Terrorverdacht in DresdenMesserangreifer war islamistischer «Gefährder»
Ein 20-jähriger Syrer wird verdächtigt, vor zwei Wochen in Dresden einen 55-jährigen deutschen Touristen getötet und einen weiteren verletzt zu haben.
Am 4. Oktober gegen 21.30 Uhr wurden in der Altstadt von Dresden zwei Touristen aus Nordrhein-Westfalen von einem Unbekannten mit einem Messer attackiert. Wie die Polizei am nächsten Tag mitteilte, erlag das eine Opfer, ein 55-jähriger Mann aus Krefeld, den Verletzungen im Spital. Das andere, ein 53-jähriger Kölner, überlebte schwer verletzt.
Die Polizei bildete eine 29-köpfige Sonderkommission, um dem rätselhaften Verbrechen auf die Spur zu kommen. Zwei Wochen später erbrachten die Ermittlungen einen Erfolg. Die Dresdner Polizei teilte am Mittwoch mit, dass sie einen 20-jährigen Syrer unter dringendem Mordverdacht verhaftet habe. Wie Medien berichteten, ist die Polizei dem Mann durch DNA-Rückstände auf der mutmasslichen Mordwaffe auf die Spur gekommen – einem Messer, das man in der Tatnacht unweit des Tatorts gefunden hatte. Danach habe man gezielt nach dem Syrer gefahndet.
Als Extremist verurteilt
Motiv und Hintergründe der Attacke seien weiter unklar, sagte ein Sprecher der Staatsanwaltschaft zunächst. Am Nachmittag meldete dann der «Spiegel», dass der Verdächtige einen extremistischen Hintergrund habe. Der junge Mann sei den sächsischen Sicherheitsbehörden seit Jahren als militanter Islamist bekannt gewesen. Zuletzt hätten diese ihn sogar als «Gefährder» geführt, das heisst als Extremisten, dem man eine Gewalttat zutraut. Am frühen Abend teilte der Generalbundesanwalt in Karlsruhe mit, dass er die Ermittlungen in dem Fall übernommen habe, da eine «islamistisch motivierte Tat» im Raum stehe.
Laut «Spiegel» war der Syrer bereits einmal verurteilt worden, weil er zu einer «schweren staatsgefährdenden Gewalttat» aufgerufen und Mitglieder für die irakische Terrormiliz Islamischer Staat (IS) geworben habe. Das Oberlandesgericht Dresden verhängte dafür und für weitere Delikte im November 2018 eine Jugendstrafe von zwei Jahren und neun Monaten.
Sechs Tage nach der Entlassung aus der Haft stach er zu
Diese Strafe wurde nach Angaben der Behörde 2019 vom Amtsgericht Leipzig in eine weitere Verurteilung wegen tätlichen Angriffs auf Vollstreckungsbeamte und Körperverletzung einbezogen. Diese Jugendstrafe musste der Beschuldigte vollständig absitzen. Erst am 29. September 2020, sechs Tage vor der Tat, sei er aus der Jugendstrafvollzugsanstalt Regis-Breitingen entlassen worden. Zum Tatzeitpunkt habe sich der Syrer mit einer sogenannten Duldung in Deutschland aufgehalten und sei «unter Führungsaufsicht» gestanden.
Nach Informationen des «Spiegels» war der mutmassliche Täter 2015 als Asylbewerber nach Deutschland gekommen. Seit dem Frühsommer 2017 soll er sich dem IS zugewandt und über eine Terrortat nachgesonnen haben. In der Haft könnte er sich weiter radikalisiert haben.
Der Islamismus ist gefährlich geblieben
In Deutschland kam es in den vergangenen eineinhalb Jahren zu mehreren tödlichen rechtsextremistischen Terrortaten, aber zu keinem schweren islamistischen Anschlag wie jenem auf den Weihnachtsmarkt von Berlin im Dezember 2016. Dennoch hatten die deutschen Sicherheitsbehörden stets davor gewarnt, die islamistische Bedrohung zu unterschätzen.
Dass der mutmassliche Täter von Dresden der Polizei als «Gefährder» bekannt war und trotz seiner Vorstrafe und seiner extremistischen Gesinnung im Land bleiben durfte und trotz Überwachung ein Verbrechen begehen konnte, wird in Deutschland die Debatte um Versäumnisse in der Prävention und Integration nun wieder mächtig anheizen.
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