Wendy Holdener holt BronzeNach der Schockstarre trägt sie das pure Glück im Gesicht
Die Schwyzerin wird im Olympia-Slalom Dritte, womit sie im Ziel nie gerechnet hätte. Die Medaille ist Gold wert für die Frau, die immer auch Selbstzweifel begleiteten.
Er ist abgedroschen, ein Allerweltssatz. Und doch passt er an diesem Mittwoch so gut wie kaum je – zu dem, was sich abgespielt hat an diesem Hang in Yanqing. Freud und Leid können so nahe beieinanderliegen, so geht der Satz, und wer schon nur in die Gesichter der Schweizerinnen blickt nach diesem Slalom, muss an ihn denken.
Tränen fliessen bei einigen an diesem Tag, bei Mikaela Shiffrin, die schon im ersten Lauf nach wenigen Toren scheitert, besonders intensiv aber bei Wendy Holdener und Michelle Gisin. Die eine, Holdener, verharrte noch wie in Schockstarre im Ziel, nach vorne gebeugt, tief enttäuscht – da kamen die Tränen ein erstes Mal. Dritte nur, läppische 12 Hundertstel hinter Petra Vlhova, der Führenden, 4 Hundertstel hinter Katharina Liensberger, der Zweiten. Vier Athletinnen standen noch oben. Die Medaille? Weit, weit weg. Obwohl sie doch das Gefühl hatte, so vieles richtig gemacht und angegriffen zu haben. Als später die Augen noch einmal feucht werden, tun sie das aus purer Freude. Zu Bronze hat es doch gereicht, weil Fahrerin um Fahrerin scheiterte an den Zeiten dieser drei.
Tief enttäuschte Michelle Gisin
Unter ihnen: Michelle Gisin. 69 Hundertstel Vorsprung auf Vlhova reichten ihr nicht, es wurde Rang 6, Frust pur, die Tränen kommen. «Ich wollte es zu gut machen», resümiert die Engelbergerin beim Fernsehinterview, «anstatt dass ich mich getraut hätte, es laufen zu lassen, wollte ich zu sauber fahren, das bremste mich. Es tut weh, weil ich die ersten sieben Jahre immer so unterwegs war, ehe ich es im Slalom endlich hinkriegte. Dass ich es so weggebe, ist schon sehr bitter.» Sie gratuliere aber Holdener, sagt Gisin noch, «genial, wie sie es wieder geschafft hat, auf den Punkt bereit zu sein».
Olympia-Medaille Nummer 4 ist es für die Schwyzerin, das dritte Einzel-Edelmetall nach Silber im Slalom und Bronze in der Kombination von Pyeongchang 2018. Zwar hat es wieder nicht gereicht zu ihrem allerersten Sieg in ihrer liebsten Disziplin, sie hat es nun im Weltcup schon sagenhafte 29-mal und an Grossanlässen dreimal auf das Slalompodest geschafft, ohne gewonnen zu haben. Eine besonders schöne Geschichte schreibt die 28-Jährige aber dennoch an diesem Mittwoch, der emotional ist, weil die Medaille letztlich überraschend kommt – und nicht unbedeutend ist für ihren weiteren Weg. «Als ich die Drei aufleuchten sah, wusste ich, dass es zu wenig ist. Dabei hatte ich doch das Gefühl, dass alles passte, ich wüsste nicht, was ich noch anders machen könnte – und dann ist das doch nicht genug», sagt Holdener. «Uhuere» Mut mache ihr nun, dass es doch gereicht habe zur Medaille.
Wichtig für das Palmarès mag sie sein, diese Auszeichnung. Noch viel wichtiger aber ist sie für den Kopf. Holdener ist eine, die viel nachdenkt, vielleicht manchmal zu viel, die sich «verkopft», so nennt sie das. Selbstzweifel begleiteten sie immer auf ihrem Weg, oft war sie zu ehrgeizig, zu ungeduldig, kreisten die Gedanken in den Nächten vor den Rennen. Musste sie niederschreiben, auf was sie achten muss, wenn sie sich zwischen den Stangen von links nach rechts schwingt, damit sie doch noch einschlafen konnte.
Nun ist Holdener gereift, sicher, doch einfach abzuhaken fällt ihr noch immer schwer. Dass es nun Olympia-Bronze gab statt einer Enttäuschung, ist für sie Gold wert – auch mit Blick auf das weitere Programm in China. Kommende Woche will sie in der Kombination und im Team-Bewerb glänzen, den sie als eine von wenigen Spitzenathletinnen richtig ernst nimmt und geniesst. Das kann sie nun tun. Gänzlich befreit.
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