Nachruf Rosalynn CarterSie war die erste First Lady ihrer Art
Die politische Karriere von Jimmy Carter wäre ohne seine Frau Rosalynn nicht denkbar gewesen. Sie hatte als erste Ehefrau ein Büro im Weissen Haus und hatte Einfluss auf den US-Präsidenten.

Als eine Weile nach Beginn der Präsidentschaft von Jimmy Carter im Jahr 1977 bekannt wurde, dass dessen Ehefrau Rosalynn an Kabinettssitzungen und Sicherheitsbriefings teilnahm, regte sich in Teilen der Presse Unmut. War das angemessen? Hatte sich die Ehefrau des mächtigsten Mannes der Welt nicht um häusliche Belange zu kümmern? Oder war am Ende gar Rosalynn die heimliche Präsidentin, die Jimmy sagte, was er zu tun habe?
In ihrer Autobiografie schrieb Rosalynn Carter später, die Leute, die solche Fragen stellten, wüssten offenbar sehr wenig über ihren Ehemann. Er lasse sich beraten, aber sicherlich nichts vorschreiben.
Rosalynn Carter war die erste First Lady, die sich ein Büro im Ostflügel des Weissen Hauses einrichtete, mit eigenem Personal und eigenem Stabschef. Sie wollte nah am Geschehen sein, sie wollte im Detail wissen, welche grossen und kleinen Fragen verhandelt werden, um mit ihrem Mann auf Augenhöhe reden zu können.
Sie waren ein politisches Duo
Wie sehr die Carters sich als politisches Duo verstanden, wurde deutlich, als Rosalynn Carter im Mai und im Juni 1977 zu einer grossen Reise nach Mittel- und Südamerika aufbrach, in dessen Verlauf sie sieben Länder besuchte und in knapp zwei Wochen fast 20’000 Kilometer zurücklegte. Es war ausdrücklich keine repräsentative Reise, sondern eine diplomatische Mission. Es ging darum, dass sie in der Region die Ziele der US-Aussenpolitik darlegte. Nie zuvor war eine First Lady mit einer solchen Aufgabe betraut worden.
Als Bill Clinton im Jahr 1992 als Präsident kandidierte, warb er unter anderen damit für sich, dass im Falle seines Wahlsiegs seine Ehefrau Hillary ebenfalls in Weisse Haus einzöge und die Wählerinnen und Wähler mithin für doppelte Kompetenz stimmten. So offen hatten die Carters es nicht kommuniziert, und es wäre auch zu viel gesagt, dass Rosalynn Carter als Co-Präsidentin fungierte, aber sie war die wichtigste Beraterin ihres Ehemanns.

Es ging wesentlich auf ihre Initiative zurück, dass Jimmy Carter im Jahr 1978 den israelischen Ministerpräsidenten Menachem Begin und den ägyptischen Präsidenten Anwar al-Sadat im Camp David im Bundesstaat Maryland zusammenbrachte. Zwölf intensive Verhandlungstage führten zum Camp-David-Abkommen, das im Fortgang zur Unterzeichnung des ägyptisch-israelischen Friedensvertrags von 1979 führte.
Begin und Sadat erhielten für die von den Carters vermittelten Verhandlungen 1978 den Friedensnobelpreis. Jimmy Carter erhielt diesen Preis erst viel später, im Jahr 2002 für seine vielfältigen Bemühungen um Frieden in aller Welt in der Zeit, in der er nicht mehr Präsident der USA war. Es ist keine Übertreibung zu sagen, dass dieser Preis Rosalynn Carter zur Hälfte gebührt.
Als Carter 1976 als unbekannter Politiker zur Wahl antrat, bereiste Rosalynn Carter in 18 Monaten 42 Bundesstaaten.
Im Jahr 1927 wurde Eleanor Rosalynn Smith in einem Dorf namens Plains im Bundesstaat Georgia geboren, das damals 600 Einwohner hatte. Die Carters stammten aus derselben Gegend. Rosalynns beste Freundin als Teenagerin war Ruth Carter, Jimmys jüngere Schwester.
Das Paar traf sich erstmals 1945 in der örtlichen Plains United Methodist Church. Was folgte, ist eine klassische amerikanische Geschichte: Sie schauten zusammen einen Film im Kino an. Am nächsten Morgen hat Jimmy Carter, so erzählte er es später gern im Laufe der Jahrzehnte, seiner Mutter gesagt, dass er Rosalynn heiraten möchte. Das geschah ein Jahr später, sie war 18 Jahre alt, er 21.

Die politische Karriere von Jimmy Carter ist ohne Rosalynn Carter nicht denkbar. Als er sich 1962 um einen Sitz im Senat von Georgia bewarb, hat sie sämtliche Korrespondenz seiner Kampagne erledigt. Dass er 1970 zum Gouverneur des Bundesstaats wurde, verdankt sich auch der Tatsache, dass sie unermüdlich in zahllosen öffentlichen Auftritten für ihn warb. Als Jimmy Carter beschloss, als landesweit vergleichsweise unbekannter Politiker bei den Präsidentschaftswahlen von 1976 anzutreten, bereiste Rosalynn Carter im Verlauf von 18 Monaten 42 Bundesstaaten, es war ein unfassliches Pensum. Ergebnis: Jimmy Carter besiegte den Amtsinhaber Gerald Ford und wurde zum 39. Präsidenten der Vereinigten Staaten.
Als Carter nach einer Amtszeit von Ronald Reagan abgelöst wurde, hat ihn das weniger gestört als seine Frau. Ihr Ehemann scheine gar nicht verbittert zu sein, wurde sie damals gefragt. Ihre Antwort: «Ich bin verbittert genug für uns beide.» Rosalynn Carter war gern im Weissen Haus, weil sie dort zum einen auf die grossen politischen Fragen Einfluss nehmen konnte, und sich zum anderen um Themen kümmern konnte, die ihr persönlich wichtig waren. Zeit ihres Lebens hat sie sich für Menschen mit psychischen Problemen eingesetzt.

Der 99 Jahre alte Jimmy Carter hatte Anfang des Jahres durch die mit seiner Frau gemeinsam ins Leben gerufene Hilfsorganisation «Carter Center» verkünden lassen, dass er keine Medikamente mehr für seinen Hautkrebs nehmen werde.
Im Mai dieses Jahres hatte das Carter Center zudem mitgeteilt, dass Rosalynn Carter an Demenz leide. Am Sonntag, den 19. November, ist sie im Alter von 96 Jahren in Plains, Georgia, im Haus der Familie verstorben.
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