Biden besucht IsraelEine Reise mit Risiken
Der US-Präsident zeigt am Mittwoch seine Solidarität mit einem Besuch in Israel, trotz aller Gefahren. Auch politisch geht Joe Biden ein erhebliches Wagnis ein.
Mitten in Israels Vorbereitungen auf eine Invasion in Gaza wird US-Präsident Joe Biden am Mittwoch das Land besuchen. Aussenminister Antony Blinken kündigte die Reise am frühen Dienstagmorgen an, nachdem er sich gerade stundenlang mit Israels Premierminister Benjamin Netanyahu unterhalten hatte. Biden «kommt hierher in einem kritischen Augenblick für Israel, für die Region und für die Welt», sagte Blinken in Jerusalem. Biden nehme eine Einladung von Netanyahu an, um seine Solidarität mit Israel zu zeigen und das Recht des Landes auf Verteidigung nach dem blutigen Angriff vom 7. Oktober mit mehr als 1400 Todesopfern zu unterstreichen.
Vorher hatte der Aussenminister in Tel Aviv am eigenen Leib zu spüren bekommen, dass auch die Reise seines Präsidenten riskant sein wird: Wegen eines Luftalarms musste sich Blinken in einem Bunker in Sicherheit bringen. Mit solchem Beschuss muss wahrscheinlich auch Joe Biden rechnen. Schon mit einer mehrstündigen Zugreise von Polen nach Kiew im Februar hatte er gezeigt, dass er bereit ist, Risiken auf sich zu nehmen. Russland war vorgewarnt damals. Vorgewarnt ist nun auch die Hamas, die Terrororganisation, die von Gaza aus ganz Israel mit Raketen erreichen kann. Ob sie sich allerdings wie Russland zurückhalten wird, wenn der US-Präsident anreist, ist alles andere als klar.
Chinas nächste Doppelstrategie
Auch politisch geht Biden ein erhebliches Wagnis ein. Mit dem deutschen Kanzler Olaf Scholz reist vor ihm am Dienstag schon ein anderer westlicher Regierungschef nach Israel. Doch wie kein anderer stärkt der US-Präsident mit seinem Besuch die Position von Netanyahu, dem israelischen Premierminister, den Biden wohl schon lange kennt, aber nicht besonders schätzt. Eben noch hatte er ihn öffentlich hart dafür gescholten, die israelische Gesellschaft zu spalten.
Indem der US-Präsident sich nun persönlich in Israel zeigt, verbindet er sein Land symbolisch enger mit den anstehenden Kriegsoperationen in einem dicht besiedelten Gebiet mit zwei Millionen Einwohnern. Berater hatten ihm deswegen die Reisepläne auszureden versucht. Keineswegs wollten sie riskieren, dass Biden in Israel weilt, wenn die Bilder der Panzer in Gaza um die Welt gehen. Es ist wohl davon auszugehen, dass das Weisse Haus entsprechende Zusicherungen verlangt hat und die Militäroperation nicht vor dem Besuch aus Washington beginnen wird.
Biden geht die Wagnisse ein, weil er mit der Reise seiner Maxime folgt, die er in seinen 36 Jahren als Senator bereits befolgte: Persönliche Beziehungen prägen die Politik. Deswegen pflegt er den Kontakt zu Netanyahu, dem er öffentlich uneingeschränkt den Rücken stärkt, um im Hintergrund umso mehr Einfluss geltend machen zu können. Offensichtlich versuchen die USA, mässigend auf die Regierung Netanyahus einzuwirken. Blinken zufolge will Biden bei dem Besuch etwa darauf drängen, eine Lösung für die humanitäre Krise in Gaza zu finden. Israel und die USA hätten sich bereits auf einen Plan geeinigt, um der palästinensischen Zivilbevölkerung Lebensmittel zukommen zu lassen, sagte Blinken, ohne aber Einzelheiten zu nennen.
Biden reist auch nach Jordanien
Humanitäre Hilfe will Biden auch in Amman zur Sprache bringen, wohin er von Israel aus weiterreist. Durch die Treffen mit mehreren arabischen Oberhäuptern will Biden wohl zeigen, dass er nicht auf Israel allein schaut. In Jordanien wird er neben König Abdullah II. auch den ägyptischen Präsidenten Abdel Fattah al-Sisi treffen. Der Ägypter kontrolliert mit dem Grenzübergang Rafah den einzigen Zugang zum Gazastreifen, der nicht über Israel führt. Bisher hält Ägypten die Grenze geschlossen. Schliesslich wird sich Biden mit Mahmud Abbas unterhalten, dem Präsidenten der Autonomiebehörde im Westjordanland.
Eine Warnung sei Bidens Reise ebenfalls, sagte US-Aussenminister Blinken: Keiner von Israels Nachbarn solle daran denken, die aktuelle Lage für weitere Angriffe auszunutzen. Die USA stünden voll hinter Israel, betonte Blinken. Die Navy hat demnach bereits eine zweite Flugzeugträger-Kampfgruppe ins östliche Mittelmeer geschickt. Unterwegs ist auch eine Schnelleinsatzeinheit der Marines, 2000 Mann stark. Sie soll im Notfall amerikanische Bürger aus Israel in Sicherheit bringen.
Trump über Hizbollah: «Sehr schlau»
Bidens entschlossene und symbolträchtige Unterstützung für Israel steht in starkem Kontrast zu den Aussagen seines voraussichtlichen republikanischen Herausforderers. Donald Trump hat am Freitag vor seinen Anhängern die Terrororganisation Hizbollah als «sehr schlau» gelobt und dafür die israelischen Sicherheitskräfte kritisiert. Dieser Gegensatz könnte Biden im Wahlkampf um die Präsidentschaft 2024 zugutekommen, hofft ein Teil seiner Berater, die die Pläne für die anstehende Israel-Reise vorantrieben.
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