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Video

Stotternder Fussballer
Mit diesem Interview erobert Ken Sema die Herzen

Er lacht und strahlt, und dazu hat er auch allen Grund. Ken Sema ist Fussballprofi beim englischen Zweitligisten Watford, hat eben mit ihm einen 3:2-Sieg gefeiert gegen den Konkurrenten West Bromwich, und ihm, Sema, ist nicht nur das 1:0 gelungen, sondern vor allem kurz vor Spielschluss auch das Siegtor. «Fühlt sich gut an», sagt er und grinst.

Sein erfrischendes Interview nach dem Spiel zieht seither weite Kreise, doch das liegt weniger an den beiden Treffern, mit denen der 29-jährige Schwede seine Mannschaft im Aufstiegsrennen hält. Vielmehr zeigt es den Mut, den Sema hat, sich der TV-Kamera überhaupt zu stellen. Denn das Toreschiessen fällt ihm leichter als das Redenschwingen: Sema stottert seit seiner Kindheit. Mehrfach muss er im Interview neu ansetzen, er wirkt erst gehemmt und stottert mehrmals. Doch er spricht einfach weiter, hält durch, und die Fragen zu seinen Toren scheinen ihn zu beflügeln. Die anfangs verkrampfte Mimik löst sich. Das Lachen hilft.

Wie Joe Biden und Marilyn Monroe

Etwa ein Prozent der Menschen weltweit leidet unter Stottern, darunter prominente Persönlichkeiten wie US-Präsident Joe Biden, der britische Popmusiker Ed Sheeran oder Schauspieler wie Samuel L. Jackson und Marilyn Monroe. Die Sprechstörung hinderte sie alle nicht daran, Karriere zu machen. Biden lernte damit zu leben, indem er vor dem Spiegel stundenlang Gedichte rezitierte. Berühmt ist die Geschichte von König George VI., der sein Stottern durch Musik überwand. Der Prozess wird im Film «The King’s Speech» thematisiert.

Vom englischen Regenten bis zum schwedischen Fussballer: Stotterer teilen die Urangst, vor Publikum reden zu müssen, und suchen Mittel, das entweder zu trainieren – oder zu vermeiden. Ken Sema tut das nicht, er stellt sich am Montagabend hin – und erntet dafür viel Applaus. «Das wird wirklich vielen Menschen helfen», kommentiert der Social-Media-Account «Sportbible», der das Video um die Welt geschickt hat, über zwölf Millionen User haben es auf Twitter bereits angeschaut. Im Beitrag heisst es: «Jeder, der an Stottern leidet, weiss, wie hart das ist. Brillant gemacht.»

Schon nennen sie ihn «King Ken»

Zuspruch erhält Sema nicht nur von Watford-Fans, sondern auch von Gegnern. «Ich liebe es», liess Leeds-Profi Luke Ayling auf Twitter verlauten. Ayling stottert ebenfalls. Der Trainer des am Montag besiegten West Bromwich, der Spanier Carlos Corberán, schrieb: «Im Fussball wie im Leben macht es uns stärker, sich Schwierigkeiten zu stellen. Seine Tapferkeit, diese Herausforderung anzunehmen, inspiriert viele Leute.» Die Lokalzeitung «Watford Observer» verlieh Sema kurzerhand den Übernamen «King Ken».

Ken Nlata Sema kam 1993 in der südschwedischen Stadt Norrköping zur Welt, als zweiter Sohn kongolesischer Einwanderer. In den Profifussball kam er auf Umwegen und die dritthöchste schwedische Liga. Bereits seit 2018 steht er nun aber bei Watford in England unter Vertrag, mit den Nord-Londonern hat er auch schon in der Premier League gespielt. Zwischenzeitlich war er für ein Jahr an Udinese in die Serie A ausgeliehen.

Seit 2017 ist Sema zudem schwedischer Nationalspieler und gehört zum erweiterten Kreis des Nationalteams. 14 Länderspiele hat er bestritten. 2021 wurde er für die EM aufgeboten, kam jedoch in keinem der vier Spiele der Schweden zum Einsatz. Nun hofft er auf ein Aufgebot für die nahende EM-Qualifikation.

Im Aufgebot, aber kein Einsatz: Ken Sema beim Fotoshooting der schwedischen Nationalmannschaft für die EM 2021.

Von der schwedischen Zeitung «Aftonbladet» auf die zahlreichen und überwältigend positiven Reaktionen auf sein Interview angesprochen, sagt Sema: «Es ist schön, diese Liebe zu spüren. Darauf war ich nicht wirklich vorbereitet.»

Der Vater einer zehn Monate alten Tochter stellt selbstbewusst klar: «Mein Stottern ist für mich kein Grund, nicht vor einer Kamera zu stehen und interviewt zu werden, bei einer Fussballgala zu tanzen oder eine Rede zu halten. Das ist mein Job. Ich bin keine Person, die schüchtern oder im Hintergrund ist. Ich habe gern Spass und eine positive Lebenseinstellung. Ich lasse mich davon nicht stoppen, dorthin zu gelangen, wo ich hinwill.»