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Morde im Mittelalter
Oxford war einmal ein lebens­gefährliches Pflaster

Radcliffe Square in Oxford: Im Mittelalter war die Mordrate in dieser Stadt offenbar weit höher als etwa in London.

Es ist ein Donnerstagabend im Jahr 1298. In einer Taverne an der High Street in Oxford bricht Streit zwischen Studenten aus, kurz darauf gehen Gruppen mit Schwertern und Streitäxten aufeinander los. Später stellt ein Gerichtsmediziner fest, dass der Student John Burel eine tödliche Wunde auf dem Scheitel hat, die sechs Zoll lang ist und bis zum Gehirn reicht. Kein seltener Anblick im mittelalterlichen Oxford. Zumindest laut dem englischen Geschichtsprojekt Medieval Murder Map.

Hohe Pro-Kopf-Mordrate

Das Projekt recherchiert mittelalterliche Morde in englischen Städten und verzeichnet sie in einer digitalen Karte. Im Jahr 2018 startete es mit London, nun wurden York und Oxford ergänzt. Und gerade in letzterer Stadt wurde das Team um den Kriminologen Manuel Eisner von der Universität Cambridge fündig. Die Pro-Kopf-Mordrate sei damals in Oxford vier bis fünfmal höher gewesen als in den anderen beiden Städten, schätzen die Forscher. Und sowohl Täter als auch Opfer waren demnach vor allem Studenten.

Denn drei Viertel der Täter werden in den historischen Quellen als «clericus» bezeichnet – und ebenso 72 Prozent der Mordopfer. Im Kontext von Oxford bedeute das, dass es sich um Studenten gehandelt haben muss, heisst es. Diese unterlagen dem kirchlichen Recht und besassen gegenüber den restlichen Stadtbewohnern Privilegien. Sie fielen etwa nicht unter die Gerichtsbarkeit der Städte, und auch die Todesstrafe durfte gegen sie nicht verhängt werden.

Studenten waren männlich, bewaffnet und oft betrunken.

Warum die Studenten einst so gewaltbereit waren? Sie waren jung, mit ihren 14 bis 21 Jahren würden sie heute vielfach noch als Teenager gelten. Mit Beginn des Studiums wurden sie aus ihrem familiären und gesellschaftlichen Umfeld herausgelöst. An die Stelle der Kontrolle durch Familie, Gemeinde oder Zunft traten ein Wohnheim, Alkohol, Langeweile, ein leichter Zugang zu Waffen und ein Ideal von männlicher Ehre: ein fruchtbarer Boden für eskalierende Konflikte.

Hinzu kamen strukturelle Spannungen zwischen Studenten unterschiedlicher Herkunft. In Europa wurden Studenten damals in sogenannte Nationen gegliedert, die sich ähnlich wie in Burschenschaften organisierten. Das Geschichtsprojekt vergleicht die Konflikte mit Bandenkriegen in heutigen Städten.

Gewalttätigste soziale Gruppe

Die Forscherinnen und Forscher berufen sich bei ihrer Analyse auf die Untersuchungsberichte von Gerichtsmedizinern. Für Oxford ist ein kompletter Satz für die Zeit zwischen 1342 und 1348 überliefert, darin ein Katalog plötzlicher oder mordverdächtiger Todesfälle, die von einer Jury aus Anwohnern erstellt wurde. Sie wurden in lateinischer Sprache verfasst und enthalten die Namen, den genauen Ort und den Wert der Mordwaffe. Hinzu kommen Aufzeichnungen des ersten Archivars der Universität, die zwischen 1296 und 1324 angefertigt wurden – und der sich besonders für Fälle mit studentischer Beteiligung interessierte.

Dennoch ist sich das Team sicher, dass Studenten die gewalttätigste aller sozialen und beruflichen Gruppen in Oxford gewesen sind. In ihrer Karte haben sie insgesamt 68 Mordfälle für Oxford registriert.