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Knapper Entscheid im Parlament
Mord soll nicht mehr verjähren

Auch die Zeit heilt bei Schwerverbrechen kaum alle Wunden: Ein Herz mit der Aufschrift «Worte fehlen» liegt Kerzen. 
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Die Verjährungsfrist von dreissig Jahren für lebenslange Strafen soll fallen. Der Ständerat hat am Donnerstag der entsprechenden Standesinitiative des Kantons St. Gallen im zweiten Anlauf mit 21 zu 20 Stimmen Folge gegeben.

Der Nationalrat hatte dem Anliegen bereits zugestimmt. Das Geschäft wird nun erneut einem der Räte zur Erstbehandlung zugewiesen. Dessen zuständige Kommission muss innerhalb von zwei Jahren eine Gesetzesvorlage ausarbeiten.

Die entsprechenden Diskussionen dürften lebhaft und die Abstimmungsergebnisse knapp bleiben. In der ersten Beratungsrunde im Frühling 2020 fiel der Entscheid des Ständerates gegen die Aufhebung der Verjährungsfrist lediglich mit Stichentscheid des Präsidenten. Der Nationalrat votierte dann im Juni 2021 mit 90 zu 89 Stimmen bei 10 Enthaltungen für die Aufhebung.

Das Beispiel Deutschland

Der St. Galler Kantonsrat hatte die Bundesversammlung vor zwei Jahren eingeladen, das Schweizerische Strafgesetzbuch dahingehend zu ändern, dass die Verjährungsfrist für lebenslange Strafen – beispielsweise bei Mord – von dreissig Jahren auf unverjährbar angehoben wird. In Deutschland beispielsweise ist Mord unverjährbar.

Mit der Entwicklung von DNA-Analysen stünden den Ermittlungs- und Fahndungsbehörden technische Möglichkeiten zur Verfügung, mit welchen auch lange Zeit nach der Straftat noch Beweise hervorgebracht werden könnten, wurde die St. Galler Standesinitiative begründet. Täter könnten so noch überführt werden.

Was heilt die Wunden wirklich?

Ähnlich verliefen die Argumentationslinien am Donnerstag im Ständerat, wo sich letztlich die Kommissionsminderheit um Daniel Jositsch (SP/ZH) hauchdünn durchsetzte.

Er führte aus, bei schwersten Verbrechen wie Mord heile die sprichwörtliche Zeit eben nicht alle Wunden. «Die Zeit muss auf der Seite der Opfer stehen.» Zudem sei es unlogisch, für Mord – also das «schwerere Delikt» – eine Verjährungsfrist zu haben, für sexuelle Straftaten an Kindern jedoch nicht mehr. 2008 hatte das Stimmvolk an der Urne die Verjährungsfrist für diese Taten aufgehoben.

Die Wunden heilen könne nur die Aufklärung des Falles, erklärte dagegen Mathias Zopfi (Grüne/GL), und da bringe eine Abschaffung der Verjährungsfrist nichts, im Gegenteil: die Gefahr von Fehlurteilen oder Freisprüchen werde Jahrzehnte nach einer Tat grösser.

«Wir kreieren nur mehr Dramen und Desaster, wenn wir die Verjährungsfrist aufheben», hieb Beat Rieder (Mitte/VS) in die gleiche Kerbe. Die Strafverfolgungsbehörden hätten heute viele neue moderne Mittel wie DNA-Profile oder die Phänotypisierung in den Händen, was eine rasche und hohe Aufklärungsquote begünstigte.

Rechtsstaatliches Grundprinzip nicht umstossen

Auch bei schlimmsten Verbrechen hat die Gesellschaft irgendeinmal ein Anrecht darauf, die Sache ruhen zu lassen, wandte sich auch Philippe Bauer (FDP/NE) gegen eine Streichung der Verjährbarkeit. Für die Opfer sei das wohl schwer zu akzeptieren, aber das oberste Ziel des Strafrechtes sei nicht die Bestrafung, sondern die Stärkung des sozialen Friedens.

Das Schweizerische Strafgesetz kannte ursprünglich die Unverjährbarkeit für Völkermord, Verbrechen gegen die Menschlichkeit, Kriegsverbrechen sowie qualifizierte terroristisches Handlungen. Mit der Annahme der Volksinitiative «für die Unverjährbarkeit pornografischer Straftaten an Kindern» sind seit dem Jahr 2008 ausserdem die Verfolgung sexueller oder pornografischer Straftaten an Kindern und die Strafe für solche Taten unverjährbar.

/nlu