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Meinung

Kolumne Kaltërina Latifi
«Mmh, das isch läcker»

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«Hesch es Taschetuech?» – meine Schwester sieht mich irritiert an und lacht. Sie hat sich mittlerweile daran gewöhnt, dass ich diese Art von sprachlichem Mischmasch von mir gebe. Zu lange habe ich wohl in den deutschen Landen gelebt (vor sechzehn Jahren zog ich studienbedingt nach Deutschland); zu sehr habe ich mich dem Hochdeutschen assimiliert (übrigens nicht zu verwechseln mit dem Schweizerhochdeutsch), sodass sich nachgerade heimtückisch Germanismen in mein Berndeutsch eingeschlichen haben.

Das klingt dann so: «Mmh, das isch läcker», oder: «Das riecht guet.» Beim Sprechen merke ich sofort: Das hat mit Schweizerdeutsch nichts zu tun. Logisch, es müsste heissen: «Das isch fein», und das «schmöckt fein / guet».

Und ich frage mich, woran das liegt. Ergeht es den meisten für längere Zeit in Deutschland (oder auch Österreich) lebenden Auslandschweizern ähnlich? Nehmen auch bei ihnen die Germanismen oder Austriazismen mit der Zeit überhand? Oder kann so etwas nur jemandem geschehen, dem das Schweizerdeutsche nicht die eigentliche Muttersprache ist, sondern eine weitere Fremdsprache, die man sich als Kind mühsam aneignete ? Was ja bei mir der Fall war, ich habe zuerst Albanisch gelernt und erst später Berndeutsch.

Kann, anders gesagt, eine fremde Sprache – was das Hochdeutsche für uns Deutschschweizer genau genommen ist – die eigene schweizerdeutsche Sprache nur deswegen infiltrieren, weil auch diese einem ursprünglich fremd war? Wenn dem so wäre, hiesse das: Wer die Mundart seine lingua materna nennen kann, der hat nichts zu befürchten. Er trägt sozusagen von Natur aus eine fremdsprachenschutzsichere Weste.

Unser diskrepantes Verhältnis zum Deutschen ergibt sich wohl vor allem dadurch, dass uns das Hochdeutsche zwar mehr oder weniger vertraut ist, wir als Deutschschweizer aber ganz und gar in der Mundart leben. Das sind nun mal zwei Paar Stiefel. In den einen fühlen wir uns wohl, die anderen vermeiden wir, wo wir nur können.

Hierdurch erklärt sich freilich auch der Minderwertigkeitskomplex, wenn es gilt, mit einem Deutschen auf Hochdeutsch zu konversieren (zugegeben, ich verallgemeinere hier). Deutsche wiederum finden es toll und können gar nicht verstehen, warum wir da so zurückhaltend sind. Einige von ihnen sind sogar davon überzeugt: Sie verstünden Mundart. Was sie in Wirklichkeit meinen: Standarddeutsch mit Schweizer Akzent.

Doch wie sich heute Germanismen in meinem Berndeutsch nachweisen lassen, waren meine Helvetismen im Hochdeutschen während meiner Anfangszeit in Heidelberg nicht minder präsent. Da sagte ich noch Dinge wie «mir dünkt, dass» statt «mir scheint»; «das tönt gut» statt «das hört sich gut an»; «ich verhitze» statt «mir ist (sehr) heiss»; unvergesslich die Frage an die Kassiererin im Supermarkt, ob ich einen Sack haben könnte. Stattdessen erhielt ich dann eine Tüte. Ich habe mir damals geschworen, es besser zu machen: genau so zu sprechen wie die Deutschen!

Heute gelobe ich mir Besserung, wenn es ums Berndeutsche geht. Denn natürlich weiss ich, was ich stattdessen hätte sagen müssen: «Es Nastüechli.»

Kaltërina Latifi ist Essayistin und Literaturwissenschaftlerin.