Vorstoss im nationalen ParlamentLinke will, dass Behörden Massenkündigungen wie bei den Sugus-Häusern stoppen können
Der Fall aus dem Zürcher Kreis 5 beschäftigt am Montag den Ständerat. Und wieder stellt sich die Frage: Liegt die Lösung für die Wohnmisere in mehr oder in weniger Staat?

- Die Massenkündigungen in den Zürcher Sugus-Häusern sind zum Symbol für die städtische Wohnungsknappheit geworden.
- Ständerat Carlo Sommaruga fordert Genehmigungen für Massenkündigungen durch kantonale oder kommunale Behörden.
- Zwischen 2018 und 2022 sind laut einer Studie 30’000 Personen von Leerkündigungen betroffen gewesen.
- Der Vorstoss steht im bürgerlich dominierten Ständerat wegen der Eigentumsfreiheit in der Kritik.
Die Massenkündigungen in den Zürcher Sugus-Häusern haben längst Symbolcharakter für die Wohnungsknappheit in den Schweizer Städten erlangt. Im Dezember hatte die Besitzerin von drei der neun auffällig farbigen Wohnblocks beim Zürcher Hauptbahnhof 105 Parteien die Kündigung geschickt und damit grosse Empörung ausgelöst. Eine Sanierung der Gebäude sei unumgänglich, argumentierte sie. Danach plant die Besitzerin, so ist anzunehmen, den Mietzins deutlich anzuheben. Bisher war er unterdurchschnittlich gewesen.
Am Montagabend beschäftigt diese Leerkündigung auch die Bundespolitik. Carlo Sommaruga, Genfer SP-Ständerat und Präsident des nationalen Mieterverbands, verlangt in einem Vorstoss, dass Eigentümerinnen vor Massenkündigungen wie in Zürich künftig eine Genehmigung einer kantonalen oder kommunalen Behörde einholen müssen. Diese dürfe nur erfolgen, wenn die anstehenden Arbeiten «wirtschaftlich, sozial und ökologisch gerechtfertigt» seien. Zudem müssten Möglichkeiten, ob die Mieter beispielsweise während des Umbaus in der Wohnung bleiben könnten, geprüft worden sein.
Im Falle der Sugus-Häuser wäre eine solche Bewilligung möglicherweise nicht erteilt worden: Fachpersonen sind sich uneins darüber, ob eine Sanierung bereits nötig ist. Zudem hätte wohl die Option bestanden, dass die Bewohnerinnen und Bewohner die Siedlung nicht hätten verlassen müssen. Denkbar wäre insbesondere ein sogenannt etappierter Umbau gewesen. Bei einem solchen finden jeweils nur in einem Teil der Siedlung Bauarbeiten statt, und die Mieter wechseln zwischen den Wohnungen.
Rechte will Wohnungsknappheit mit mehr Markt bekämpfen
Ständerat Sommaruga argumentiert, dass die Sugus-Häuser nur ein Beispiel von vielen seien, bei dem Hauseigentümerinnen über Renovationen und Sanierungen «rein spekulative Ziele» verfolgten. Zwischen 2018 und 2022 seien 30’000 Personen schweizweit von Leerkündigungen betroffen gewesen, zitiert er eine Studie der Zürcher Kantonalbank vom vergangenen Herbst. Solche Fälle hätten schwerwiegende gesellschaftliche Auswirkungen, da auf diese Weise günstiger Wohnraum verschwinde.
Im bürgerlich dominierten Ständerat wird es der linke Vorstoss schwer haben. Zwar hat der Rat vergangene Woche überraschend auch eine Lohnobergrenze für Bankmanager angenommen. Doch war dies kein definitiver Entscheid und dürfte eher ein politischer Warnschuss an die Adresse der UBS gewesen sein als ein Anzeichen dafür, dass die kleine Kammer plötzlich kapitalismuskritisch ist. Möglich ist auch, dass der Rat den Vorstoss nicht direkt ablehnt, sondern ihn erst für eine detaillierte Besprechung an die zuständige Kommission überweist.
Das Hauptargument gegen Sommarugas Idee ist, dass diese ein Eingriff in die verfassungsmässige Eigentumsfreiheit sei. Diese Diskussion ist also einmal mehr eine über die Frage, ob die Wohnungsknappheit in den Ballungszentren über mehr oder weniger Eingriffe zu lösen ist. Die Linke fordert, vereinfacht gesagt, eine stärkere Einschränkung der Freiheiten von Immobilienbesitzern zugunsten der Mieterinnen und Mieter, um Letztere besser vor den Kräften des Marktes zu schützen. Die Bürgerlichen argumentieren, bei zu hoher Regulierungsdichte sei es immer unattraktiver, Ressourcen in neue Bauprojekte zu investieren.
Regierung hofft auf Ablehnung im Ständerat
Das Ziel des ökologischen Umbaus der Gebäude, der nicht nur von der Linken gewünscht ist, verkompliziert die Gemengelage. Diese Umbauten fordern teilweise die Beendigung von Mietverhältnissen. Ideal wäre darum, wenn Wohnungen im bewohnten Zustand saniert würden, führt der Bundesrat in seiner Stellungnahme zum Vorstoss aus. Er spricht sich allerdings für eine Ablehnung aus.
Stattdessen schreibt der Bundesrat, er habe unter anderem ein Handbuch für Marktteilnehmer erstellen lassen und finanziere weitere Projekte, damit sich ein solches Vorgehen verstärkt durchsetze. Weiter argumentiert er, Kündigung liessen sich anfechten. Zum Beispiel sei dies dann gerechtfertigt, wenn die Eigentümerin nicht klar genug aufzeigen könne, warum eine Anwesenheit der Mieter während der Arbeiten nicht möglich sei.
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