AboInterview mit Milo Rau«Ist der Rassismusvorwurf wirklich immer angebracht?»
Dem Theatermann Milo Rau wurde schon Elendstourismus und Ausbeutung vorgeworfen, jetzt auch Antisemitismus. Ein Gespräch vor der Aufführung von «Antigone im Amazonas».

Herr Rau, jüngst kritisierten Sie in einem Interview, die Linke instrumentalisiere öfter den Rassismusbegriff und die koloniale Vergangenheit. Sind Sie zu den Wokeness-Kritikern übergelaufen?
Nein. Ich sagte dort vor allem, dass die Rechte heute absurderweise den Antisemitismus-Vorwurf instrumentalisiert, um Positionen zu canceln, die nichts mit Antisemitismus zu tun haben. Dabei wird der Begriff entkernt, für Diskursgewinne in der Tagespolitik. Aber diese Art der Instrumentalisierung ist eben nicht nur ein Trick der Rechten. Natürlich nervt mich das von konservativer Seite viel mehr, weil ich von dort permanent unter Beschuss bin, auch jetzt als Intendant vor meiner ersten Ausgabe der Wiener Festwochen. Aber ich finde, man muss sich als Linker selber hinterfragen: Sind Rassismusvorwurf und Kolonialismusbegriff wirklich immer angebracht, wenn wir sie benutzen?