Nachruf auf Jean-Pierre ElkabbachEr war ein Meister der gnadenlosen Ouvertüre
Der französische Starjournalist und Senderchef war ein scharfer Interviewer, der den Mächtigen manchmal auch zu nahe kam. Nun ist er 86-jährig gestorben.
![Une Autre Idee Du Monde Documentary Film Premiere Of Bernard Henri Levy Jean-Pierre Elkabbach attends the Une Autre Idee Du Monde Documentary Film Premiere of Bernard Henri Levy at Cinema L Arlequin on June 10, 2021 in Paris, France. Photo by Nasser Berzane/ABACAPRESS.COM Paris France PUBLICATIONxNOTxINxFRAxSPAxUKxUSAxBELxPOL Copyright: xBerzanexNasser/ABACAx 768481_022 BerzanexNasser/ABACAx 768481_022](https://cdn.unitycms.io/images/AGkjj-x-4aj9MMGWtJznIa.jpg?op=ocroped&val=1200,800,1000,1000,0,0&sum=hk0_EUtNXqo)
Seine tiefe, polemische Stimme war immer da. Wie eine vertraute Tonspur lag sie auf Frankreich, 60 Jahre lang. Der berühmte politische Journalist, Interviewer und ehemalige Senderchef Jean-Pierre Elkabbach war eine so prägnante Persönlichkeit in der französischen Öffentlichkeit, dass nun, da er im Alter von 86 Jahren in Paris gestorben ist, in den Nachrufen auch noch mal alle politischen Figuren der Fünften Republik defilieren – gewissermassen als Statisten, als seine Gesprächspartner am Radio und im Fernsehen, oftmals gnadenlos traktiert vom Interviewer.
Alle hat er sie interviewt, auch alle Präsidenten, nur Charles de Gaulle nicht. Da war er wohl noch zu jung, zu unbekannt. An der Ambition aber fehlte es ihm schon damals nicht.
Zur Welt kam Jean-Pierre Elkabbach im algerischen Oran, als Sohn eines Stoffhändlers. Der Vater starb unvermittelt, während eines Gebets in der Grossen Synagoge von Oran, da war er erst zwölf. Nach der Matura zog Elkabbach nach Paris, studierte an der Eliteuniversität Sciences Po. Nebenbei nahm er Schauspielunterricht, weil er so gerne Comédien geworden wäre. Er entschied sich dann aber für den Journalismus. Die Dramaturgie aus dem Theater sollte ihm immer dienen.
Das Sprechen war ihm zu wenig, er wollte das Sagen haben
1970 wurde er schlagartig zu einem bekannten Gesicht der Nation, als Sprecher der Fernsehnachrichten. Doch das Sprechen war ihm immer zu wenig, er wollte auch das Sagen haben in den Sendern, für die er arbeitete, bei France Inter, Europe 1, bei France Télévision: Er war Direktor, Chefredaktor, Präsident, immer etwas mit Verantwortung.
Den politischen Mächtigen wollte er ganz nahekommen, manchmal war es zu nahe. Lange hing ihm der Ruf nach, dass er Valéry Giscard d’Estaing hofierte, den Präsidenten von 1974 bis 1981. Aus Ideologie? «Es geht mir auf die Nerven, dass mich alle für einen Rechten halten», sagte Elkabbach einmal. «Ich bin Mitte, linke Mitte, ein Reformer.»
![(FILES) French mayor of Paris Jacques Chirac (C) takes part in the radio show "Cartes sur table of Antenne 2, animated by journalists Jean-Pierre Elkabbach (L) and Alain Duhamel (R) at the Maison de la Radio in Paris on February 8, 1978. Elkabbach died on October 3, 2023, aged 86, announced the group Canal+. (Photo by AFP)](https://cdn.unitycms.io/images/6m0l4d_s4m68EXmh3CBae4.jpg?op=ocroped&val=1200,800,1000,1000,0,0&sum=BG6VHTrox2w)
Als François Mitterrand gewählt war, stürzte Elkabbach in ein Loch. An der Place de la Bastille, wo die Sozialisten Mitterrands Sieg feierten, klang der Chor an: «Elkabbach ins Wetterstudio!» Doch sein Interviewstil war so populär, dass er schon bald zurück war. Mit «Cartes sur table», Karten auf den Tisch, auf Antenne 2 hatte er den Infight zwischen Journalisten und Politikern in Frankreich revolutioniert: Man sass sich so nahe wie nie zuvor, «auf Ohrfeigendistanz», wie es hiess, dazu gab es Publikum im Studio.
«Bonjour Marine Le Pen, schämen Sie sich nicht?»
Elkabbach war ein Meister der Ouvertüre, mit seinen Einstiegsfragen brachte er die Politprofis aus dem Gleichgewicht, er entriss ihnen die Maske, wie er es nannte. «Bonjour Marine Le Pen, schämen Sie sich nicht?», so begann 2015 ein Interview mit der rechtsextremen Politikerin (Lesen Sie hier einen Text über Le Pens Präsidentschaftsambitionen), weil die sich entschieden hatte, nach dem Attentat auf die Redaktion von «Charlie Hebdo» nicht zu den Solidaritätskundgebungen zu gehen.
Zu einer neuen Kulturministerin, die er für unbedarft hielt für ihr Amt, sagte er zum Einstieg: «Man hört, Sie hätten jetzt mit dem Lesen begonnen.» Am liebsten mass er sich mit Georges Marchais, dem langjährigen Chef der französischen Kommunisten.
![Le président François Mitterrand (D) s'entretient avec le journaliste de la Cinq Jean-Pierre Elkabbach, avant de répondre à ses questions, le 10 novembre 1991 dans son appartement privé du Palais de l'Elysée. (Photo by AFP)](https://cdn.unitycms.io/images/3LVvVCIRaXVAKYVZ-YVYuu.jpg?op=ocroped&val=1200,800,1000,1000,0,0&sum=V0Am-DNe0IQ)
Mitterrand verhalf Elkabbach zu seinem grössten Scoop, völlig unverhofft. Schon dramatisch gezeichnet von der Krankheit, lud er den Journalisten zu sich mit dem Versprechen, er dürfe ihm alle Fragen stellen, auch zum Regime von Vichy und seiner späten Beteiligung am Widerstandskampf – unter einer Bedingung: «Nichts davon darf an die Öffentlichkeit, solange ich noch im Elysée bin», sagte Mitterrand. Er starb 1996.
Elkabbach machte aus den Gesprächen mit Mitterand eine Serie mit fünf Folgen. Sie wurde zum Zeitdokument, das ihn überlebt. Über seinen eigenen Ruhm sagte er: «Im besten Fall wird einmal ein Fernseh- oder Radiostudio nach mir benannt.»
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