Neuer Song «Sibo»«Es passierte etwas Spannendes» – Müslüm singt jetzt arabisch
Die Abkehr von der Mundart mag der Sänger und Comedian nicht erklären. Lieber spricht er von einer «unheimlichen Resonanz». Über die Entstehung eines besonderen Liedes.
Warum jetzt arabisch?
Müslüm ist ein Künstler, der seine Kunst nicht erklären mag, aus nachvollziehbaren Gründen. Sie soll sein und wirken. Woher sie kommt, wohin sie geht, nicht entscheidend. Hauptsache: Sie geht, und er geht mit.
Und so erscheint jetzt das erste Lied, das Müslüm nicht auf Müslümisch singt, seinem türkisch gefärbten Schweizerdeutsch mit den zu vielen Umlauten und Chs. Es ist zugleich das erste Lied, das der Berner nicht allein performt, sondern mit zwei Freunden.
«Sibo» heisst es, was «loslassen» bedeutet. Der Titel ist zum einen Lebensbejahung – aber auch ein gutes Bild für den Prozess, wie das Lied entstanden ist.
Wer kreativ arbeitet, muss für Signale empfänglich sein, so erklärt es der US-Hitproduzent Rick Rubin in seinem Bestseller «Kreativ». Und so muss es gewesen sein, als Müslüm 2022 den musikalischen Boden für «Sibo» legte. «Ich habe auf meiner Ukulele gespielt und Kauderwelsch dazu gesungen», erzählt er. Das Lied-Fragment lässt ihn nicht mehr los. «Ich wusste, hier passiert etwas Spannendes» – also schickt er eine Aufnahme an Wael Sami Elkholy, geboren in Dubai, aufgewachsen in Ägypten, der seit Jahren in Bern lebt und Musik macht. Die beiden kennen einander von einer Theaterproduktion. «Mich hat es an Arabisch erinnert.»
Elkholy meldet sich sofort bei Müslüm: wie er denn auf diesen Satz gekommen sei? «Er sagte mir, du singst: ‹Jeder Mensch hat seine Perlen, und sie sind in dir.›» Zur Klärung: Müslüm spricht kein Arabisch, aber sein Kauderwelsch soll also wie Arabisch geklungen haben. «Magie», sagt Müslüm dazu. Nach dem Telefonat geht Elkholy duschen, und als er aus der Dusche kommt, steht bereits der gesamte Text zu «Sibo», so zumindest erzählt es Müslüm. Die Geschichte ist gut – und im Kern vielleicht auch wahr.
Noch mehr Magie hat es gebraucht, damit auch der Berner Rapper Nativ mit auf dem Song gelandet ist. Oder wie Nativ es ausdrückt: Das Universum habe mitgeholfen. 2021 steckte der Rapper in einer Schaffenskrise. «Irgendwas hat mir gesagt, ich solle mit Müslüm Kontakt aufnehmen. Ich habe seine Nummer ausfindig gemacht und ihn angerufen.» Die Musiker reden über eine Stunde lang, philosophieren über das Leben und machen für den nächsten Tag direkt ein Treffen ab. Und Müslüm hilft damit dem Rapper zurück in die musikalische Spur. «Dieser Austausch hat mir sehr gutgetan, er hat Blockaden gelöst», sagt Nativ.
Seither sind sie Freunde und jetzt zum ersten Mal auch musikalische Partner. Während Wael Sami Elkholy auf Arabisch die Strophen und Müslüm die Refrains singt, trägt Nativ noch einen Mundartteil zum Stück bei.
«Die Resonanz war unheimlich»
Müslüm sinniert oft über die Werte der Aufmerksamkeitsökonomie – und reibt sich an ihnen. In Interviews, aber auch in Liedern wie «Gugele» oder «Follower». Was erhält Publikum und Applaus, wer algorithmischen Auftrieb? Die Antworten können frustrierend sein für einen, der Zehntausende Franken in eine Albumproduktion und aufwendige Videos steckt. Insbesondere, wenn ein Instagram-Clip aus dem Fitnessstudio mehr Reaktionen auslöst als die neuste Single.
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Doch Müslüm setzt mit dem arabischen Lied «noch einmal alles auf eine Karte», wie er sagt. Er hat wieder ein reichhaltiges Video produzieren lassen und für die Aufnahme das renommierte Orchester Istanbul Strings angeheuert. «Ich will alles versucht haben», sagt Müslüm. Gerade von den Orchestermusikern in Istanbul erhält Müslüm die Bestätigung, dass sein Lied etwas Besonderes ist. «Die Resonanz war unheimlich», sagt Müslüm.
Weitere arabische Lieder sind nicht geplant
Mit der arabischen Sprache vergrössert der Mundartmusiker sein potenzielles Publikum natürlich deutlich. Es sind auch Promo-Aktivitäten im arabischen Raum geplant. Trotzdem sagt Müslüm: «Ich habe keine Strategie.»
Das Lied bleibt vorerst ein Einzelstück. Weitere arabische Songs sind nicht in der Mache. Müslüm wird einfach weitergehen, wohin, weiss er noch nicht. «Aus der Bewegung heraus offenbart sich die Kunst. Wie sie sich offenbart, ist nicht relevant. Die Form spielt keine Rolle.»
Jetzt ist er kurz davor, «Sibo» in die Welt zu entlassen und wirken zu lassen. Die Hoffnungen sind hoch, das hört man Müslüm an. Nativ sagt dazu: «Es ist ein endloser Kampf, wenn man Musik macht: Das Schönste ist eh schon passiert, wenn man ein neues Stück schafft, wenn man es mit anderen zusammen umsetzt. Man sollte sich das nicht kaputtmachen lassen von Zahlen und Erwartungen.» Er wünsche dem Lied, dass es die Leute erreicht, die es brauchen können. «Im besten Fall gibt es ihnen ein gutes Gefühl.»
Auf Instagram setzt Müslüm zu einem ersten Teaser den Hashtag #hit. Und man wünscht dem Lied, das vor positiver Energie strotzt: Inshallah.
«Sibo» erscheint am 17. Mai. Aktuell tourt Müslüm mit seinem Comedy-Programm «Helfetisch».
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