Vincenzo MascioliBeat Jans setzt auf Insider und Rückführungsprofi als neuen Asylchef
Bisher war er als Vizedirektor verantwortlich für Migrationsabkommen. Nun übernimmt Vincenzo Mascioli die Leitung des Staatssekretariats für Migration.
- Der Bundesrat hat Vincenzo Mascioli zum neuen Staatssekretär für Migration ernannt.
- Mascioli ist heute im SEM als Vizedirektor für Internationales zuständig.
- SP-Bundesrat Beat Jans setzt auf Masciolis Erfahrung und Fachwissen im Asylbereich.
- Der frühere SEM-Chef Mario Gattiker spricht von einer «sehr guten Wahl».
Die Schweiz erhält einen neuen Migrations- und Asylchef. Im Mai war bekannt geworden, dass Christine Schraner Burgener ihren Posten an der Spitze des Staatssekretariats für Migration (SEM) per Ende Jahr abgibt. Jetzt steht fest, wer ihre Nachfolge antritt: Am Mittwoch hat der Bundesrat Vincenzo Mascioli zum neuen Staatssekretär ernannt.
Der 54-jährige Mascioli ist seit 2017 Vizedirektor im SEM und leitet dort den Direktionsbereich Internationales und Rückkehr. In dieser Funktion war er unter verschiedenen Bundesrätinnen tätig – vier Jahre lang unter FDP-Bundesrätin Karin Keller-Sutter. Zuvor war er im Stab von SP-Bundesrat Moritz Leuenberger und als persönlicher Mitarbeiter von SP-Bundesrätin Simonetta Sommaruga tätig gewesen. Seine berufliche Laufbahn hatte Mascioli nach dem Studium als Lektor in Buchverlagen begonnen.
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Nun macht SP-Bundesrat Beat Jans ihn zum Staatssekretär und Migrationschef. Er sei überzeugt, die richtige Persönlichkeit für diese «Schlüsselposition» gefunden zu haben, sagte Jans vor den Medien. «Mascioli löst auch Aufgaben, an denen sich andere die Zähne ausbeissen.»
Mascioli: «Ich bin gerne in diesem Spannungsfeld tätig»
Der designierte Staatssekretär sagte, er habe Respekt vor der Aufgabe, freue sich aber darauf, das SEM in die Zukunft zu führen. «Ich bin gerne und leidenschaftlich in diesem Spannungsfeld tätig.» Das Asylsystem sei gut aufgestellt – besser als es manchmal dargestellt werde. Natürlich gebe es aber Handlungsbedarf. Etwa bei Personen, die offensichtlich keinen Schutz benötigten.
Jans hat sich für jenen Kandidaten entschieden, den auch die Findungskommission favorisierte. Mit Mascioli setzt er auf einen Insider mit Erfahrung und Fachwissen: Vorgängerin Schraner Burgener war zwar eine erfahrene Diplomatin, kam aber im Schweizer System nie richtig an. Mascioli hingegen ist nicht nur mit Asyltechnischem bestens vertraut, sondern als ehemaliger Berater einer Bundesrätin auch mit Politischem.
Vertreter einer konsequenten Rückkehrpolitik
Dass er Sommarugas persönlicher Mitarbeiter war, bringt ihm Skepsis aus dem rechten Lager ein. In den vergangenen sieben Jahren machte sich der parteilose Mascioli allerdings eher einen Namen als Hardliner: Er gilt als Verfechter einer rigorosen Rückkehrpolitik – einer Politik, die der Linken und den Flüchtlingsorganisationen teilweise zu weit geht.
Attestiert wird ihm Verhandlungsgeschick: In seiner bisherigen Rolle konnte Mascioli etliche Erfolge verbuchen. So verhandelte er mit mehreren Ländern Migrationspartnerschaften und Abkommen, die Rückführungen erleichtern – zuletzt mit dem Irak. Mascioli setzt dabei auf die Unterstützung der Länder. Sein Rezept beschrieb er einst wie folgt: den Ländern auf Augenhöhe begegnen, sich langfristig engagieren.
Ein Durchbruch gelang ihm so zum Beispiel mit Algerien – einem Land, mit dem die Zusammenarbeit sich lange schwierig gestaltet hatte. Dass die Schweiz beim Vollzug von Wegweisungen zu den erfolgreichsten Ländern Europas gehört, betont auch Bundesrat Jans gern. Die Wahl Masciolis dürfte ein Zeichen dafür sein, dass er diesen Kurs fortsetzen will.
Der künftige SEM-Chef hat auch mit Reformen Erfahrung. Er gilt als einer der Architekten von Sommarugas Asylreform, die kürzere Asylverfahren und Rechtsschutz für Asylsuchende brachte. Welche Akzente er unter Jans setzt, wird sich ab kommendem Jahr zeigen, wenn er das Amt als Staatssekretär antritt.
Hohe Erwartungen von allen Seiten
Fest steht, dass Mascioli die neue Funktion in einer turbulenten Zeit übernimmt: Die Debatte zur Asylpolitik ist aufgeheizt. Zwar liegt die Zahl der Asylgesuche derzeit tiefer als im vergangenen Jahr, doch bleibt sie im mehrjährigen Vergleich hoch. Das stellt die Zusammenarbeit zwischen Bund und Kantonen auf die Probe – und das Parlament drängt auf Verschärfungen.
Als am Wochenende durchsickerte, auf wen die Wahl fallen könnte, waren im «Blick» und in der «NZZ am Sonntag» erste Reaktionen zu lesen. FDP-Nationalrat Christian Wasserfallen sagte, er könnte sich Mascioli durchaus als neuen SEM-Chef vorstellen. «Auf mich macht er einen sachlichen Eindruck.» Andere bezeichneten Mascioli als Pragmatiker. Negativ äusserte sich SVP-Nationalrat Gregor Rutz. «Um Himmels willen», sagte er. «Ich hoffe, das stimmt nicht.»
Nach der Ernennung veröffentlichte die FDP ein «Pflichtenheft» – und forderte, Jans’ neuer Asylchef müsse nun rasch liefern. «Um die Leistung des neuen Asylchefs zu bewerten, wird letztlich eine Zahl entscheidend sein. Gelingt es, die Zahl der illegalen Migranten deutlich zu senken?», so die FDP.
SP-Co-Fraktionschefin Samira Marti würdigt Masciolis Erfahrung, sieht aber seine Erfolge bei den Rückführungen kritisch. Als «Ausschaffungschef» habe er stark auf Effizienz gesetzt, sagt Marti. «Ich erwarte, dass Mascioli künftig den Fokus noch stärker auf Menschenrechte und das Völkerrecht legt.»
Positiv reagierte die Konferenz der kantonalen Sozialdirektorinnen und -direktoren (SODK). Für diese sei sehr wichtig, dass sie die Herausforderungen mit einem starken, gut aufgestellten SEM angehen könne, sagt Generalsekretärin Gaby Szöllösy. Der neue Staatssekretär verfüge über die nötige Erfahrung und kenne die Dossiers.
Früherer SEM-Chef Mario Gattiker: «Eine sehr gute Wahl»
Ideal wäre ein zweiter «Supermario», heisst es dieser Tage – eine Person wie Mario Gattiker. Das veranlasst den früheren SEM-Chef, sich zu äussern: «Vincenzo Mascioli ist eine sehr gute Wahl.» Die Herausforderungen seien gross. Deshalb brauche es unbedingt jemanden, der fundierte Kenntnisse und Erfahrung mitbringe. «Mascioli erfüllt diese Anforderungen», sagt Gattiker. Er habe gut mit ihm zusammengearbeitet und ihn als «sehr lösungsorientiert» erlebt. «Ich traue ihm das Amt auf jeden Fall zu.»
Dass er selbst inzwischen von links bis rechts als idealer SEM-Chef gilt, belustigt Gattiker mit Blick auf seine Anfänge. Als er das Amt übernommen habe, sei er vereinzelt auch wegen seiner Vergangenheit bei Hilfswerken kritisiert worden. Das habe aber bald keine Rolle mehr gespielt. «Es kommt nur darauf an, wie man die neue Rolle ausfüllt.»
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