Er musste das Land verlassenGame over für Djokovic in Australien
Der Einspruch des Tenniscracks wurde vor Bundesgericht abgewiesen, er musste ausreisen und verpasst das Australian Open. Djokovic zeigte sich «sehr enttäuscht», akzeptierte aber den Entscheid.
Novak Djokovic ist ein Meister darin, sich aus hoffnungslosen Situationen zu befreien. Doch diesmal musste er tatenlos zusehen, wie er eine seiner bittersten Niederlagen einsteckte. Der 34-Jährige erlebte im Büro seiner Anwälte in Melbourne, wie seine Ausweisung aus Australien besiegelt wurde. Dies entschieden die Richter James Allsop, Anthony Besanko und David O’Callaghan nach der Anhörung der Anwälte beider Partien einstimmig. Gegen das Urteil konnten vor dem Bundesgericht keine Rechtsmittel mehr eingelegt werden.
Für Djokovic, der seinen 21. Grand-Slam-Titel hatte anstreben wollen, rutschte der Lucky Loser Salvatore Caruso ins Turnier, da der Spielplan schon erstellt worden war. Es ist indes nicht zwingend so, dass er sich nun drei Jahre nicht mehr um ein Visum bewerben kann. Falls «triftige Gründe» vorliegen, kann er schon nächstes Jahr wieder eines beantragen. Um 22.30 Uhr Ortszeit soll er den Abendflug von Melbourne nach Dubai genommen haben.
In seiner ersten schriftlichen Erklärung liess er verlauten: «Ich bin sehr enttäuscht über die Entscheidung des Gerichts. Ich werde mir jetzt etwas Zeit nehmen, um mich auszuruhen und zu erholen, bevor ich weitere Kommentare abgebe. Ich respektiere die Entscheidung und werde mit den zuständigen Behörden in Bezug auf meine Ausreise kooperieren.»
«Es ist mir unangenehm, dass der Fokus in den letzten Wochen auf mir lag.»
Weiter schrieb er: «Es ist mir unangenehm, dass der Fokus in den letzten Wochen auf mir lag, und ich hoffe, dass wir uns jetzt alle auf das Spiel und das Turnier konzentrieren können, das ich liebe. Ich möchte den Spielern, Turnierverantwortlichen, Mitarbeitern, Freiwilligen und Fans alles Gute für das Turnier wünschen. Abschliessend möchte ich mich bei meiner Familie, meinen Freunden, meinem Team, meinen Fans und meinen serbischen Landsleuten für ihre kontinuierliche Unterstützung bedanken. Ihr alle seid eine grosse Kraftquelle für mich gewesen.»
Migrationsminister Alex Hawke hatte Djokovic am Freitag das Visum «aus Gründen der Gesundheit und der guten Ordnung» gestrichen, dessen Abreise liege im öffentlichen Interesse. Denn mit seiner Präsenz als ungeimpfter Prominenter könnte er andere Menschen ermutigen, sich nicht impfen zu lassen, auf die Booster-Impfung zu verzichten, impffeindliche Ansichten zu vertreten und für Unruhen zu sorgen. So würde der Druck aufs Gesundheitssystem erhöht. Die Anwälte von Djokovic legten gegen diesen Entscheid Berufung ein.
Die Verhandlung begann pünktlich um 9.30 Uhr. Djokovic-Anwalt Nicholas Wood ging gleich in die Offensive: «Der Minister klammert sich an Strohhalme, aber er hat überhaupt keine Grundlage für seine Argumentation.» Zudem versuchte er, die Ansicht zu zerstreuen, dass der Serbe ein Impfgegner sei. Djokovic habe sich, so Wood, nie explizit so geäussert. Und es gebe keine Anhaltspunkte, dass seine Anwesenheit zu sozialer Unrast und einer Anti-Impf-Stimmung führen würden. Schliesslich sei der Weltranglistenerste ja permanent an Turnieren unterwegs und seien solcherlei Nebeneffekte nicht dokumentiert.
«Ein fürchterlicher Fehler!»
Danach war Regierungsanwalt Stephen Lloyd dran. Er pochte darauf, dass die abschlägige Haltung von Djokovic gegenüber Covid-Impfungen hinlänglich bekannt sei und dieser ausreichend Zeit gehabt habe, sich impfen zu lassen. Zudem kam er auf die verpasste Isolation des Serben Mitte Dezember nach dessen positivem PCR-Test zu sprechen: «Ein fürchterlicher, fürchterlicher Fehler!»
Lloyd sprach sanftmütig, bezeichnete den Gegenanwalt immer wieder als «meinen Freund». Er sprach aber auch aus der Position der Stärke. Denn da die Befugnisse des Migrationsministers weitreichend sind, war die Regierung in diesem Prozess am längeren Hebel. Es ging für sie nur darum zu zeigen, dass Hawke rechtmässig gehandelt hatte. Dies betonte Lloyd in seinem abschliessenden Statement auch nochmals. Es müsse nicht einmal nachgewiesen werden, dass Djokovic ein Impfgegner sei, sagte er. Es genüge schon, dass er als ein solcher wahrgenommen werde.
Über 85’000 Zuschauer schalteten sich auf YouTube für die Verhandlung zeitweise gemeinsam zu und erlebten, wie beide Anwälte im Rahmen ihrer juristischen Möglichkeiten eine solide Leistung ablieferten. Die Verhandlung dauerte über fünf Stunden, inklusive einer einstündigen Mittagspause. Danach begann für Djokovic das grosse Warten, bis sich auch seine letzte Hoffnung zerschlug.
Der Migrationsminister zeigte sich erfreut, dass seine Entscheidung bestätigt wurde. Er sagte: «Australiens strenge Grenzschutzpolitik hat uns während der Pandemie in Sicherheit gehalten und zu einer der niedrigsten Todesraten, der stärksten wirtschaftlichen Erholung und den höchsten Impfraten der Welt geführt. Eine starke Grenzschutzpolitik ist auch von grundlegender Bedeutung für den Schutz des sozialen Zusammenhalts in Australien, der trotz der Pandemie weiter gestärkt wird.»
Hawke betonte, die Australier hätten «grosse Opfer» für die öffentliche Gesundheit gebracht, und die Regierung werde diese Errungenschaften schützen. «Bis heute wurden in Australien rund 43 Millionen Impfdosen verabreicht, und mehr als 91,6 Prozent der Australier ab 16 Jahren sind vollständig geimpft.»
258 Stunden des Bangens
Damit fand diese Saga nach 258 Stunden ihr Ende. Djokovic war am Mittwoch spät vorletzter Woche in Melbourne eingetroffen, von den Behörden am Flughafen aber nicht einreisen gelassen, weil ihnen seine Dokumente nicht genügten. Am Donnerstag früh wurde er nach mehreren Befragungen in Gewahrsam genommen und musste die folgenden vier Nächte im Ausschaffungshotel in Melbourne verbringen. Am Montag erstattete ihm Richter Anthony Kelly nach stundenlangen Anhörungen das Visum wegen Verfahrensfehler der Grenzkontrolle wieder.
In Belgrad veranstaltete seine Familie darauf eine triumphale Pressekonferenz mit viel Pathos, Djokovic trainierte am Montagabend bereits in der Rod Laver Arena. Doch über ihm hingen immer noch dunkle Wolken, weil Migrationsminister Hawke die Befugnis hatte, ihm das Visum wieder zu entziehen. Was am Freitag kurz vor 18 Uhr dann auch geschah. Djokovic wurde wieder in Gewahrsam genommen, nach einer fünften Nacht im Park Hotel auf Sonntag wurde er um 8.30 Uhr zum Büro seiner Anwälte im Rialto Tower gefahren.
Doch da fand er sein Glück auch nicht mehr.
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