Erneut Ärger für Boris JohnsonNeuer Sexskandal erschüttert britische Regierung
Der britische Abgeordnete Chris Pincher tritt nach Belästigungsvorwürfen zurück. Besonders heikel: Premierminister Johnson soll schon länger von den Anschuldigungen gewusst haben.
Erneut wird die konservative britische Regierung von einem Sexskandal erschüttert: Der stellvertretende Parlamentarische Geschäftsführer der Tory-Partei, Chris Pincher, hat wegen sexueller Belästigung seinen Rücktritt eingereicht. Laut britischen Medienberichten hatte der 52-Jährige in einem Londoner Privatclub zwei Männer sexuell belästigt, darunter einen Abgeordneten. Diese hätten sich anschliessend bei der konservativen Parteiführung beschwert.
In seinem am Donnerstagabend veröffentlichten Rücktrittsschreiben erklärte Pincher, er habe bei dem Vorfall am Vorabend «viel zuviel getrunken». Er entschuldigte sich dafür, sich selbst und andere «in Verlegenheit gebracht» zu haben.
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Während Pincher sein Amt als stellvertretender Parlamentarischer Geschäftsführer niederlegte, wollte er zunächst Tory-Abgeordneter bleiben. Die Opposition reagierte empört: «Es kommt nicht in Frage, dass die Konservativen potenziellen sexuellen Missbrauch unter den Teppich kehren», schrieb die Vizechefin der Labour-Partei, Angela Rayner, im Onlinedienst Twitter. Die moralischen Standards seien unter Johnsons Regierung «komplett ausgehöhlt» worden.
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Auch aus den eigenen Reihen wurden Rufe an Johnson nach einem kompletten Rauswurf Pinchers laut. Am Freitagabend dann gaben die Konservativen zumindest in einem Punkt dem Druck nach: Pinchers Parteimitgliedschaft wurde ausgesetzt.
Johnson steht unter massivem Druck
Für den Premierminister ist der Fall besonders heikel, weil er laut einem Bericht der Webseite «Politico» bereits seit Monaten über ähnliche Vorwürfe gegen Pincher gewusst haben und den langjährigen Abgeordneten im Februar dennoch zum stellvertretenden Parlamentarischen Geschäftsführer gemacht haben soll.
So ist es bereits das zweite Mal, das Pincher sein Amt niederlegen muss. 2017 wurde er beschuldigt, dem ehemaligen olympischen Ruderer und Tory-Aktivisten Alex Story im betrunkenen Zustand Avancen gemacht zu haben. Wie Story behauptete, habe Pincher versucht, sein Hemd aufzuknöpfen, seinen Nacken massiert und geflüstert: «Du wirst es weit bringen in der konservativen Partei».
Pincher stellte sich nach dem Vorfall selbst der Polizei, wurde aber später durch eine Untersuchung der konservativen Partei von jeglichem Fehlverhalten freigesprochen.
Johnson, der erst am Donnerstag von einer Serie internationaler Gipfeltreffen nach Hause kam, muss sich damit gleich mit dem nächsten Skandal auseinandersetzen. Der Premier steht seit Monaten wegen seiner Rolle bei illegalen Partys im Regierungssitz Downing Street während des Corona-Lockdowns unter Druck, was ihm ein parteiinternes Misstrauensvotum einbrachte. Die Abstimmung hat Johnson knapp überstanden.
Die Regierungspartei war in den vergangenen Monaten zudem von einer ganzen Reihe von Sexskandalen erschüttert worden. Mitte Mai war ein Abgeordneter unter Vergewaltigungsverdacht vorübergehend festgenommen worden. Ebenfalls im Mai wurde ein früherer Tory-Abgeordneter wegen sexuellen Missbrauchs eines Minderjährigen zu anderthalb Jahren Gefängnis verurteilt. Ende April war ein Parlamentarier zurückgetreten, nachdem er im Parlament auf seinem Handy Porno-Videos angeschaut hatte.
Sollte sich herausstellen, dass die neuen Belästigungsvorwürfe gegen Pincher wahr sind, steht womöglich bald eine weitere Nachwahl an. Zwei auf Rücktritte folgende Nachwahlen haben die Konservativen bereits krachend verloren.
AFP/SDA/lif
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