Neue Prioritäten mit KindernBei Aufräumkönigin Marie Kondo herrscht jetzt Chaos
Sie hat Millionen weltweit zum Aufräumen inspiriert. Nun hat die Japanerin drei Kinder – und findet Ordnung nicht mehr wichtig. Ihr neues Motto heisst «Kurashi».

Die Japanerin Marie Kondo hat jahrelang das Aufräumen propagiert und damit Millionen verdient. Ihre Falt- und Verstaumethoden wurden in vielen Büchern und Videos, einer Netflix-Serie und teuren Seminaren weitergegeben, der Hype hält bis heute an.
Aber nicht bei der Aufräumkönigin selber. Die mittlerweile 38-Jährige hat ihre Prioritäten gründlich verschoben, gezwungenermassen, wie sie der «Washington Post» sagt. Mit ihren drei Kindern kam das Chaos in ihr Haus, und selbst eine durchorganisierte Millionärin wie Marie Kondo musste ihren gewohnten Alltag aufgeben. Früher predigte sie noch, dass Unordnung im Haus auch ein Zeichen der Unordnung im Herzen sei, doch das ist nun passé. Ihr Glück hänge nicht mehr von einem aufgeräumten Zimmer oder perfekt gefalteten Kleidern ab, sagt sie.

Die Japanerin weiss auch, dass es für die meisten Leute wohl nicht realistisch ist, ein perfekt aufgeräumtes und organisiertes Zuhause zu haben. Das gilt sogar für sie selber, die das jahrelang professionell gemacht und mit aufwendiger Inszenierung und Marketing viel Geld verdient hat. Dabei war ihr Alltag aber oft so überladen, dass sie manchmal völlig fix und fertig war. Der Druck, als Aufräumkönigin das Haus ständig in perfekter Ordnung zu halten, habe sogar zu Angstzuständen geführt.
Chaotisches Zuhause stört sie nicht mehr
Spätestens mit der Geburt des dritten Kindes im Jahr 2021 ist Aufräumen für Kondo in den Hintergrund gerückt. Sie hat realisiert, dass es ihr viel wichtiger ist, den Tag mit ihren Kindern zu verbringen. «Mein Zuhause ist jetzt chaotisch, aber an diesem Punkt in meinem Leben gefällt mir die Art und Weise, wie ich meine Zeit verbringe», sagte sie während einer virtuellen Teezeremonie.
Mit dem «äusserlichen» Aufräumen im grossen Stil ist es bei der Japanerin vorbei. Doch für ihre Anhängerinnen und Anhänger hat sie bereits den nächsten Hype bereit. Das neue Motto heisst nun «Kurashi». Kondo stellt damit eine japanische Philosophie «für ein glückliches Zuhause und Leben» vor. Es ist quasi die fernöstliche Version des dänischen Hygge, das gemütliche Lebensgefühl der mitunter glücklichsten Menschen der Welt.

Das japanische «Kurashi» ist eine Lebensweise, wie man den Tag verbringt, «bis die Sonne untergeht». Kondo mischt ihre Ordnungsphilosophie und Achtsamkeit dazu und regt in ihrem neuen Buch dazu an, damit sein «ideales Leben» zu finden. Sie forderte die Teilnehmenden der Teezeremonie auch gleich dazu auf, sich zu fragen, was sie glücklich mache, und darauf die täglichen Gewohnheiten aufzubauen.
Kleine Gewohnheiten finden
Kondo empfiehlt, dies Schritt für Schritt zu tun. «Macht es mich glücklich?», war der Leitsatz beim Aufräumen und nun auch bei den kleinen Gewohnheiten. Hat man eine gefunden, soll man diese während zehn Tagen ausprobieren. Bringt sie Freude, behält man sie bei, ansonsten soll man etwas anderes versuchen. Kondo hat mehrere solcher kleinen Gewohnheiten. Beispielsweise trinkt sie dreimal am Tag eine Tasse Tee aus ihrer Spezialitätenschublade.
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Oder sie arbeitet an ihren Alben. Sie klebt dabei ausgeschnittene Fotos in ein Buch. Wie bei ihrer Aufräummethode geht sie dabei nach Farben vor. Der Grund: Wenn sie etwas Erholung brauche, schaue sie die Seiten mit den grünen Bildern an, das beruhige sie. Macht ein Foto sie nicht mehr glücklich, reisst die Japanerin es wieder aus dem Album raus, perfekt muss es nun ja nicht mehr sein.
Herz und Kopf organisieren
Bei «Kurashi» soll man schliesslich herausfinden, was man wirklich vom Leben will. Kondo rät nicht mehr, Wohnzimmer und Kleiderschrank zu entrümpeln, sondern das Oberstübchen. Wenn man das Herz und den Kopf organisiere, erhalte man Klarheit über die Sachen, die einem wichtig seien, sagt sie. Das sei aber nicht ganz einfach, auch sie kämpfe derzeit damit. Und mit dem Älterwerden ihrer Kinder würden sich die Prioritäten in ihrem Leben wohl wieder ändern. Man müsse ständig in sich schauen, um sein ideales Leben zu finden, sagt die «Kurashi»-Autorin.
Mit dem Buch lande die Japanerin auf dem harten Boden der Realität, schreibt die «Washington Post» leicht süffisant. Und für viele Mütter und Väter weltweit ist es wohl eine Entlastung, wenn selbst eine Organisationsexpertin wie Marie Kondo vom Alltag mit Kindern in die Knie gezwungen wird. Auch sie musste ihre Prioritäten derart anpassen, dass die einst so wichtige Aufräumphilosophie, mit der sie Millionen verdiente, plötzlich zur Nebensache wird.
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