Dramatik in Roland GarrosNadal dreht in einer magischen Nacht die Zeit zurück
Der Spanier gewinnt das 59. Duell gegen Djokovic und nimmt Kurs auf seinen 22. Grand-Slam-Titel.
Es war 1.15 Uhr morgens im Tollhaus des Philippe-Chatrier-Courts von Roland Garros. Novak Djokovic hatte eben den letzten Punkt gegen Rafael Nadal verloren und stürmte Sekunden später aus dem Stadion. Der Serbe musste sich im 59. Duell gegen den Spanier zum 29. Mal geschlagen geben, in der am spätesten beendeten Partie der langen Geschichte des French Open. 4:12 Stunden waren gespielt, als auf dem Scoreboard das Schlussresultat aufleuchtete – 6:2, 4:6, 6:2, 7:6 (7:4).
«Merci, merci, merci et merci à tout le monde», sagte Nadal in Französisch zu dieser späten Stunde, ekstatisch. Es sei einer der wichtigsten Siege auf dem wichtigsten Tennisplatz seiner Karriere gewesen. Als ihn Marion Bartoli, eine ehemalige Wimbledonsiegerin, dann in Englisch befragte, sagte er, freudestrahlend, nur: «Es war eine dieser magischen Nächte für mich, so thank you very much.»
Djokovics Grand-Slam-Rekordjagd erneut gestoppt
Es war wohl auch für die Tennisgeschichte eine vorentscheidende Nacht. Sie beraubte Djokovic, der sich den ganzen Abend bis auf einen kleinen Wutausbruch souverän unter Kontrolle hatte, der Chance, am Sonntag mit seinem 21. Grand-Slam-Titel zum Spanier aufzuschliessen. Der Serbe hatte im Januar das Australian Open wegen Einreiseproblemen auslassen müssen, worauf Nadal aus heiterem Himmel in Melbourne seinen zweiten Titel feiern konnte.
Nun präsentiert sich für Nadal der Weg zu seinem 22. Majorpokal sehr begehbar. Im Halbfinal trifft der 35-jährige Linkshänder am Freitag auf Alexander Zverev, den überraschenden Bezwinger von Carlos Alcaraz. Im Final würde entweder der Norweger Casper Ruud, der Däne Holger Rune, der Kroate Marin Cilic oder der Russe Andrej Rublew warten. Alles krasse Aussenseiter.
Das 59. Duell zwischen den zwei dominierenden Spielern der letzten fünf Jahre wurde zur erwartet zähen Sache. Entgegen den meisten Experten-Prognosen startete Nadal an dem immer kühler werdenden Abend souverän. Das 6:2 im ersten Satz war allerdings trügerisch, allein die ersten drei Games dauerten 20 Minuten.
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Satz zwei brachte dann die zwischenzeitliche Wende, nachdem Nadal mit weiteren zwei Breaks 3:0 in Führung gehen konnte. Djokovic holte sich beide zurück, wobei das kapitale sechste Game allein 20 Minuten dauerte. Hatte der Serbe zu Beginn des Satzes noch verloren gewirkt und sarkastisch gelächelt, fand er nun zurück zu seiner gewohnten Souveränität. 2:15 Stunden waren vergangen, als er den Satzausgleich schaffte.
Derweil stellte sich mit fortlaufender Matchdauer die Frage, wem mit solchen Nightsessions in Paris gedient ist, abgesehen von den Organisatoren, die dadurch 15’000 Tickets mehr pro Tag absetzen können. Um Mitternacht, als die Métro in Paris langsam ihren Dienst einstellte, deutete sich erst eine Vorentscheidung an. Der 13-fache Paris-Sieger aus Mallorca kam nach einer kurzen Auszeit in der Garderobe im dritten Satz erstaunlich stark zurück, breakte Djokovic sogleich, holte sich das Momentum und, in Paris war schon der Mittwoch angebrochen, die Satzführung zurück. Inzwischen waren drei Stunden gespielt, für drei Sätze.
Djokovic vergibt zwei Bälle für einen fünften Satz
Knapp eine Stunde später deutete alles auf einen 5. Satz hin, nachdem Djokovic 5:2 in Führung gegangen war. Doch dann vergab der Titelverteidiger zwei Satzbälle, und sofort schlug Nadal zurück. Während sich die Zuschauer in den Logen in Wolldecken hüllten und die Stimmung im Stadion immer lauter wurde, schaffte der Mallorquiner das 5:5 und rettete sich nach vier Stunden ins Tiebreak.
In diesem war Nadal nicht mehr zu bremsen, spielte wie in seinen besten Zeiten. Er ging 6:1 in Führung und konnte es sich sogar leisten, drei Matchbälle zu vergeben, ehe er den vierten souverän verwertete und wie ein junges Fohlen in die Luft sprang. Nachdem er praktisch ohne Vorbereitung auf Sand ins Turnier gestiegen war, sich öffentlich wie nie zuvor über seine chronischen Fussschmerzen beklagt und publikumswirksam erklärt hatte, jede Partie könnte seine letzte in Paris sein, fragte sich wohl mancher, wie er nur zu einer solchen Leistung fähig gewesen war.
Doch wenn der erfolgreichste Tennisspieler der Grand-Slam-Historie an seinem erfolgreichsten Turnier antritt, sind solche Fragen wohl müssig. Nadal und Roland Garros, das scheint eine Liebesgeschichte ohne Ende zu sein, die jegliche Realitätsansprüche übersteigt.
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