Testpflanzung in OberriedenMit 648 Bäumchen in die Zukunft blicken
Ein schweizweites Projekt untersucht, welche Baumarten sich trotz des Klimawandels als robust erweisen. Auch in Oberrieden gibt es eine solche Testfläche.
Wer am Schiessstand in Oberrieden vorbeigeht, dem fällt es vermutlich auf: Auf der gerodeten, kargen Waldfläche unterhalb der Autobahn wachsen seit einiger Zeit wieder kleine Bäumchen. In Reih und Glied stehen sie da. Neben den Setzlingen ragt jeweils ein oranger Pfosten als Markierung aus der Erde.
Dabei handelt es sich jedoch nicht um eine neu gepflanzte Baumschule, sondern um ein schweizweites Forschungsprojekt. Auf 57 Testflächen sucht die Eidgenössische Forschungsanstalt für Wald, Schnee und Landschaft (WSL) in der ganzen Schweiz nach zukunftsfähigen Baumarten. Auch der Hang des Waldgebietes Neuforst oberhalb des Schützenstandes in Oberrieden wird für das Projekt als Versuchsfläche genutzt.
55’000 Bäume für die Forschung
Die Forschenden wollen herausfinden, welche Bäume trotz des Klimawandels gut gedeihen. Sie suchen nach Baumarten, die auch in Zukunft als Schutz- oder Nutzwald eingesetzt werden können – obwohl die Trockenheit oder die Temperaturen zunehmen werden. Kathrin Streit, Co-Projektleiterin, erklärt: «Wir testen 18 verschiedene Baumarten in unterschiedlichsten Regionen und Höhenzonen in der Schweiz.» So werde untersucht, welche klimatische Bedingung welcher Baumart am ehesten zusagt.
Zusammen mit den zuständigen Forstbetrieben werden für das Projekt seit 2020 schweizweit rund 55’000 Bäumchen gepflanzt. Diese Testflächen sollen über Jahrzehnte beobachtet werden. Finanziert wird das Projekt zum grössten Teil von den Kantonen selbst, aber auch vom Bafu.
Wenig anfälliger Mischwald
Im Neuforst in Oberrieden befindet sich eine von drei Testflächen des Kantons Zürich. Der Neuforst wurde durch den Sturm Burglind im Jahr 2018 stark beschädigt. Zudem mussten im Juni 2020 flächendeckend Bäume gefällt werden wegen des Borkenkäfers. Die Testfläche gehört der Landforstkorporation (LFK). Gottfried Gachnang, LFK-Präsident, erklärt: «Der Wald ist in diesem Gebiet besonders anfällig, aufgrund der Schneise, die durch den Bau der Autobahn entstanden ist und der Fichtenmonokultur.»
Weil der Wald 1960 für den Autobahnbau gerodet worden sei, habe der Wind mehr Angriffsfläche. «Bäume wachsen am Rand eines Waldes anders. Sie haben beispielsweise stärkere Wurzeln.» Diese würden den Fichten, die den Stürmen der letzten Jahre zum Opfer gefallen seien, fehlen.
Weshalb hat sich die LFK dazu entschieden, bei den Testpflanzungen des WSL mitzumachen? Gachnang erklärt: «Heute weiss man: Gemischte Wälder sind besser gerüstet gegen Schädlinge. Doch für die Pflanzung eines Mischwaldes müssen wir wissen, welche Baumarten in Zukunft Bestand haben.» Dies soll nun zusammen mit dem WSL in Erfahrung gebracht werden.
Lärchensamen aus Polen
Das WSL hat in Oberrieden sechs verschiedene Baumarten gepflanzt. Seit April wachsen auf der Testfläche unter anderem Lärchen, Weisstannen oder Bergahorne. «Sie stammen jeweils aus unterschiedlicher Herkunft», sagt Kathrin Streit. Die Forscherin zeigt auf eine Lärche, die aus polnischen Samen gezüchtet wurde. So werde auch getestet, ob die Herkunft der Bäume eine Rolle spiele.
Wichtigster Messfaktor in der Testpflanzung wird das Wachstum der Bäume sein. Aber nicht nur das: «Wir messen auch Temperatur, Niederschlag, Strahlung und Windgeschwindigkeiten auf den jeweiligen Testflächen», sagt die Forscherin und zeigt auf die Messstation. Zudem werde unter der Erde auch die «Saugspannung» der Pflanzen gemessen. «Also die Kraft, welche die Pflanze benötigt, um das Wasser aus dem Boden zu ziehen.»
Günstige Bedingungen
Die 648 Setzlinge scheinen sich auf der Testfläche wohlzufühlen. Klimatechnisch liegt Oberrieden laut Kathrin Streit günstig. «Die Gemeinde liegt im Einfluss der Voralpen und hat deswegen einiges an Niederschlag zu verzeichnen.» Das Wachstum der verschiedenen Bäumchen sei bis jetzt erfreulich.
Speziell an der Testfläche in Oberrieden sei, dass sie inmitten einer Gewässerschutzzone liege. Zudem wurde die Testfläche bewusst nicht direkt neben der Autobahn angelegt. «Wir haben einen Streifen freigehalten, damit die Setzlinge nicht durch den Schmutz der Autobahn oder das Streusalz im Winter gefährdet werden.»
«Wald verschwindet nicht»
Noch ist es laut der Forscherin zu früh für eine Aussage. Erste Ergebnisse sind erst in einigen Jahren zu erwarten. «Wir werden jedoch jedes Jahr hierhin zurückkehren und den Zustand der Bäumchen beurteilen», sagt Streit.
Die Forscherin beruhigt. «Der Wald wird durch den Klimawandel nicht verschwinden, er wird uns überleben.» Buchen oder Fichten – wichtige Bäume in der Schweiz – werden laut Streit einfach in höhere Gefilde wandern. Will man den Wald in Zukunft also gleich nutzen können, sollten laut Streit andere Baumarten eingebracht werden.
Fehler gefunden?Jetzt melden.