Credit Suisse gegen UmweltschützerNach CS-Klage markiert das Bundesgericht Härte gegen Klimaaktivisten
Ein Mann hinterliess an einer Genfer Bankfiliale seinen roten Handabdruck. Er habe aus «achtenswerten Beweggründen» gehandelt, befand die lokale Justiz. Das Bundesgericht sieht das anders.
Rote Handabdrücke als Symbole für die Opfer des Klimawandels. Solche hinterliessen mehrere Klimaaktivisten im Oktober 2018 bei einer Aktion an einer Fassade der Bank Credit Suisse in der Genfer Innenstadt. Die Aktivisten wollten damit für die Opfer von CS-Investitionen in fossile Energieträger demonstrieren. Die rote Farbe war als Blutspur gedacht.
Die Bank verklagte die Aktivisten. Sachbeschädigung, lautete ihr Vorwurf. Der Polizei gelang es, einen der Handabdrücke einem Aktivisten zuzuordnen. Also erhob die Staatsanwaltschaft Anklage. Wegen des roten Handabdrucks an der Bankfassade kam der Mann in Genf vor Gericht. Zuletzt zirkulierte der Fall zwischen dem Kantons- und dem Bundesgericht. Das Kantonsgericht wollte Milde walten lassen, das Bundesgericht Härte markieren.
Urteil sei zu milde
Das Kantonsgericht entschied zunächst auf Freispruch und forderte die Credit Suisse auf, die Entschädigung für die Sachbeschädigung vor einem Zivilgericht einzufordern. Ein solches Vorgehen sei nicht rechtens, befand das Bundesgericht. Also verhängte das Kantonsgericht gegen den Aktivisten eine Busse von 100 Franken und sprach der Credit Suisse 409 Franken und 28 Rappen für die Schadensbehebung zu.
Die Genfer Staatsanwaltschaft hatte für die Bank aber 2252 Franken Entschädigung verlangt, weil die Bank die Fassade reinigen und zwei Plaketten aus rostfreiem Material auswechseln musste. Sie gelangte darum abermals ans Bundesgericht. Dieses hat nun nochmals Stellung genommen – und ist noch immer unzufrieden mit der Genfer Rechtsprechung.
Ein Richter habe durchaus weitreichende Freiheiten bei der Strafzumessung, anerkennt das Bundesgericht. Den Klimaaktivisten behandle das Genfer Kantonsgericht aber zu milde und generös, befanden die Lausanner Richter. Ihnen missfiel, dass das Kantonsgericht dem Mann zugestanden hatte, aus «altruistischen Motiven» und «achtenswerten Beweggründen» gehandelt zu haben. Die Genfer Richter befanden, er sei in «schwerer Bedrängnis» gewesen, habe «unter grosser seelischer Belastung» gestanden und das Strafverfahren habe erst noch überaus lange gedauert.
Das Bundesgericht sieht die Sache ganz anders. Das Kantonsgericht verletze mit seiner rechtlichen Begründung Bundesrecht, rügt es. Zwar stelle «die Sorge um die Auswirkungen des Klimawandels und um die Notwendigkeit, rasch Massnahmen zur Reduktion der Treibhausgase zu ergreifen, in unserer Gesellschaft heutzutage unbestreitbar ein ehrbares Anliegen dar», hält das Gericht fest.
Und weiter: «Politischen Aktionen von Klimaaktivistinnen und -aktivisten ist insofern idealistischer und selbstloser Charakter zuzubilligen, soweit sie darauf abzielen, die Bevölkerung zu sensibilisieren.» Aber der ehrbare Charakter sei dann nicht mehr gegeben, «wenn gewalttätige Aktionen zu Sachbeschädigungen oder zu einer Gefahr für die körperliche Unversehrtheit Dritter führen».
Härte statt Gnade
Die Bundesrichter ziehen die Härte des Gesetzes der Gnade vor. Sie schreiben: «In einem Rechtsstaat wie der Schweiz, der im Bereich der politischen Rechte und der Meinungsäusserungsfreiheit weitgehende Garantien vorsieht, können solche Aktionen nicht mit politischen Idealen gerechtfertigt werden, so ehrbar sie auch sein mögen.» Zu beachten sei, «dass die gelegentlich bei Klimaaktionen geäusserten Aufforderungen zum zivilen Widerstand darauf abzielen können, die demokratische Legitimierung des Rechts infrage zu stellen, insbesondere des Strafrechts. Aktionen von Klimaaktivistinnen und Klimaaktivisten können daher nicht von vornherein als Ausdruck ethischer Werte angesehen werden, die von der gesamten Bevölkerung oder zumindest von einer Mehrheit mitgetragen werden.»
«Wir alle sind über die Ursachen der Klimakrise informiert, aber nichts ändert sich.»
Das Urteil des Bundesgerichts komme nicht unerwartet, sagt Laila Batou, Rechtsanwältin in Genf und Strafverteidigerin des beschuldigten Klimaaktivisten. Das Bundesgericht lege das Recht «sehr individualistisch» aus, obschon eine Generation junger Menschen alles dafür tue, auf jene irreversiblen Umweltschäden hinzuweisen, die alle betreffen.
Batou sagt, das Gericht lege in seinem Urteil das Grundproblem selbst offen. «Wir alle sind über die Ursachen der Klimakrise informiert, aber nichts ändert sich», sagt Batou. Das Urteil bestätige die Politik der Schweiz, jene Akteure zu schützen, die den Klimawandel verursachten und den Klimanotstand verharmlosten oder ignorierten. Die Credit Suisse investiere jedenfalls immer noch in fossile Energieträger.
Das Genfer Kantonsgericht kommt nun wohl kaum darum herum, die Geldstrafe gegen den Klimaaktivisten zu erhöhen. Das Bundesgericht hat auch sonst ein monetäres Zeichen gesetzt und dem Mann für das relativ kurze Urteil happige 3000 Franken Verfahrenskosten auferlegt. Generelle Auswirkungen auf Strafverfahren oder Gerichtsprozesse gegen andere Klimaaktivisten sieht Anwältin Batou im nun ergangenen Urteil aber nicht.
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