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Umstrittene Gesetzesänderung
Migros und Coop wehren sich gegen Dekla­rations­pflicht für Flug­importe

Einkaufen im Coop Suedpark in Basel am 03. April 3013.
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Ein Beispiel sind Mangos aus Brasilien. Kommen sie per Flugzeug in die Schweiz, belasten sie die Umwelt etwa zehnmal stärker als Mangos, die per Schiff geliefert werden. Ähnliches gilt für eingeflogene Meeresfische und Fleischspezialitäten. Denn Flugtransporte verursachen hohe CO₂-Emissionen.

Die Konsumentinnen und Konsumenten sollen in der Schweiz deshalb künftig zwingend darüber informiert werden müssen, wenn Lebensmittel angeboten werden, die mit dem Flugzeug importiert wurden. Ein entsprechender Gesetzesentwurf ist gegenwärtig in der Vernehmlassung.

Angestossen hat die Änderung Nationalrätin Christine Badertscher (Grüne, BE) – mittels einer parlamentarischen Initiative, die auch Bauernverbandspräsident Markus Ritter (Mitte, SG) unterschrieben hat. Konkret betrifft es Früchte, Gemüse, Fisch und Fleisch.

Bundesrat wollte nichts unternehmen

Laut der Zollverwaltung werden heute rund 4 Prozent aller Fischimporte eingeflogen, ebenso 2 bis 3 Prozent aller Fleischimporte. Bei den Früchten und Gemüsen beträgt der Anteil unter 1 Prozent, aber auch das sind immer noch rund 7000 Tonnen. Entsprechend gross ist der ökologische Fussabdruck, der durch Flugtransporte von Lebensmitteln generiert wird.

Der Bundesrat hat in der Vergangenheit jedoch darauf verzichtet, eine Deklarationspflicht einzuführen. Jetzt ist das Parlament selbst aktiv geworden. Die vorberatenden Kommissionen beider Räte haben die parlamentarische Initiative von Christine Badertscher gutgeheissen. Die Vernehmlassung zur vorgeschlagenen Reform dauert bis zum 22. Januar.

Wir haben die Positionen der wichtigsten Akteure bereits eingeholt. Der WWF und die Stiftung für Konsumentenschutz (SKS) begrüssen die Einführung einer Deklarationspflicht für eingeflogene Lebensmittel. Dies helfe den Einkaufenden bei der Wahl der Produkte. Wichtig sei dabei eine einheitliche Kennzeichnung, die einfach verständlich sei, betont die SKS. «Es macht wenig Sinn», so SKS-Ernährungsexpertin Josianne Walpen, «dass auch in diesem Bereich wie bei den Labels jeder Anbieter sein eigenes Süppchen kocht.»

Bereits freiwillig gehandelt

Die Detailhändler hingegen lehnen eine Deklarationspflicht ab. Sie sei unnötig und wenig zielführend, schreibt die IG Detailhandel, die für Migros, Coop und Denner spricht. Sei doch der Transport für die Ökobilanz der Produkte von «untergeordneter Bedeutung».

Schon aus Praktikabilitätsgründen wehren sich Migros, Coop und Denner gegen die Gesetzesänderung. In den Nachbarländern gelte nämlich keine Deklarationspflicht. Folglich würden internationale Hersteller ihre Produkte kaum speziell für den Schweizer Markt paketieren, gibt die IG Detailhandel zu bedenken. Und wenn doch, werde dies «zu Preiserhöhungen führen, die den Schweizer Detailhandel und die hiesigen Konsumentinnen und Konsumenten benachteiligen».

Langzeit Projekt, Nahrungskette.
Fruchtimport Giovanelli, importiert aus den ganzen Welt Früchte und gemuse. Sie holen den Waren aus der Flughafen, sortieren sie es aus, zum teil neue verpacken es und liefern den Laden weiter.


(KEYSTONE/Gaetan Bally)

Das sieht auch die Swiss Retail Federation so, die kleinere Händler vertritt. Der Mehraufwand stehe «in keinem Verhältnis zum ohnehin zweifelhaften ökologischen Nutzen». Denn viele Detailhändler hätten bereits freiwillig gehandelt – ohne gesetzlichen Zwang.

Zum Beispiel die Migros. Sie verfolgt laut Mediensprecher Patrick Stöpper «den Grundsatz, ein Produkt immer von der geografisch nächsten Destination zu beziehen». Der Anteil an Flugware mache nur 0,27 Prozent der Gesamtabsatzmenge aus. «In der Regel wird unsere Ware per Schiff, Bahn und LKW transportiert», so Stöpper. Was dennoch eingeflogen werde, kennzeichne die Migros mit einem «By Air»-Aufkleber. Und alle Flugimporte würden «durch Projekte in unseren eigenen Wertschöpfungsketten CO₂-kompensiert».

Mehr Früchte aus Europa wegen Klimawandel

Ähnlich handhabt es Coop. «Seit Jahren reduziert Coop den Flugimport von Früchten, Gemüse, Fisch und Fleisch auf ein Minimum», sagt Mediensprecher Kevin Blättler. Dabei hilft ironischerweise auch der Klimawandel. Aufgrund der höheren Temperaturen nimmt der Anteil exotischer Früchte aus Europa zu. Zahlen mag Coop keine nennen. Man deklariere aber Flugwaren mit einem «By Air»-Logo auf der Verpackung, so Blättler. Und angefallene CO₂-Emissionen kompensiere Coop mit Klimaschutzprojekten.

Lidl und Aldi verzichten laut eigenen Angaben komplett auf das Einfliegen von frischen Früchten, Gemüse, Fisch und Fleisch. Das gilt auch für Denner mit Ausnahme von speziellen Fleischstücken, wovon 2022 rund 86 Tonnen per Flugzeug importiert wurden. Deklariert hat dies Denner in der Auslage nicht. Man habe aber, so Mediensprecher Thomas Kaderli, für die so entstandenen CO₂-Emissionen einen Klimabeitrag geleistet.

Die freiwilligen Deklarationen und Flugimportverzichte zeigen laut der nationalrätlichen Kommission für Wissenschaft, Bildung und Kultur (WBK), «dass die Kosten vertretbar und die Umsetzung machbar ist». Allerdings werde es bei Importen auf dem Landweg schwierig, zu überprüfen, ob die Ware zuvor allenfalls per Flugzeug in ein Drittland transportiert worden sei. Die Stiftung für Konsumentenschutz will aber auch solche Produkte in die Deklarationspflicht einschliessen.

Das Gastgewerbe winkt ab

Gar keinen Handlungsbedarf sieht Gastrosuisse. Nach Ansicht des Wirteverbands genügt die bereits bestehende Herkunftsdeklaration. Eine zusätzliche Kennzeichnung von Flugimporten führe zu einem unnötigen Mehraufwand. Sollte sie dennoch gesetzlich vorgeschrieben werden, möchte Gastrosuisse das Gastgewerbe davon ausnehmen, weil sich bei diesem zusätzliche spezifische Umsetzungsprobleme stellten.

Die Deklarationspflicht für Flugware ist also hoch umstritten und noch keineswegs in trockenen Tüchern. In der nationalrätlichen WBK fiel die Gesamtabstimmung mit 13 zu 11 Stimmen bei einer Enthaltung relativ knapp aus. Je nachdem, wie die Vernehmlassung ausfällt und wer wie stark zu lobbyieren vermag, könnte die Reform im Parlament noch scheitern – trotz erster zustimmender Entscheide der vorberatenden Kommissionen.