Folgen der Corona-Krise Schwächt die Krise unsere Kaufkraft?
Die Inflation ist das Schreckgespenst dieser Tage. Wie sich die Corona-Krise auf unsere Kaufkraft auswirken könnte: Antworten auf die vier drängendsten Fragen.
Warum kommen erneut Inflationsängste auf?
Aus dem gleichen Grund wie schon nach der Finanzkrise: Die Notenbanken schaffen in einem gigantischen Ausmass Liquidität, und Staaten geben sehr viel Geld aus. Allein die Bilanzsumme der Schweizerischen Nationalbank (SNB) ist seit der Zeit vor der Finanzkrise um mehr als das Achtfache gewachsen. Doch im Zuge der Finanzkrise hatte eine geringere Gesamtnachfrage damals zur Folge, dass Unternehmen auf ihren Gütern sitzen blieben, was den Preisdruck gebremst und sogar zu negativen Inflationsraten geführt hat. Das ist diesmal anders. Wenn, wie im Lockdown, Unternehmen weniger anbieten dürfen, kann es zu Knappheit kommen, und das führt für sich gesehen zu höheren Preisen. Auch dieses Argument hat die Frage nach einer steigenden Inflation erneut befeuert.
Weshalb prognostizieren die meisten Ökonomen für die nächste Zeit dennoch keine höhere Teuerung?
Bisher geht die Nachfrage nach Gütern deutlich stärker zurück als das Angebot der Unternehmen. Die Sorge vor Konkursen, Arbeitslosigkeit und Einkommenseinbussen hat zur Folge, dass die Leute häufig nur noch das Nötigste kaufen und auf alles andere verzichten. Deshalb ist auch der Absatz von Uhren und Autos besonders eingebrochen. Zu einer höheren Teuerung ist es angesichts der Zurückhaltung beim Konsum bisher nicht gekommen. Sie ist sogar zurückgegangen. Gemäss den Messungen zum Konsumentenpreisindex fallen die Preise in der Schweiz seit dem Februar; im April gingen sie sogar um 1,3 Prozent zurück. Gemäss der letzten Prognose der Schweizerischen Nationalbank werden sie selbst im Jahr 2022 noch um bloss 0,7 Prozent ansteigen.
Wieso befeuern die Geldspritzen der Notenbanken die Teuerung nicht?
Eine Lehrbuchweisheit besagt, dass eine Aufblähung der Geldmenge früher oder später zu Inflation führt. Denn mit mehr Geld werden keine realen Werte geschaffen. Entscheidend in der Analyse sind die Worte «Geldmenge» und «früher oder später». Die Notenbanken schaffen zwar viel neues Geld, doch dieses kommt bisher kaum in der Wirtschaft an. Während die Bilanzsumme der SNB sich seit 2007 mehr als verachtfacht hat, gilt das nicht für die tatsächlich in der Wirtschaft vorhandene Geldmenge.
Die sogenannte Geldmenge M3 – sie umfasst das Bargeld, die Einlagen auf Banken, die Spareinlagen und Termineinlagen – hat sich im gleichen Zeitraum noch nicht einmal verdoppelt und ist um bloss 75 Prozent angewachsen. Bei der SNB haben die Devisenkäufe zur Schwächung des Frankens – sie sind vor allem für das Anwachsen der Bilanz verantwortlich – zu einer entsprechenden Aufblähung der Einlagen der Banken bei ihr geführt. Doch statt dass das neu geschaffene Geld über tiefe Zinsen zu mehr produktiven Investitionen oder einer Zunahme des Konsums geführt hätte, hat es die Kapitalmärkte befeuert und dort seit der Finanzkrise zu fast ununterbrochen steigenden Kursen geführt. Das alles garantiert aber nicht, dass die Inflation auch nach der Krise tief bleiben wird
Was ist zu erwarten, wenn die schlimmste Krisenphase vorbei ist?
Wenn die Gesamtnachfrage sich nach der Krise normalisiert, ist ein deutlicher Anstieg der Inflation nicht ausgeschlossen. In Foren von Ökonominnen und Ökonomen wird dafür eine Reihe von Gründen angeführt. Dabei sticht die hohe Verschuldung der Staaten als Folge der Corona-Krise hervor. Nach früheren Phasen sehr hoher Verschuldung haben sich Länder oft mit einer höheren Inflation ihrer Verpflichtungen entledigt. Denn wenn der Wert des Geldes sinkt, sinkt auch jener der Schulden. Doch gleichzeitig sinkt dann auch die Kaufkraft der Bevölkerung.
Damit nicht höhere Zinsen als Folge der Inflation den Regierungen die Rechnung versalzen, haben sie einen Zinsanstieg durch Markteingriffe verhindert. Theoretisch möglich ist auch, dass Notenbanken später den Staaten mit neu geschaffenem Geld aushelfen. Auch das führt zu Inflation. Doch damit es zu einer Reduktion der Schulden per Inflation oder zu einer direkten Finanzierung der Staaten durch Notenbanken kommt, müssten jene ihr Ziel aufgeben, die Preise stabil zu halten, und auch ihre Unabhängigkeit wäre nicht mehr gegeben.
Schon jetzt setzen sich die Notenbanker heftig gegen alle Bestrebung in diese Richtung zur Wehr. Das ist aber teilweise auch die Folge von Forderungen und Bewegungen, die in dieser Unabhängigkeit ohnehin keinen Sinn mehr sehen und auch kein Problem damit haben, wenn die Notenbanken direkt Ausgaben der Staaten finanzieren.
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