Fall Mike Ben Peter Nigerianer starb nach Drogenkontrolle – Waadtländer Polizisten freigesprochen
Von Polizeigewalt und Racial Profiling war die Rede. Ein Gericht sagt nun: Die Beamten sind weder schuld am Tod des Mannes, noch haben sie ihr Amt missbraucht.
Polizisten versus Aktivisten: In den Besucherrängen des Kantonsgerichts in Renens sind die Fronten klar. Die Polizisten unterstützen ihre sechs Kollegen, die als Beschuldigte vor Gericht stehen. Ihnen wird vorgeworfen, fahrlässig den Tod von Mike Ben Peter verursacht und ihr Amt missbraucht zu haben. Die Aktivisten, die zur Urteilsverkündung gekommen sind, sehen den Tod des 39-jährigen Nigerianers deshalb als Beispiel für ein übergeordnetes Problem mit Polizeigewalt. Im Kanton Waadt sind in den letzten Jahren vier dunkelhäutige Männer in Polizeigewahrsam oder bei Kontrollen gestorben.
Mike Ben Peter war einer von ihnen. 2018 erlitt er einen Herzstillstand während einer präventiven Drogenkontrolle durch die Lausanner Polizei. Nun wurde sein Fall zum zweiten Mal vor Gericht verhandelt. Die Angehörigen des Verstorbenen zogen den Fall weiter, nachdem die Polizisten letztes Jahr vom Bezirksgericht Lausanne freigesprochen worden waren. Das Berufungsgericht in Renens bestätigt nun das Urteil. Es spricht die sechs Polizisten von beiden Anklagepunkten frei: von der fahrlässigen Tötung und vom Amtsmissbrauch.
Mike Ben Peter und die Parallelen zu George Floyd
«Ich kann nicht atmen.» Die Worte des Afroamerikaners George Floyd, der erstickte, als ihn ein Polizist zu Boden drückte, wurden zur Parole der «Black Lives Matter»-Bewegung in den USA. In der Schweiz wurde Floyd oft als Vergleich zum Fall Peter beigezogen. Floyd starb noch während der Polizeikontrolle. Er erstickte, weil er brutal zu Boden gedrückt wurde. Der Polizist wurde später unter anderem wegen fahrlässiger Tötung verurteilt.
Peter wurde zwar auch mehrere Minuten lang am Boden festgehalten. Die Polizisten schlugen ihn und setzten Pfefferspray ein. Während der Festnahme erlitt Peter einen Herzinfarkt. Die Polizisten versuchten aber auch, ihn wiederzubeleben; er starb einige Stunden später im Universitätsspital Lausanne. Das Gericht beurteilte den Herzinfarkt nicht als direkte Folge der Polizeikontrolle – unter anderem, weil der Verstorbene unter bereits bekannten Herzproblemen gelitten hatte.
Der Fall Mike Ben Peter löste in der Schweiz nicht nur eine Debatte über Polizeigewalt aus, sondern auch über Racial Profiling. In der Urteilsverkündung betonte der Gerichtspräsident Thomas de Montvallon, dass der Fall nichts mit «systemischem Rassismus» zu tun habe. Verhaftet worden sei Peter, weil die Polizisten ihn mit einem Säckchen hantieren gesehen hätten – das er ihnen anschliessend nicht habe zeigen wollen.
Die Familie des Verstorbenen hatte zwei Gutachten für den Prozess am Berufungsgericht eingeholt. Eines davon stammt von einem amerikanischen Rechtsmediziner, der auch im Fall George Floyd eine Expertise abgegeben hat. Dieser kommt zum Schluss, dass Mike Ben Peter gestorben sei, weil er in der Bauchlage positioniert gewesen sei – und wegen der «gewaltsamen Polizeikontrolle». Das Gericht bezeichnet die beiden Gutachten allerdings als «unvereinbar mit Kriterien der Neutralität und der wissenschaftlichen Genauigkeit».
Gericht: Polizisten handelten verhältnismässig
Laut dem Gericht handelt es sich nicht um eine fahrlässige Tötung. Denn es könne keine Kausalität festgestellt werden zwischen der Aktion der Polizisten und dem Herzinfarkt. Er wurde zwar in Bauchlage festgehalten, aber es lastete kein hohes Gewicht auf seinem Rücken. Zudem litt Peter an einer Herzschwäche. Die Bauchlage sei zwar einer der möglichen Faktoren, die zum Herzstillstand geführt haben könnten – aber es gebe eben mehrere weitere mögliche Gründe.
Im Vergleich zum ersten Gerichtsverfahren kam ein zweiter Anklagepunkt hinzu: Amtsmissbrauch. Doch auch in diesem Punkt werden die Polizisten freigesprochen. Das Gericht kommt zum Schluss, dass sich Mike Ben Peter stark gewehrt hatte, als die Polizisten versuchten, ihn zu verhaften. Daher sei es verhältnismässig gewesen, ihn in Bauchlage auf dem Boden festzuhalten, bis ihm die Polizisten Handschellen anlegen konnten.
Peter habe während der ganzen Zeit kleine Kokainpäckchen, sogenannte Fingerlinge, im Mund gehabt, die er wohl vor der Polizei habe verstecken wollen. Das hätten die Polizisten aber nicht von Anfang an bemerken können. Auch habe er nicht klar um Hilfe gerufen. Sobald die Polizisten bemerkt hätten, dass sich Peter nicht mehr gerührt habe, hätten sie begonnen, ihn wiederzubeleben.
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