Vermieter sollen auf Mieteinnahmen verzichtenGrosse Kammer eilt den Wirten zu Hilfe
Der Nationalrat will, dass Restaurants und andere Geschäfte, die auf bundesrätliche Anordnung geschlossen wurden, nur noch 30 Prozent der Miete bezahlen müssen. Der Bund müsse sich beteiligen, mahnt ein Staatsrechtler.
Der Nationalrat hat mit den Stimmen von links und der Mitte einer Motion zugestimmt, die fordert, dass Wirte und andere Firmen, die auf Anordnung des Bundes wegen des Coronavirus schliessen mussten, nur dreissig Prozent der Miete bezahlen müssen. Auf den Rest sollen die Vermieter verzichten. Die Regelung gälte rückwirkend ab dem vom Bundesrat verhängten Shutdown und bis zum Tag, an dem dieser für die entsprechende Branche aufgehoben wird.
Das sei eine «faire und angemessene Lösung», sagte die Zürcher SP-Nationalrätin Jacqueline Badran. Sie rechnete vor, dass die Vermieter mit dem Beschluss nur auf «ein bis drei Prozent» der Einnahmen verzichten müssten, da die meisten Geschäftsliegenschaften ja auch noch Wohnungen oder Büros hätten, deren Mieten weiterhin bezahlt würden. So entstünden der Allgemeinheit keine Kosten. Dass einige Vermieter durch den Mietausfall in Schwierigkeiten kommen könnten, gab Badran allerdings indirekt zu: Für diese ist ein Härtefall von 20 Millionen Franken vorgesehen. Gemeinnützige Wohnbauträger sollen gemäss Badran von der Regelung ausgenommen werden oder daraus entschädigt werden.
Geschäftsmieten könnten steigen
Für Markus Meier, Direktor des Hauseigentümerverbandes, stimmt die Berechnung des Ertragsausfalles von Jacqueline Badran nur in seltenen Fällen. «Die Mietverhältnisse sind zu unterschiedlich, als dass sich das sagen lässt», findet er. Die Renditen auf Geschäftsmieten seien geringer, als dies Badran gerne darstelle. «Sie sind gesetzlich begrenzt und reguliert.» Für Meier ist der Entscheid ein «willkürlicher Mieterlass», der auf Kosten der Eigentümer gehe. Er befürchtet, dass die Geschäftsmieten steigen werden, falls die Motion tatsächlich umgesetzt werde. «Wenn die Vermieter in Zukunft damit rechnen müssen, dass ihnen die Politik die Mieteinnahmen kürzen kann, werden sie die Bildung von Reserven anstreben, was zu höheren Mieten führt.»
SVP und FDP stemmten sich vergeblich gegen den Vorschlag. Sie fanden, der Vorschlag verstosse unter anderem gegen die Eigentumssicherheit und die Wirtschaftsfreiheit in der Bundesverfassung. Der Bund habe die Schliessungen Mitte März verordnet, «aber jetzt trägt nicht etwa der Staat den Mieterlass, sondern nur die Vermieter», sagte SVP-Nationalrat Thomas Matter (ZH). Das sei ein «einseitiges, ungerechtes Vorgehen» und «reine Willkür». Fabio Regazzi (CVP/TI), der sich für die Vorlage einsetzte, räumte ein, dass man Entscheide fälle, die «nicht unbedingt gesetzeskonform» seien, doch «Not kennt kein Gebot», sagte er.
Vermieter stehen in der Pflicht
Dem widerspricht der Luzerner Staatsrechtler Paul Richli. Auch in schwierigen Zeiten müsse sich der Staat an das Recht halten. Seiner Meinung nach genügt es nicht, einfach Vermieter und Mieter zum Dialog aufzufordern, wie das der Bundesrat getan habe. «Bei uns gilt die Regel, dass Verträge anzupassen sind, wenn sich die Umstände grundlegend ändern.» Der Vermieter stehe in der Pflicht, sich auf eine Vertragsanpassung einzulassen, wenn der Mieter wegen behördlicher Geschäftsschliessungen aus übergeordneten Interessen in ernste finanzielle Schwierigkeiten gerate. Der Vermieter könne sich nicht einseitig auf Wirtschafts- und Vertragsfreiheit berufen, sagt Richli. Ob es klug sei, den Mietverzicht für alle gleich festzulegen, sei eine andere Frage. Man müsse Ausnahmemöglichkeiten vorsehen.
Der Bund muss sich an einer Entschädigung beteiligen.
Allerdings habe der Bund die Geschäfte schliessen lassen und müsste sich nach Sinn und Zweck des Epidemiengesetzes eigentlich an einer Entschädigung beteiligen. Richli schlägt vor, dass der Bund ein Drittel oder die Hälfte der Miete übernimmt und die Vermieter auf die Hälfte der restlichen Miete verzichten. Entscheidend sei, dass der Bund mindestens ein dringliches Bundesgesetz ausarbeite und nicht einfach per Notrecht die Mieten senke. Zuerst muss die Motion vom Ständerat ebenfalls angenommen werden. Die kleine Kammer hatte am Montag einen eigenen Vorschlag für einen Mieterlass beschlossen, der jedoch vom Nationalrat abgelehnt wurde.
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