Starthilfe für AnfängerUnterwegs auf dem Mountainbike – welcher Weg soll es denn sein?
Heute haben Bikerinnen eine grosse Auswahl an Streckentypen. Warum sich der Einstieg auf dem Flowtrail lohnt und was der Reiz an herkömmlichen Wegen ist.
Mountainbiken ist ein feiner Sport. Rauf aufs Velo, den Berg hochtreten, wieder runterdüsen. So einfach war es einmal. Heute ist die Sache komplex. Es gibt Bikeparks wie jenen in Schladming (Steiermark) mit Flowtrails, Murmelbahnen und Jumptrails, um ins Tal zu sausen oder gar zu hüpfen.
Zur Wahl stehen Velos, die sich auf den ersten Blick nicht grossartig unterscheiden, für Experten dies aber sehr wohl tun: Im Bikeshop empfiehlt man ein Enduro-Bike, weil ein «Freerider» für Anfänger weniger geeignet sei. Aber auch ein sogenanntes Trail-Fully, Marathon-Fully oder Downhill-Bike kommen nicht infrage für das, was wir vorhaben.
Ja, was eigentlich? Wir wollen ein paar Tage Spass mit dem Velo, die neue Bikewelt mit ihren rasanten Trails auskosten. Aber auch ganz oldschool und mit eigener Muskelkraft die Hänge hinauf pedalieren, in einer Alm einen satten Käseteller essen und über einsame Routen wieder zurück ins Tal rollen.
Ein Ort erwacht dank eines Bikeparks
Schladming, eingekesselt von grünen Bergen und dem mächtigen Dachstein-Massiv im Norden, ist der perfekte Ort dafür. Die Region ist 2020 aus dem Dornröschenschlaf erwacht und seither touristisch auf der Überholspur. Das Erweckungsmoment war der Ausbau des Bikeparks auf der Planai, den es schon seit 20 Jahren gibt. Zuvor war er nur für Downhill-Spezialisten interessant. Heute ist er mit 14 Routen und gesamt knapp 40 Kilometern eine Art Familienpark, in der jeder seine passende Fahrtart findet.
Hinzu kommt die Reiteralm, die mit dem Slogan «Ohne Ende durchs Gelände» wirbt. Hüben wie drüben pendeln Gondeln auf den Berg, in denen Bikes bequem Platz finden. Es gibt einfache und leicht zu erreichende Trails in Talnähe, Technikkurse, Übungsgelände für Kinder und Anfänger, Einsteiger-Trails, Velo-Shuttlebusse, Bikehotels, Ladestationen für Elektrofahrer und natürlich Shops, um das nötige Equipment auszuleihen.
Wir kommen also mit einem Enduro aus dem Geschäft. «Du bringst ja ein Bio-Bike», stellt Guide Christoph fest, mit dem wir verabredet sind. Seines sei gerade in der Werkstatt, deswegen habe er einen Motor unter dem Hintern. Fortan sind wir ein ungleiches Duo. Andere Biker halten Christoph für den lernenden Gast. Natürlich nicht wegen seiner Technik, sondern wegen seines E-Bikes.
Hoch geht es auch ohne Liftticket
Am heutigen Tag im Bikepark spielt es keine grosse Rolle, ob ich einen Akku habe, der zusätzliche Watt bringt. Schliesslich gelangen wir immer wieder mit der Gondel rauf auf den Berg.
Nur auf dem Uphill-Trail ist Christoph im Vorteil. Der schmale Weg schlängelt sich durch den Wald. Rauf, runter, grosse Kuppen, kleine Kurven. Er ist ein Angebot für alle jene, die kein Liftticket lösen und nicht auf dem breiten Forstweg auf die Planai pedalieren wollen.
Für uns ist dieser Trail eine willkommene Abwechslung zum ständigen Runterrasen in Gorilla-Haltung mit nach vorne gebeugtem Oberkörper über dem Lenker und breit angewinkelten Armen. So hat man das Bike besser unter Kontrolle, wenn Wellen und Wurzeln warten.
Anfangs sind wir nur auf blauen, familientauglichen Trails unterwegs, die teils wie grosse Murmelbahnen aussehen. Glatt poliert und mit sauberem Rand als Abschluss. Diese Flowtrails sind ideal, um zu erfahren, was das Velo – oder eben der Fahrer – kann. Sie eignen sich für alle, die sich ans Trailfahren herantasten und mal engere Kurven ausprobieren wollen.
Dann wagen wir uns an die roten Strecken, auf denen es schon deutlich ruppiger zugeht. Es warten steile Absätze und kleine Sprünge, man muss dicke Steine umkurven, jede Sekunde eine neue – hoffentlich die richtige – Entscheidung treffen. Noch heftiger zur Sache geht es auf den schwarzen Routen, die wir bis auf eine Ausnahme meiden. Trotzdem sind diese verschiedenen Niveaustufen genau das Richtige, um technisch vorwärtszukommen.
Denn wer diese meist künstlich angelegten Trails mag, hat die Möglichkeit, sich Schwierigkeitsstufe um Schwierigkeitsstufe hochzuarbeiten. Aber beispielsweise auch nach einem Sturz wieder einen Schritt – oder eben eine Trailfarbe – zurückzumachen, um wieder Vertrauen zu gewinnen.
Zurück zur schwarzen Ausnahme: Die Jumpline muss man auch als Anfänger gesehen haben. Sie bietet 99 Sprünge und ist einer der Gründe, warum der Bikepark Schladming in der Szene gefeiert wird. Wir fahren einen Abschnitt ganz langsam, sodass keine Gefahr besteht, abzuheben. Die Sprungtürme, die zwei, drei Meter hoch sind, können wir glücklicherweise links und rechts umfahren. Als von hinten eine Gruppe Biker heranrauscht, machen wir Platz. Wir fühlen uns ein wenig wie im Winter im Snowpark, wo man neben den schwierigen Hindernissen wartet, um zu sehen, wie die Cracks sie meistern.
Die moderne Bikewelt erinnert an die Skiwelt
Apropos Skifahren: Die moderne Bikewelt erinnert frappierend an das Szenario im Winter. Man leiht sich ein Sportgerät, kauft ein Ticket, um mit der Bahn nach oben zu gelangen. Von dort fährt man auf blauen, roten und schwarzen Routen bergab.
Wer die Technik noch nicht draufhat, schnappt sich einen Lehrer oder eine Lehrerin. Eltern schicken ihre Kinder ins Kidscamp. Für Tourismusdestinationen und Bergbahngesellschaften ist die neue Bikewelt ein Segen, denn sie gefällt mehr und mehr Menschen – nicht zuletzt dank der E-Bikes. Mit der Eröffnung des neuen Bikeparks 2020 hat sich in Schladming die Zahl der verkauften Liftkarten mehr als vervierfacht.
Uns genügen die ersten Stunden im Bikepark, wo die Trails und Kurven und Schwierigkeiten mit Schaufel und Bagger modelliert werden. Die Szene spricht deshalb auch von «geshapten Trails» (geformte Trails). Wir wollen bei Touren auf die benachbarten Berge wie die Reiteralm auch die natürlichen Trails erkunden, die ohne grössere Eingriffe durch Mensch und Maschine entstanden sind.
Und so stossen wir auf alte Fusspfade, die umfunktioniert wurden. Manchmal treffen wir auch auf Wanderinnen und Wanderer, mit denen wir uns den Weg teilen. Kurz, es ist die alte, herkömmliche Bikewelt, so wie man sie kennt: Touren mit vielen Kilometern, mal bergauf, mal bergab. Schotterwege, Asphalt, Forstrassen und schmale Pfade wechseln sich ab. Glücklich werden hier Bikerinnen, die es natürlich mögen und schon ein bisschen wissen, was ihre Waden draufhaben und wie es um ihr technisches Geschick steht.
Abschleppdienst inklusive
Zum Finale geht es steil den Berg hoch. Gipfelglück, dann Abfahrtsspass auf blauen und roten Trails. Auf der Alm entscheiden wir uns dann doch gegen den Käse. Es gibt Wild aus der eigenen Jagd. Viele Wirte haben sich verpflichtet, nur regionale, österreichische Lebensmittel anzubieten. Sie dürfen damit werben, werden aber im Gegenzug regelmässig kontrolliert. Hier gibt es keine Selbstbedienungslokale.
Der Wildteller ist grandios, aber auch grandios gross. Das Fleisch liegt uns doch ein wenig im Magen, als wir nachmittags endlich zum Gipfel der Reiteralm hochkurbeln. Guide Christoph erkennt unsere Qual. Er stoppt, kramt einen Fahrradschlauch aus seinem Rucksack, befestigt ihn an seiner Sattelstütze und wickelt das andere Ende um den Lenker seines Schützlings. «Du musst nur aufpassen, dass Du mir nicht ins Hinterrad fährst. Der Rest geht von alleine.» Dann schaltet er den Motor auf Turbo und schleppt den Biobiker zum Gipfel. Das hätte es früher, als Velos noch keinen Motor hatten, auch nicht gegeben. Schöne, neue Bikewelt.
Die Reise wurde unterstützt von TVB Schladming-Dachstein.
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