehemaligen Staatsgerichtspräsidenten nicht verhindern werden können.» So sei die Firma des verurteilten Treuhänders als Aktiengesellschaft organisiert gewesen, diese wurde von Wirtschaftsprüfern geprüft – die aber nie die Unterschlagungen bemerkt hatten.

Problematische Trusts

Das Problem des Missbrauchs sei nicht auf Ebene der Firmen der Treuhänder, sondern auf Ebene der Strukturen, die diese verwalten, also die Trusts und Stiftungen. Bei einer Stiftung wird ein Vermögen rechtlich verselbstständigt, der Stifter kann zum Beispiel einen Treuhänder beauftragen, seine Erben mit regelmässigen Zahlungen aus dem Stiftungsvermögen zu versorgen. Beim Trust wird das Vermögen direkt und ohne rechtliche Verselbstständigung vom Treuhandgeber an den Treuhänder übertragen. Dieser soll das Geld dann auch nach Ableben des Treuhandgebers in seinem Sinne verwalten.

Gerade bei Trusts hätten aber die Begünstigten gegenüber dem Treuhänder eine schwache Stellung, monieren Anwälte. «Die Auskunftsrechte sind unzureichend», sagt zum Beispiel Alexander Amann, selbstständiger Rechtsanwalt und Partner der Kanzlei Schwärzler Rechtsanwälte. Ermessensbegünstigte haben keinen gesetzlichen Anspruch, vom Treuhänder zu erfahren, was er genau mit dem Trustvermögen macht. Selbst bei einem Strafverfahren gegen einen Treuhänder ist es unklar, ob die Begünstigten des Trusts im Prozess als Nebenkläger auftreten dürfen.

Weitere Reform geplant

Ivo Elkuch, Geschäftsführer der Liechtensteiner Treuhandkammer, verteidigt die Reform des Treuhändergesetzes. «Ein wichtiges Ziel der Reform ist, die Schwelle höher zu setzen, um Fehlverhalten zu verhindern. Wenn jemand extrem viel kriminelle Energie aufwendet, ist es aber immer schwer, Betrug zu vermeiden», argumentiert er.

Im Hinblick auf die Ausweitung der Informationsrechte bei Trusts gebe es neben einzelnen Befürwortern auch viele, die dies skeptisch sehen, sagt Elkuch. «Zu grosszügige Informationsrechte können einen sogenannten Spoiling-Effekt mit sich bringen. Wenn jemand weiss, dass er später einmal 2 Millionen Franken bekommt, besteht die Gefahr, dass er sich in der Schule weniger anstrengt und die Ausbildung vernachlässigt.»

So kann es sein, dass Treuhandgeber eine möglichst restriktive Informationspolitik gegenüber künftigen Begünstigen wünschen. Eine Ausweitung der Informationsrechte könne daher dazu führen, dass die Attraktivität, Trusts in Liechtenstein zu errichten, sinkt, argumentiert Elkuch.

Die Debatte um eine Stärkung der Kontrolle geht indes weiter. Das Liechtensteiner Amt für Justiz weist darauf hin, dass die Finanzplatzstrategie der Regierung «eine Überprüfung des Trustrechts beziehungsweise des Rechts der Treuhänderschaft» vorsieht. Ende diesen Jahres solle diese Überprüfung starten. Auch die Rechte der Begünstigten würden dabei analysiert.

Das sei höchste Zeit, sagt eine Insider: «Kein anderer Finanzplatz hat solch eine Rechtslage.»