Die japanischen Samurai«Sie waren die grössten Krieger der Geschichte»
Die Samurai prägten die japanische Geschichte über Jahrhunderte und sind auch in der Popkultur des Westens sehr beliebt, wie aktuell gerade in der Netflix-Doku «Age of Samurai». Doch was wissen wir über die Samurai wirklich?
Keiner schwingt das Schwert so präzise, so elegant, so tödlich wie sie – die Samurai wirbeln seit Jahrzehnten als Helden durch Filme, TV-Serien, Comics und Videogames. Als grösste Krieger der Geschichte bezeichnet ein Historiker sie nun sogar in der neuen Netflix-Produktion «Age of Samurai». Die Doku-Serie erzählt vom turbulenten 16. Jahrhundert in Japan und der wichtigen Rolle der Elite-Kämpfer. Warum faszinieren uns die Samurai, was weiss man wirklich über sie und waren sie tatsächlich so blutrünstig, so blitzschnell, so unbesiegbar?
Wie kämpften die Samurai?
In Filmen und Serien, wie auch in der Netflix-Produktion, kämpfen die Samurai meist mit ihren langen, gebogenen Schwertern – genannt Katana. Dieses Schwert trugen sie am Gürtel, dazu hatten sie meist ein Kurzschwert als Zweitwaffe bei sich. «Im japanischen Mittelalter waren die Samurai jedoch bekannt als berittene Bogenschützen», sagt Raji C. Steineck, Professor für Japanologie an der Universität Zürich und Experte für die Kultur des japanischen Mittelalters. Zu jener Zeit trainierten die Samurai die Kunst, vom Pferd mit dem Bogen auf sich ebenfalls bewegende Objekte zu schiessen, was ziemlich gute Koordination erfordert. Das Schwert wurde erst später zur wichtigsten Waffe. In Japan bezeichnet man die Zeit vom 12. Jahrhundert bis 1600 als Mittelalter, während das Mittelalter in Europa von 500 bis 1500 datiert.
Wer waren die Samurai?
Die Krieger prägten die japanische Geschichte über rund 1000 Jahre, vom 9. bis ins 19. Jahrhundert. Über diese lange Zeit wandelten sich ihre Rolle, ihre Herkunft, ihre Waffen stark. «Das populäre Bild, das wir von den Samurai haben, stammt aus der frühen Neuzeit, dem 17./18. Jahrhundert», sagt der britische Historiker Philip Garrett von der Universität Newcastle, Experte für japanische Geschichte. Die Ironie der Geschichte: Die frühe Neuzeit war, nach den Wirren des Mittelalters, eine äusserst friedliche Epoche in Japan. Garrett tritt auch in der Netflix-Produktion als Experte auf, selbst hat er die Serie aber noch nicht gesehen.
Der Begriff Samurai stand ursprünglich allgemein für Bedienstete am Kaiserhof. Daraus entwickelte sich die Bezeichnung für den Kriegeradel. Im Mittelalter stammten die Samurai aus Familien, die selbst Grundbesitz hatten. Wenn sie jemandem dienten, konnten sie sich auch wieder lossagen, da sie eine eigenständige Einnahmequelle hatten. Das änderte sich mit dem Beginn der Neuzeit grundlegend: «Die Samurai sind nun ein besoldeter Kriegsadel ohne eigenen Grundbesitz», sagt Japanologe Steineck. Weil es eine friedliche Zeit war, übernahmen die Samurai Polizei- und Verwaltungsaufgaben, waren aber auch Gelehrte oder Ärzte. Sie hatten zwar eine machtvolle Stellung in der Ständeordnung, waren ökonomisch jedoch von ihrem jeweiligen Herren vollkommen abhängig.
Warum sind die Samurai so populär?
Samurai sind nicht nur hervorragende Kämpfer, sie sind ehrenhaft, tugendhaft und zutiefst loyal, für ihre Herren gehen sie in den Tod – so weit der Ehrenkodex der Samurai, genannt Bushido oder der Weg des Kriegers. Er stammt aus der Zeit nach 1600, doch zum Ideal hochstilisiert wurde er vor allem im 19. Jahrhundert mit dem aufkommenden Nationalismus in Japan und Europa. Die mystische Überhöhung der Samurai wurde seit der Neuzeit zudem mit konfuzianischen und buddhistischen Elementen angereichert. «Wir projizieren Werte und Tugenden auf die Samurai, die wir selbst gerne hätten», sagt Historiker Garrett. «Sich Ostasien in diesem Zusammenhang als Sehnsuchtsort auszusuchen, hat eine lange Tradition in Europa.» Auch die bis heute anhaltende Bewunderung für die asiatische Kampfkunst und Ästhetik spielt eine Rolle. «Der Samurai ist eine idealisierte Figur, die der historischen Realität nur teilweise entspricht», sagt auch Steineck. Im 20. Jahrhundert half die Popkultur kräftig bei dieser Idealisierung mit.
Die Samurai in der Popkultur
Der japanische Filmemacher Akira Kurosawa brachte die Samurai in den 1950er-Jahren mit seinem Film «Seven Samurai» auf die Leinwand. Er orientierte sich dabei auch am Genre der US-Western. Es folgten zahlreiche Filme und Serien unterschiedlichster Qualität, wie beispielsweise «13 Assassins» (2010) oder der Tom-Cruise-Schinken «The Last Samurai» (2003), wo es allerdings weniger um die Japaner als die Selbstfindung eines Amerikaners geht. Der Einfluss reicht noch weiter, so erinnern beispielsweise auch der Helm und die Maske des Star-Wars-Bösewichts Darth Vader stark an die Helme und Masken der Samurai-Krieger. In Comic-Serien sind Samurai ebenfalls Hauptfiguren, wie beispielsweise in der erfolgreichen Mangaserie «Vagabond» von Takehiko Inoue. Auch sind die Samurai in Computer- und Videospielen gern gesehene Helden, wie letztes Jahr im Erfolgstitel «Ghost of Tsushima» für die Playstation. Das Game erzählt von der erfolgreichen Niederschlagung der mongolischen Angreifer im 13. Jahrhundert.
Wie lebten die Menschen im Japan jener Zeit?
Wer «Age of Samurai» schaut, der bekommt den Eindruck, das 16. Jahrhundert sei eine einzige Schlacht gewesen. Dieser Eindruck täuscht, weil die Serienmacher das Alltagsleben der Menschen nicht thematisieren. Die Serie konzentriert sich auf die Militärgeschichte und die drei Warlords und Reichseiniger Oda Nobunaga, Tokugawa Ieyasu und Toyotomi Hideyoshi. Japan war in den Jahrhunderten zuvor in zahlreiche kleine regionale Reiche zersplittert gewesen, ähnlich wie Italien im 14. Jahrhundert. Nobunaga, Ieyasu und Hideyoshi vereinigten das Land mit ihren Eroberungszügen. Das 16. Jahrhundert war aber auch eine Zeit des wirtschaftlichen Wachstums, des technischen Fortschritts und der Urbanisierung. Die japanischen Städte hatten verglichen mit Europa bereits eine eindrückliche Grösse. «Schon Mitte des 15. Jahrhunderts lebten in Kyoto 200'000 Menschen, viermal mehr als in London», sagt Garrett, «bis 1600 waren es schon 300'000.»
Gab es auch weibliche Samurai?
Frauen kommen in der Netflix-Serie nicht besonders prominent vor, doch es gab vermutlich weibliche Kämpfer vor allem im Mittelalter. Nach der Reichseinigung etablierte sich in Japan ab 1600 eine relativ starre Standesordnung, wo Frauen weniger Einfluss hatten. Zuvor hatte es jedoch einflussreiche Frauen gegeben, wie beispielsweise Hojo Masako (1156–1225), die Frau des ersten Shoguns (Oberhaupt der Militärregierung). Sie übernahm wichtige politische Aufgaben und war für seinen Erfolg mitverantwortlich. Aus dem frühen 13. Jahrhundert gibt es auch literarische Frauenfiguren wie Tomoe Gozen, eine weibliche Samurai. Beschrieben wird sie als auffallend gute Bogenschützin, als Schwertkämpferin sei sie so wertvoll gewesen wie Tausende Krieger und sogar dazu in der Lage gewesen, es mit Dämonen aufzunehmen. Auch in der heutigen Populärkultur ist Tomoe eine gern gesehene Protagonistin, so kommt sie beispielsweise in «Ghost of Tsushima» vor.
Es fliesst reichlich Blut in der Serie, waren die Samurai besonders grausam?
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«Japan wurde von 1185 bis 1868 von Kriegern regiert, und der grösste Teil dieser Jahrhunderte war eine sehr friedliche Zeit», sagt Garrett. Dies gelte gerade im Vergleich mit der europäischen Geschichte, wo das 16. bis 18. Jahrhundert von zahlreichen blutigen Konflikten wie beispielsweise dem Dreissigjährigen Krieg (1618–48) geprägt gewesen seien.
Waren die Samurai tatsächlich so geschickte Kämpfer?
Die asiatische Kampfkunst hat eine lange Tradition. «Gegen die Mongolen haben sich die Samurai im Gegensatz zu den Europäern beispielsweise gut geschlagen», sagt Steineck. Im 13. Jahrhundert versuchten die Mongolen Japan zu erobern, die Samurai schlugen sie zurück. Allerdings, so Steineck, waren die Bedingungen an der felsigen japanischen Künste auch andere als in den Steppen Osteuropas, wo die Reiterheere der Mongolen gegen die Europäer ihre Vorteile besser ausspielen konnten. Zudem half den Japanern schlechtes Wetter, das den Schiffen der Mongolen zu schaffen machte. Ab dem 16. Jahrhundert, in der langen Friedenszeit, hatten die Samurai ausgiebig Zeit, um zu trainieren und ihren Schwertkampf zu perfektionieren. Sie trugen zudem viel leichtere Rüstungen als die europäischen Ritter, was ihnen im Kampf eine grössere Beweglichkeit und damit Eleganz verlieh.
Bei so viel mythischer Überhöhung, wie viel wissen wir gesichert?
Die Quellenlage zu den Samurai ist gut. Es gibt zahlreiche zeitgenössische Abbildungen, die Aufschluss geben über die Ausrüstung der Krieger, ausserdem auch viele schriftliche Quellen. Ebenso haben Rüstungen und Waffen die Jahrhunderte überdauert und lagern heute in Museen, beispielsweise im Historischen Museum Bern. Bei den Rüstungen waren es allerdings eher die Prachtstücke, die die Anführer zu besonderen Gelegenheiten trugen, als die einfachen Kampfmonturen, die erhalten geblieben sind.
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