Merkel warnt vor «nationalem Scheuklappendenken»
In Paris wird dem 100. Jahrestag des Waffenstillstands des Ersten Weltkriegs gedacht. Rund 10'000 Sicherheitskräfte schützten die Grossveranstaltung.
Die deutsche Kanzlerin Angela Merkel hat bei den Pariser Gedenkfeiern zum Ende des Ersten Weltkriegs vor erneuten Gefahren für den Frieden in Europa und in der Welt gewarnt.
«Wir sehen doch, dass internationale Zusammenarbeit, friedlicher Interessenausgleich, ja selbst das europäische Friedensprojekt wieder in Frage gestellt werden», mahnte Merkel am Sonntag bei einem Friedensforum in Paris.
Sie sei in Sorge, «dass sich wieder nationales Scheuklappendenken ausbreitet», sagte die Kanzlerin als Eröffnungsrednerin des dreitägigen Forums. UN-Generalsekretär António Guterres warnte als Folgeredner vor einer verhängnisvollen «Verkettung» wie in den 1930er Jahren.
Feierlichkeiten bei strömendem Regen
Am Pariser Triumphbogen begannen die Feierlichkeiten zum 100. Jahrestag des Waffenstillstands im Ersten Weltkrieg. Frankreichs Präsident Emmanuel Macron traf am Sonntag bei strömendem Regen an der Seite von Bundeskanzlerin Angela Merkel ein. Zusammen mit den Vertretern von rund 70 Staaten sowie internationalen Organisationen begaben sie sich auf eine Tribüne beim Arc de Triomphe.
Auch US-Präsident Donald Trump war dabei. Er schüttelte Merkel und Macron die Hand, bevor er sich rechts von Merkel auf die Tribüne stellte. Neben Trump stand seine Frau Melania. Beim Eintreffen des US-Konvois hatten zwei mutmassliche Femen-Aktivistinnen mit nackten Brüsten versucht, Trumps Ankunft zu stören. Sie wurden von Sicherheitskräften in Gewahrsam genommen.
Zwischenfall bei der Feier zum Weltkriegsgedenken: Beim Pariser Triumphbogen rannte eine barbusige Femen-Aktivistin auf den US-Konvoi zu. Video: TF1/AFP
Unter den Gästen waren auch EU-Kommissionspräsident Jean-Claude Juncker, der türkische Präsident Recep Tayyip Erdogan und der kanadische Regierungschef Justin Trudeau. Als einer der letzten traf der russische Staatschef Wladimir Putin ein. Er schüttelte Merkel, Macron und Trump die Hand.
Die Toten werden nicht vergessen
Am Triumphbogen hielt Präsident Macron eine Rede. Er rief die versammelten Staats- und Regierungschefs eindringlich dazu auf, für Frieden und eine bessere Welt zu kämpfen. Ein Rückzug auf sich selbst oder Gewalt sei keine Lösung, so Macron bei der Feier zum 100. Jahrestag des Waffenstillstandes vom 11. November 1918. «Patriotismus ist genau das Gegenteil von Nationalismus», sagte er in seiner Rede.
Macron warnte vor Bedrohungen für den Frieden. «Die alten Dämonen steigen wieder auf – bereit, ihr Werk von Chaos und Tod zu vollenden», sagte er. Als konkrete Bedrohungen nannte er die Klimaerwärmung, Armut, Hunger und Ungleichheiten.
Bilder: Gedenkfeier in Paris
Unter dem Thriumpbogen entzündete Macron anschliessend zu den Klängen von Ravels «Bolero» die Flamme am Grabmal des Unbekannten Soldaten symbolisch neu, um an die rund zehn Millionen Kriegstoten zu erinnern.
Am Sonntagnachmittag stand für Merkel gemeinsam mit UNO-Generalsekretär António Guterres die Eröffnung des sogenannte Friedensforum in Paris auf dem Programm – eine dreitägige Diskussionsveranstaltung zu Themen wie Frieden, Umweltschutz und Entwicklungshilfe. Trump hatte seine Teilnahme an dem Forum abgesagt, er sieht Multilateralismus kritisch.
Zu Beginn der Zeremonie läuteten ab 11.00 Uhr die Glocken der Kathedrale Notre Dame, wie auch die von Kirchen in ganz Frankreich – wie auch am 11. November 1918, als damit der Waffenstillstand im ganzen Land verkündet wurde. Rund 10'000 Polizisten sichern die Gedenkfeierlichkeiten ab.
Berset von Macron begrüsst
Macron und seine Gattin Brigitte hatten zunächst zahlreiche hochrangige Gäste im Élysée-Palast empfangen, darunter auch Bundespräsident Alain Berset, der am Abend noch an einer Table ronde in Paris teilnehmen wollte.
Anschliessend fuhren sie mit Bussen über die Champs-Élysées zum Triumphbogen und gingen die letzten Meter im strömenden Regen mit Schirmen zu zwei Tribünen unter einem Glasdach.
Trump besucht US-Soldatenfriedhof
100 Jahre nach dem Ende des Ersten Weltkriegs hat US-Präsident Donald Trump den amerikanischen Soldatenfriedhof in Suresnes bei Paris besucht. Trump traf am Sonntagnachmittag an dem Friedhof ein, auf dem die sterblichen Überreste von Soldaten des Ersten und des Zweiten Weltkrieges liegen.
Der Friedhof ist zugleich eine Gedenkstätte. Am Vortag hatten der US-Präsident und First Lady Melania Trump den Besuch eines anderen US-Soldatenfriedhofs in Frankreich wegen schlechten Wetters abgesagt. Trump war dafür kritisiert worden. Auch am Sonntag regnete es.
«Trump kann nicht mal dem Wetter Stirn bieten»
Das Weisse Haus teilte mit, Trump wolle mit seinem Besuch in Suresnes die Amerikaner ehren, «die im Ersten Weltkrieg gekämpft haben und gestorben sind». In der Ansprache werde es ausserdem um die Pflicht gehen, «sich an die Opfer derjenigen zu erinnern, die vor uns waren».
Der stellvertretende Sicherheitsberater von Trumps Vorgänger Barack Obama, Ben Rhodes, meinte zu der Absage vom Samstag: «Ich habe dabei geholfen, acht Jahre lang alle Reisen von Präsident Obama zu planen. Es gibt immer eine Option bei Regen. Immer.»
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Der Enkel des früheren britischen Premierministers Winston Churchill, Nicholas Soames, schrieb auf Twitter: «Sie starben mit ihrem Gesicht zum Feind, und dieser erbärmliche, unzulängliche @realDonaldTrump konnte nicht einmal dem Wetter die Stirn bieten, um den Gefallenen seinen Respekt zu zollen.» @realDonaldTrump ist der Twitter-Name von Trump.
Steinmeiers Visite in London
Der deutsche Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier legte bei den Gedenkfeiern zum Ende des Ersten Weltkrieges vor 100 Jahren in London am Sonntag einen Kranz nieder. Es war das erste Mal, dass ein deutsches Staatsoberhaupt zur traditionellen Kranzniederlegung am 11. November in die britische Hauptstadt reiste.
Die Regierung in London wertet dies als «historischen Akt der Versöhnung». Steinmeier nahm gemeinsam mit dem britischen Thronfolger Prinz Charles an der Zeremonie teil. Charles legte als erster seinen Kranz im Namen von Königin Elizabeth II. am «Cenotaph» genannten Ehrenmal im Zentrum Londons nieder. Die 92-jährige Königin folgte dem Geschehen von einem nahen Balkon aus.
An den Kranz Steinmeiers war ein kurzer handschriftlicher Text angehängt, in dem es auf englisch hiess: «Geehrt, hier Seite an Seite zu gedenken, dankbar für Versöhnung, hoffnungsvoll für eine Zukunft in Frieden und Freundschaft. Frank-Walter Steinmeier.»
Am Abend wollte der deutsche Bundespräsident zusammen mit der Queen an einem Gottesdienst in der Westminster Abbey teilnehmen. Ausserdem standen ein Treffen mit Prinz Charles zu einer Tasse Tee und der Besuch einer Ausstellung im Museum Tate Modern über die Kunst des «Magischen Realismus» während der Weimarer Republik auf dem Programm.
Gottesdienste in der Schweiz
Auch hierzulande fanden am Sonntag Gedenkfeiern zum 100. Jahrestag des Waffenstillstands statt. Die Botschaften von Belgien, Frankreich und Polen in der Schweiz führten gemeinsam eine Zeremonie durch, wie die französische Botschaft in Bern bestätigte.
In der Berner Dreifaltigkeitskirche wurde ein ökumenischer Gottesdienst organisiert. Anschliessend war eine Ehrung der Soldaten vorgesehen, die auf dem Bremgartenfriedhof begraben sind.
In Anwesenheit des Berner Stadtpräsidenten Alec von Graffenried und des stellvertretenden Armeechefs Aldo Schellenberg gedachten die drei Botschafter von Belgien, Frankreich und Polen in ihren Reden den zivilen und militärischen Opfern von Kriegen.
Auch in anderen Schweizer Städten gab es Gedenkfeiern, so etwa in Genf, Siders VS und Neuenburg.
afp/sda/sz/fal
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