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CNN im freien Fall 
Neuer CEO will weg vom Image des «Clinton News Network»

Mehr Journalismus, weniger Meinungsmache: Chris Licht, seit einem halben Jahr CEO von CNN.

Die schwierigen Tage des ersten Corona-Jahres dürfte sich die Belegschaft von CNN wohl nicht gleich zurückwünschen. Doch damals lief es für den Dauer-Nachrichtensender seit langem wieder einmal richtig gut. 2020 war er der grosse Gewinner in der amerikanischen Kabel-TV-Welt, nach vielen Jahren der Stagnation. In der Pandemie konnte der linke Sender seine Reichweite plötzlich steigern, bei den unter 50-Jährigen gar verdoppeln. Auf einmal schien es denkbar, den Branchenprimus Fox News mit seinem rechten, alternden Publikum einzuholen.

Inzwischen hat sich die Stimmung gedreht. Während Fox News weiter wächst, befinden sich die Zuschauerzahlen von CNN seit Monaten im freien Fall, längst sind sie zurückgefallen auf Platz 3, hinter das Programm von MSNBC.

Reagieren aber kann der Sender kaum, weil er vor allem mit internen Querelen beschäftigt ist. Zuerst musste er seinen Star Chris Cuomo feuern, der nicht nur vor der Kamera die Politik analysierte, sondern auch seinem Bruder und vormaligen New Yorker Gouverneur, Andrew Cuomo, Ratschläge einflüsterte. Bei der Aufarbeitung der Affäre flog zudem auf, dass CNN-Chef Jeff Zucker eine Beziehung mit einer Angestellten führte. Auch er musste gehen.

Der Beginn des Albtraums für CNN

Unter dem neuen Boss Chris Licht geht es nun aber auch ein halbes Jahr nach dessen Amtsantritt nicht weniger turbulent zu. Licht verlangte bei seinem Start in einem Schreiben an die Belegschaft, sie müsse das Vertrauen des Publikums wieder gewinnen, mit einer Neuausrichtung. Licht will weg vom Image des «Clinton News Network», wie Donald Trump es zu nennen pflegt. Der frühere Präsident wurde auf CNN stets hart kritisiert, seine Abwahl wurde im Programm als «Ende eines nationalen Albtraums» gefeiert. Nun solle wieder «objektiver Journalismus» auf dem Sender zu sehen sein, forderte Licht.

Was der neue Chef damit genau meint, ist alles andere als klar. Er wolle CNN «zu einem Ort für fairen und respektvollen Dialog, für Analyse und Debatte machen», erklärte Licht bei Antrittsbesuchen im Capitol den Führungen der beiden Parteien. Anderen Medien fiel nicht nur auf, dass es ungewöhnlich ist, wenn ein CEO Politiker dazu überreden will, seinem Sender die Aufwartung zu machen, sondern auch, dass er mehr Republikaner als Demokraten traf.

Inzwischen hat Licht deutlich gemacht, dass ein Teil seiner neuen Fairness offenbar darin besteht, prominente Journalisten hinauszuwerfen. Er stellte Ende August die Mediensendung von Brian Stelter ein, und wenige Tage später nahm überraschend John Harwood den Hut. Der profilierte Korrespondent für das Weisse Haus bezeichnete Trump noch ein letztes Mal auf dem Sender als «Demagogen», bevor er CNN verliess, zwei Jahre vor dem Ende seines Vertrags und ohne einen neuen Job zu haben.

Das Weisse Haus hört die Kritik nicht gern

Boykottaufrufe in den sozialen Medien wurden zusätzlich befeuert von einer vermeintlichen Kehrtwende der Starmoderatorin Brianna Keilar. Sie hatte sich einen Namen damit gemacht, Trumps Leute hart anzufassen. Nun aber kritisierte sie auf einmal Joe Biden, und das auch noch ausgerechnet für eine Rede, die eine düstere Warnung vor Trumps Gefahr für die amerikanische Demokratie war.

Keilar wies darauf hin, dass Biden mit seiner Rede zur besten Fernsehzeit gegen die Konvention verstiess, die Parteipolitik bei solchen Anlässen ruhen zu lassen. Scharf kritisierte sie insbesondere, dass Biden sich von Marinesoldaten und deren Kapelle begleiten liess: Die Streitkräfte dürften nur bei zeremoniellen, keinesfalls aber bei politischen Auftritten eingesetzt werden, weil sie gänzlich unpolitisch zu sein hätten.

Wie CNN zu einer weniger aufgeregten Berichterstattung findet, ohne belanglos zu werden, ist Lichts Geheimnis.

Die Meinungen auf der linken Seite waren alsbald gemacht: CNN rückt nach rechts. Das kam auch im Weissen Haus nicht gut an, das sich an die wohlwollende Berichterstattung von CNN gewöhnt hatte, wie eine Serie von Tweets von Joe Bidens Stabschef zeigte. Hinter dem Wandel wird David Zaslav vermutet, der CEO des Medienimperiums Discovery, das seit April Warner Discovery heisst, weil es sich das Mutterhaus von CNN einverleibt hat. Zaslav bestreitet, auf die politische Ausrichtung des Senders Einfluss zu nehmen, und auch Licht beteuert, es gehe ihm nur um «objektiven Journalismus».

Die aufgeregte Debatte zeigt, dass der neue Chef durchaus einen Punkt hat. Bidens Rede über den Gefahren für die US-Demokratie konnte durchaus als objektiv bezeichnet werden. Die Art und Weise aber, in der er sie vortrug und mit tagespolitischen Themen vermischte, war eine Grenzüberschreitung, die nicht nur von Republikanern als solche empfunden und in mehreren liberalen Medien kritisiert wurde. Die Aufregung um die Berichterstattung von CNN scheint dennoch mindestens dieselben Ausmasse anzunehmen wie jene auf dem Sender.

Den Einstieg vermasselt

Wie genau CNN zu einer weniger aufgeregten Berichterstattung findet, ohne belanglos zu werden, ist aber bisher Lichts Geheimnis. Gerade bei jüngeren Zuschauern hätte der Sender durchaus Potenzial, doch ist Kabel-TV ein schrumpfender Markt, und CNN erreicht ein beschränkteres Publikum als CBS, die Nummer 1 der Antennensender. Den Einstieg ins zukunftsträchtige Streaming-Geschäft hat CNN verpasst, trotz des relativ jugendlichen Publikums.

Nach nur einem Monat stellte Licht CNN+, das Prestigeprojekt seines Vorgängers, wieder ein. Dem Sender einfach ein paar linke Zähne zu ziehen, genügt nicht; Licht muss nun schnell beweisen, dass er eine erfolgversprechende Vision zu bieten hat. Trösten kann er sich damit, dass es auch der Konkurrenz nicht viel besser geht. Auch bei MSNBC, ebenfalls ein Sender mit linker Ausrichtung, schrumpft der Publikumskreis, nur ein klein wenig langsamer.

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