Totes Mädchen in NiederwangenAnklage fordert lebenslängliche Freiheitsstrafe für Mutter
Seit heute Morgen steht in Bern eine 32-Jährige vor Gericht. Der Frau wird vorgeworfen, ihre Tochter erschlagen zu haben. Sie bestreitet dies vehement.
«Erschlagen habe ich sie sicher nicht – ich hätte ihr nie etwas antun können», sagt die Frau, um die sich diese ganze Verfahren dreht. Am Mittwochmorgen sagte erstmals die beschuldigte Mutter im Rahmen des Strafprozesses zu einer mutmasslichen Kindstötung im Könizbergwald aus. Rund anderthalb Stunden lang beantwortete die Frau die Fragen des Gerichts. Dabei sprach sie über ihre eigene Kindheit, das Verhältnis zu ihrer achtjährigen Tochter. Und sie legte ihre Sicht auf die Ereignisse des 1. Februar 2022 dar.
Nach diesen ersten Prozesstunden am Regionalgericht Bern Mittelland lässt sich festhalten, dass die Frau die Vorwürfe der Staatsanwaltschaft restlos bestreitet. Auf die Frage, wer ihre Tochter getötet haben könnte, antwortete sie: «In einen solchen Täter kann ich mich gar nicht hineinversetzen. Für mich ist ein solcher Mensch krank.»
Die Anklage versucht, im Strafverfahren zu beweisen, dass die Frau ihre Tochter erschlagen haben soll. Als Motiv werden in der Anklageschrift eine angebliche Überforderung mit der Erziehung angeführt sowie der Wunsch, die gescheiterte Beziehung zu einem Ex-Partner – der nicht der Kindsvater ist – zu retten.
Auch dieser Lesart widerspricht die Beschuldigte: «Uns gab es im Doppelpack oder gar nicht.» Wobei sie mit «uns» die Tochter und sich selbst meint.
Insgesamt tritt die Frau zwar emotional, aber gefasst auf. Den Grossteil der Fragen des Gerichts beantwortet sie klar. Sie hört sich stringent an. Ausweichend wird sie nur, sobald sich forensische Auswertungen – etwa ihrer Handydaten – nicht mit ihrer Version der Ereignisse decken. Weiter kann sie sich nicht erklären, weshalb ein damals zwölfjähriger Belastungszeuge aussagte, Mutter und Tochter seien um zirka 16.43 Uhr gemeinsam in den Wald gegangen.
Die Beschuldigte sagt, sie habe ihr Kind am 1. Februar um 16.30 Uhr zum letzten Mal lebend gesehen, als sich die Tochter zu einer Kollegin aufgemacht haben soll. Sie habe ihr noch vom Balkon aus zugeschaut, so die 32-Jährige, und danach Musik gehört und «einfach ein wenig gechillt». Mutter und Tochter wohnten im Papillon-Quartier im Könizer Ortsteil Niederwangen, unweit des späteren Fundorts der Kindsleiche.
Die Verteidigung der Frau wollte den Belastungszeugen nochmals vor Gericht befragen lassen, das Gericht lehnte einen entsprechenden Antrag indes ab. Bislang wurde er einzig von der Staatsanwaltschaft einvernommen. Der Zeuge war dem Vernehmen nach am Abend der Tat mit seinem Hund unterwegs.
Keine schwere Persönlichkeitsstörung
Im Anschluss befragte das Gericht den begutachtenden Gerichtspsychiater. Dieser gab zu Protokoll, er könne mit hoher Gewissheit sagen, dass bei der Beschuldigten keine schwere Persönlichkeitsstörung vorhanden sei, sondern nur «eine Akzentuierung». «Diese reicht aber nicht aus, um die Steuerungsfähigkeit oder die Einsicht zu reduzieren.» Der Gutachter schliesst damit so gut wie aus, dass die Frau – sofern sie die Tat denn tatsächlich beging – im Tatzeitpunkt schuldunfähig gewesen wäre.
Der Prozess begann um kurz nach 8.30 Uhr. Die Beschuldigte trat in den grössten Gerichtssaal im Berner Amthaus – und vor volle Zuschauerreihen. Hier wird sich die 32-Jährige aus der Region in den nächsten Tagen wegen des mutmasslichen Mordes an ihrer Tochter verantworten.
Die Staatsanwaltschaft wirft ihr vor, das Kind mit einem acht Kilogramm schweren Stein und womöglich auch anderen Gegenständen schwerste Kopfverletzungen zugefügt zu haben. Ermittler fanden am besagten Stein nahe dem Tatort Blutspuren und Haare des Opfers sowie eine DNA-Kontaktspur zur Mutter.
Die Anklage forderte am Nachmittag im Rahmen ihres Parteienvortrags eine lebenslängliche Freiheitsstrafe für die Frau. Die Verteidigung wird morgen Vormittag plädieren.
Das Regionalgericht hat drei Verhandlungstage anberaumt. Es zeichnet sich allerdings ab, dass es diese nicht vollends für den öffentlichen Teil dieser Verhandlungen aufwenden wird, sondern teilweise auch zur Urteilsberatung. Das erstinstanzliche Urteil wird voraussichtlich am 13. Juni verkündet.
Korrekturhinweis: In einer älteren Version dieses Artikel stand, der Zeuge habe ausgesagt, er habe die Beschuldigte und das Opfer am 1. Februar 2022 um 16.41 Uhr in den Wald gehen sehen. Richtig ist: Er hat ausgesagt, um 16.41 Uhr letztmals auf sein Handy geschaut zu haben. Mutter und Tochter habe er kurz darauf, um zirka 16.43 Uhr, angetroffen.
Der Fall ist Gegenstand eines laufenden Verfahrens. Um Vorverurteilungen jeglicher Art zu verhindern, wurde die Kommentarfunktion bei diesem Artikel deaktiviert.
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