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Chefankläger im Impeachment-Verfahren
Nach der Tragödie die schwierigste Mission

Der demokratische Abgeordnete Jamie Raskin (rechts) überbringt die Anklageschrift gegen Donald Trump dem Senat.
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Jamie Raskin ist zuletzt oft gefragt worden, warum er an jenem Tag überhaupt in Washington war. Warum er sich am 6. Januar im Saal des Repräsentantenhauses befand, als der Mob zum Capitol zog, um die Auszählung der Stimmen für den gewählten Präsidenten Joe Biden zu stoppen. In den vielen Interviews, die Raskin seither gegeben hat, gab er darauf immer wieder dieselbe Antwort: Er ging in den Kongress, weil es seine Pflicht als Abgeordneter sei, die Demokratie zu verteidigen. Und er ging hin, weil sein Sohn es so gewollt hätte.

Am letzten Tag des alten Jahres hatte Jamie Raskin erfahren, dass sich sein Sohn im Alter von 25 Jahren das Leben genommen hatte. Tommy Raskin war Student an der Harvard-Universität, wo schon sein Vater studiert hatte, und er war ein Tierrechtsaktivist, der seine Eltern überzeugt hatte, Vegetarier zu werden. Er litt an einer Depression. Am 5. Januar wurde er in einer kleinen jüdischen Zeremonie bestattet. Und wenige Stunden später war Jamie Raskin zurück im Repräsentantenhaus, wo er einen Wahlkreis in Maryland vertritt.

Von der Familie getrennt

Raskin sollte dort für die Demokraten die Einwände kritisieren, die Dutzende von Republikanern gegen die Wahl Bidens vorbringen wollten. Raskins jüngere Tochter und der Mann seiner älteren Tochter hatten ihn begleitet. Sie sassen auf der Zuschauertribüne, als klar wurde, dass der Mob das Capitol gestürmt hatte und vor dem Saal des Repräsentantenhauses stand.

Im Tumult wurde der Abgeordnete von seiner Familie getrennt. Polizisten brachten ihn gemeinsam mit seinen Kollegen in einen gesicherten Raum. Raskins Tochter, sein Schwiegersohn und seine engste Mitarbeiterin mussten dagegen in einem Büro unweit des Saals ausharren, während Donald Trumps Anhänger in den Gängen des Capitols wüteten. Erst nach einer Stunde wurden sie zu Raskin gebracht.

Als der Sturm auf das Capitol vorbei war, machte sich Raskin an die Arbeit. Er entwarf die Anklageschrift, die den Demokraten als Grundlage für das zweite Impeachment-Verfahren gegen Trump dient. Kurz darauf ernannte ihn Nancy Pelosi, die Sprecherin des Repräsentantenhauses, zum Leiter des Anklageteams. Es war Raskin, der am Montag im Senat die Anklage gegen Trump verlas: Anstiftung zum Aufstand. «Präsident Trump hat die Sicherheit der Vereinigten Staaten und ihrer Regierung in grosse Gefahr gebracht», sagte er.

Ein Impeachment gegen einen Privatmann?

Der Prozess gegen Trump beginnt am 8. Februar. Jamie Raskin muss dann gemeinsam mit den acht anderen Impeachment-Managern mindestens 17 republikanische Senatoren davon überzeugen, Trump für schuldig zu befinden. Das wird schwierig. Viele Republikaner sagen, für das Verfahren gegen Trump gebe es in der Verfassung gar keine Grundlage. Das Impeachment sei dazu gedacht, einen Präsidenten aus dem Amt zu entfernen – und nicht dazu, ihn als Privatmann nachträglich zu bestrafen.

Raskin ist da anderer Ansicht. Bevor er 2016 zum Abgeordneten gewählt wurde, war er lange Jahre Professor für Verfassungsrecht. Vor dem Senat wird er argumentieren, dass es auch für eine nachträgliche Amtsenthebung gute Gründe gebe. Und gemeinsam mit den anderen Anklägern will er die Zeit bis zum Auftakt des Verfahrens nutzen, um die vielen Videos vom 6. Januar zu einer Gesamtschau zusammenzufügen, die Trumps Rolle beim Angriff auf das Capitol in grellen Farben beleuchtet.

Und doch gibt es da noch eine andere Frage, die Jamie Raskin derzeit oft gestellt wird. Die Bereitschaft bei den Republikanern, Trump zur Verantwortung zu ziehen, schwinde doch erkennbar von Tag zu Tag: Wozu das alles also? Er hat auch darauf eine politische Antwort, bei der es um Rechenschaft und die Verteidigung der Demokratie geht – und eine sehr persönliche. Sein Sohn habe einen Abschiedsbrief hinterlassen, sagte Raskin in einem Interview. Darin sei nichts davon gestanden, dass er sich nun erst mal freinehmen solle.