Lohndumping-Skandal am CeneriVerfahren um geprellte Gleisbauer wird eingestellt – Arbeiter bekommen Schadensersatz
Nicht bezahlte Überstunden, Doppelschichten und falsch ausgefüllte Lohnzettel: Die Ermittlungen wegen unhaltbarer Zustände auf der Ceneri-Baustelle enden ohne Verhandlung.

Im Fall des Lohndumping-Skandals am Ceneri ist die Strafuntersuchung von der Tessiner Staatsanwaltschaft eingestellt worden. Auf der Baustelle des Ceneri-Basistunnels soll es zwischen 2017 und 2o18 zu chaotischen und unhaltbaren Zuständen gekommen sein. «Neat: Arbeiter um Millionen geprellt», titelte auch diese Zeitung im April 2019.
Die Vorwürfe waren insofern besonders brisant, weil es sich bei der betroffenen Firma, der Alptransit Gotthard AG, um ein Tochterunternehmen der SBB handelte. Diese beschäftigte beim Ausbau rund 170 Gleisbauer der italienischen Firmen Gefer und Generale Costruzioni Ferroviarie (GCF), die zur grossen Gruppe Rossi gehören. Sie berichteten bei den Arbeiten in der Röhre von gravierenden Sicherheitsmängeln, nicht bezahlten Überstunden, Doppelschichten und falsch ausgefüllten Lohnzetteln.
2019 eröffnete die Tessiner Staatsanwaltschaft deswegen ein Dossier. Doch das Verfahren wurde im Dezember 2024 eingestellt, berichtet die Tessiner Tageszeitung «La Regione». In der Einstellungsverfügung wird damit begründet, dass die Ermittlungen die angeprangerten Zustände nicht oder nur teilweise nachweisen konnten. Es hätten keine eindeutigen Beweise vorgelegt werden können, dass bei den Abrechnungen betrogen wurde. Das Beweismaterial der Lohnabrechnungen sei zu unvollständig und lückenhaft, um Basis für eine Anklage und einen Prozess zu sein.
Trotzdem erhalten die zehn Arbeiter, die mithilfe der Gewerkschaft Unia als Privatkläger auftraten, einen Schadensersatz von 390’000 Franken. So werden geleistete Überstunden nachträglich abgegolten, heisst es in einer Begründung.
Schadensersatz trotz Einstellung des Verfahrens
Die Schadensersatzzahlungen und die Einstellung des Strafverfahrens haben keinen direkten Zusammenhang. «Mit diesem Vergleich sind die Arbeiter zufrieden», erklärte der Unia-Gewerkschafter Igor Cima gegenüber der NZZ. Mehr darf er dazu nicht sagen, über die Details der Einigung wurde Stillschweigen vereinbart. Die Italiener, im Tessin vertreten durch Rechtsanwalt Emanuele Stauffer, betonen ihrerseits: «Eine Einstellungsverfügung bedeutet, dass ein Staatsanwalt keinerlei Elemente von strafrechtlich relevantem Verhalten ermitteln konnte.»
Strafrechtlich relevantes Verhalten wird GCF auch noch in anderen Fällen vorgeworfen: Die Rossi-Gruppe ist aktuell in einen Mafia-Fall involviert, wo es um betrügerische Auftragsvergaben der italienischen Bahninfrastrukturbetreiberin RFI geht. Es gilt die Unschuldsvermutung. Ebenfalls bekannt sind Fälle aus Dänemark, wo der Konzern auf drei Baustellen in ähnliche Konflikte mit seiner Belegschaft verwickelt war: Beim Bau der neuen Metrolinie Cityringen in Kopenhagen ging es zum Beispiel ebenfalls um zu lange Arbeitszeiten und falsch ausgefüllte Lohnzettel. Auch dort endete der Streit in einem aussergerichtlichen Vergleich.
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