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Klimajugend vor Gericht
Nach Schlappe fordert Staatsanwalt Härte gegen Klimaaktivisten

Sympathisanten unterstützen die Lausanner Klimaaktivisten und deren Anwälte auf dem Weg vor das Waadtländer Kantonsgericht. 
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Plötzlich waren die Kläger im Gerichtssaal, plötzlich forderten sie persönlich die Härte des Gesetzes. Am Dienstag übernahm der Waadtländer Generalstaatsanwalt Eric Cottier im Strafprozess gegen 12 Lausanner Klimaaktivisten das Zepter. Cottier forderte das Waadtländer Kantonsgericht wortreich dazu auf, die Aktivisten wegen Hausfriedensbruchs zu verurteilen, weil sie im November 2018 in einer Filiale der Bank Credit Suisse Tennis gespielt hatten, um gegen die klimaschädlichen Investitionen der Grossbank in die Gas-, Kohle- und Ölindustrie zu protestieren. Er reagierte damit auf eine schwere Niederlage Anfang Jahr.

Im Januar 2020 standen die Aktivisten bereits ein erstes Mal vor Gericht, doch weder Eric Cottier noch ein anderer Staatsanwalt liessen sich blicken. Prompt sprach der Einzelrichter des Lausanner Bezirksgerichts die Angeklagten frei. Der Richter anerkannte, dass es sich bei der Klimakrise um einen «rechtfertigenden Notstand» handelte. Das Urteil war schweizweit eine Sensation – und eine Demütigung für Cottier. Er war wohl davon ausgegangen, dass die Anklageschrift ein Selbstläufer und die Verurteilung damit so gut wie sicher sei.

«Manchmal vergessen Richter, dass das Strafrecht nicht dazu dient, Gefallen zu machen.»

Eric Cottier, Waadtländer Generalstaatsanwalt

Über den Freispruch noch immer wütend, griff Cottier am Dienstag den Bezirksrichter persönlich an. Vor dem Kantonsgericht bezeichnete er ihn als «eine Mumie in einem Sarkophag» und warnte die Richter vor einem weiteren Fehlurteil. Natürlich habe auch er «gewisse Sympathien» für die jungen Menschen, «aber manchmal vergessen Richter, dass das Strafrecht nicht dazu dient, Gefallen zu machen.» Die Aktivisten hätten den Bankbetrieb gestört, sich dem Räumungsbefehl der Polizei widersetzt und seien darum zu Geldstrafen zu verurteilen, so Cottier.

Provokante Bankenwerbung

Auch die Bank Credit Suisse blieb dem ersten Prozess im Januar fern, obwohl sie die Aktivisten verzeigt hatte. Am Dienstag erhöhte die CS nun ebenfalls den Druck. Die Bank schickte gleich zwei Anwälte ans Kantonsgericht. Sie habe gegen die Aktivisten Anzeige eingereicht, gegen den Freispruch des Bezirksrichters aber nicht rekurriert: «Ist die CS bereit, ihre Strafanzeige zurückzuziehen?», erkundigten sich die Kantonsrichter. «Keinesfalls», stellten die CS-Anwälte fest. Den Freispruch habe man nur deshalb nicht angefochten, weil die Staatsanwaltschaft gegen das Urteil bereits rekurriert hatte. Die Richter bohrten weiter. Warum die Bank denn mit dem Slogan «Du willst die Gegenwart verändern. Tu es.» für sich werbe, fragten sie. In einem Werbevideo zur Kampagne spielen Jugendliche in einem Museum Fussball. Das sei sicherlich nicht so gemeint, dass man zum Hausfriedensbruch aufrufe, so die CS-Anwälte. Den Klimaschutz halte die Bank im übrigen für «wichtig, ja essenziell», betonten die Bankenvertreter.

Auf seine Unterstützung können Waadtländer Umweltaktivisten immer zählen: Nobelpreisträger und Biophysiker Jacques Dubochet.

Die 12 Angeklagten und ihre 12 Anwälte verteidigten die Aktion bei der CS wie bereits im Januar damit, der Klimawandel bedrohe die gesamte Menschheit. Feuersbrünste, Überschwemmungen, Erdrutsche und das Verschwinden der Gletscher bedrohen und töten Menschen überall auf dem Globus. Angesichts dieser Realität sei der zivile Ungehorsam gerechtfertigt. Die Aktivisten hätten als Bürger gehandelt: friedlich, verhältnismässig und im kollektiven Interesse. Sie hätten der Bank lange vor der Tennisaktion Briefe geschrieben, aber nie eine Antwort erhalten. Einer der Anwälte der Angeklagten griff Generalstaatsanwalt Eric Cottier persönlich an. Er bezeichnete ihn als «unbeweglichen Anachronisten». Ein anderer Anwalt sagte, Cottier gehe es um «eine Abrechnung». Doch das Recht werde weitergeschrieben. Das Gericht ermutigte er: «Schreiben Sie das Urteil der ersten Instanz definitiv in die Geschichte ein.» Im Namen aller Angeklagten sagte eine Aktivistin in einem Schlusswort: «Die aussergewöhnliche Situation verlangt aussergewöhnliche Aktionen.»