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Merkel balanciert zwischen Ölgeschäft und Sanktionen

Russlands Präsident Putin besucht Angela Merkel 2016 in Berlin.
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Seit der Annexion der Krim hat der russische Präsident Wladimir Putin nicht gerade viele Einladungen in den Westen bekommen. Und wenn, gab es ein diplomatisches Gezerre um jeden Handschlag. Doch diesen Sommer ist er schon zum zweiten Mal eingeladen worden: Am Samstag besucht er kurzfristig und überraschend die deutsche Kanzlerin Angela Merkel im brandenburgischen Schloss Meseberg, ein Barockbau 60 Kilometer nördlich von Berlin. Letzten Monat hatte der Kreml-Chef US-Präsident Donald Trump in Helsinki getroffen.

Und eben dieser Trump dürfte einer der Hauptgründe für das Treffen mit Merkel sein. Der US-Präsident hatte Putin beim Gipfeltreffen zwar hofiert, doch kurz darauf haben die USA neue, massive Sanktionen gegen Russland beschlossen wegen des Giftanschlags auf den russischen Ex-Spion Sergei Skripal, den Grossbritannien Moskau zur Last legt. Eine Meinung, der sich auch Deutschland angeschlossen hat, die neusten Sanktionen trägt Berlin allerdings nicht mit.

Trump treibt Merkel und Putin zudem mit der massiven Kritik und den Sanktionsdrohungen gegen das Pipelineprojekt Nord Stream 2 ins gleiche Boot. Die neue Leitung wird Deutschland direkt mit russischem Gas versorgen. Beim Nato-Gipfel Mitte Juli hatte Trump Berlin scharf angegriffen. «Deutschland ist total von Russland kontrolliert», schimpfte er. Das Land sei wegen der russischen Energielieferungen ein «Gefangener» Putins und zahle Milliarde um Milliarde an Russland, «vor dem wir euch schützen sollen».

Nord Stream 2 wird die Kapazität der Route durch die Ostsee massiv erhöhen und ist Washington schon lange ein Dorn im Auge. Der US-Kongress erwägt deshalb Sanktionen. Kritiker monieren zwar, es gehe Washington dabei weniger um die Energiesicherheit Europas als um den Ausbau der eigenen Flüssiggasexporte nach Europa. Doch nicht nur die USA, auch europäische Staaten kritisieren das deutsch-russische Pipelineprojekt.

Laut Kritikern wird Nord Stream zur Lebensader für Europa – und damit zur Gefahr.

Bisher läuft die Versorgung Europas mit russischem Gas durch die Pipelines Jamal (über Weissrussland und Polen) und Bratstwo, die durch die Ukraine und die Slowakei führt. Insbesondere Bratstwo wird faktisch überflüssig, wenn die beiden Nord-Stream-Linien durch die Ostsee nach Deutschland fertiggestellt sind. Und Jamal wird mit nur einem Viertel der Kapazität von Nord Stream eine untergeordnete Rolle spielen.

Das schade der Energiesicherheit in Europa, sagen die Kritiker. Nord Stream werde zur Lebensader für Europa gemacht, ein Pipeline-Kanal in nicht sehr tiefem Wasser. Unfälle oder auch terroristische Anschläge seien nicht ausgeschlossen und hätten wegen des Mangels an alternativen Transportwegen für Europa schwerwiegende Folgen.

Bedenken der Osteuropäer

Zudem sind vor allem die osteuropäischen Staaten gegen das Projekt, weil sie russische Energieboykotte fürchten, wie sie Moskau in der Vergangenheit etwa gegen Georgien angewendet hat. Bisher habe der Export die russischen Lieferungen für die osteuropäischen Transitstaaten faktisch garantiert, weil es sich Moskau nicht habe leisten können, Westeuropa den Gashahn abzudrehen. Nord Stream werde das ändern.

Den Argumenten, die Osteuropäer würden in Falle einer Energieblockade aus Deutschland mit Gas versorgt, mögen sie nicht glauben. Sie sind überzeugt, dass Deutschland zuerst sich und Westeuropa versorgen würde, wenn Russland die Menge reduzieren sollte.

Bagger arbeiten im Greifswalder Bodden am Unterwassergraben der neuen Ostseepipeline Nord Stream 2. Bild: Keystone.

Besonders betroffen ist die Ukraine. Die Pipeline Bratstwo bringt dem krisengeschüttelten Land derzeit rund zwei Milliarden Franken an Transitgebühren im Jahr ein. Doch die Gasleitung ist nicht nur wirtschaftlich, sondern auch politisch wichtig: Kiew befürchtet, dass die Bedeutung der Ukraine in Europa massiv sinken wird, wenn die Gasversorgung aus Russland direkt nach Deutschland läuft.

Merkel betont zwar, der Status der Ukraine als Transitland müsse aufrecht erhalten bleiben. Politisch, aber auch ökonomisch mache die alte Pipeline nach Fertigstellung von Nord Stream aber keinen Sinn mehr, sagen Experten.

Russischer Vormarsch zur See

Die Ukraine wird so oder so ein wichtiges Thema sein bei dem Treffen zwischen Merkel und Putin – und eines, bei dem man sich in die Haare geraten könnte. Merkel vermittelt im Konflikt in der Ostukraine. Bei der Umsetzung des Minsker Friedensabkommens, bei dessen Ausarbeitung die Kanzlerin ebenfalls massgeblich beteiligt war, ist man keinen Schritt vorangekommen. Der Krieg geht ungebremst weiter, ja droht sich derzeit sogar noch auszuweiten.

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Protest gegen Pipeline

Naturschützer protestieren gegen Nord Stream 2. Video: Reuters.

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Seit Wochen macht sich Russland im Asowschen Meer breit, das Kiew und Moskau gemäss Vertrag gemeinsam nutzen. Die ukrainische Seite klagt, Russland kontrolliere und schikaniere systematisch Schiffe, welche die ukrainischen Häfen anlaufen. Deshalb prüfe man nun auch militärische Optionen, um den russischen Vormarsch auf See zu stoppen.

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