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Überraschende Studie
Hirnarbeit führt zu mehr Leistung, glauben viele Sportler – stimmt das?

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Sportlerinnen und Sportler reden auffällig oft vom Kopf. Und zwar so: Der Kopf habe den Unterschied ausgemacht im Vergleich zur Konkurrentin bzw. zum Konkurrenten. Heisst: Wenn zwei Körper gleich gut sind, entscheiden über Sieg oder Niederlage die Gehirnleistungen.

Kein Wunder also, schwören Sportlerinnen und Sportler auf psychologische Hilfen, um ihre Leistung zu verbessern. Zu den bekannteren und weitestverbreiteten zählt das motivierende Selbstgespräch.

Nun wollten schwedische Forscher vom Karolinska Institutet wissen, ob eine Leistungssteigerung mittels solcher Interventionen auf wissenschaftlicher Grundlage basiert (hier der Link zur Studie: Effects of Psychological Interventions to Enhance Athletic Performance: A Systematic Review and Meta-Analysis).

Schon da beginnt der Laie zu zucken: Ist doch logisch, sagt er. Warum würden alle diese Sportler sonst auf diese Mentaltrainings abstellen? Und da sind wir wieder beim Selbstgespräch, um das wohl bekannteste Beispiel zu wählen: Die Autoren fanden in der gesamten Literatur zum Thema nur derart wenige Studien, dass ein Vergleich zwischen den Arbeiten unmöglich war. Heisst: Die (wissenschaftliche) Evidenz ist – immer bezüglich Leistungssteigerung – für Athleten schlicht nicht gegeben.

Erstaunlicher noch: Gerade einmal 111 Studien fanden die Autoren, welche sich um die Frage drehten, ob psychologische Interventionen die Leistung für Athleten steigern. Die Mehrheit war zum Vergleich auch noch unbrauchbar.

Die Kritik des Spezialisten

Die Konklusion der Autoren: «Trotz Jahrzehnten an Forschung ist unklar, ob psychologische Interventionen einen Effekt auf die Leistung von Athleten haben.»

Anruf darum bei Gustaf Reinebo, dem Erstautor der Studie. Schliesslich hat er da mit seinen Kollegen einen ziemlichen Hall ausgelöst – würde man meinen. Reinebo aber findet nicht, weil innerhalb der Sportpsychologie längst bekannt sei, dass eine grosse Evidenzlücke klaffe. «Diese wollten wir mit unserer Übersichtsstudie adressieren und zeigen: Wir brauchen bessere Arbeiten zum Thema.»

Forscher Gustaf Reinebo: «Wir brauchen bessere Arbeiten zum Thema.»

Trotzdem schrieb der führende Wissenschaftsjournalist zu Sportthemen, der Kanadier Alex Hutchinson, über die Erkenntnis: «Die Sportpsychologie hat ein Evidenzproblem.» Gustaf Reinebo stimmt zwar zu, will aber ein paar Dinge anfügen.

Er sagt: «Die Sportpsychologie hat einen methodologischen Nachteil. Sportpsychologische Studien werden oft nicht in einem Labor, sondern vor Ort durchgeführt, wo viele andere Dinge das Ergebnis beeinflussen können.»

Hinzu aber kommt gemäss Wissenschaftsautor Hutchinson ein überraschender hausgemachter Fehler: Ob eine psychologische Intervention gewirkt habe, sei in den Studien fast immer anhand von Aussagen der untersuchten Sportler und Sportlerinnen erfolgt – aber nie anhand harter Fakten wie Zeiten. Er schreibt darum: «Wer sich im Wettkampf durch Interventionen besser fühlte, faktisch aber nicht schneller war, beeindruckt mich nicht.»

Gibts einen Placeboeffekt?

Kann es also sein, dass sportpsychologische Interventionen einen Placeboeffekt auslösen? Reinebo sagt trocken: «Dazu existieren zu wenige Studien, um eine schlüssige Antwort geben zu können.» Auch hier also: Wir wissen es (noch) nicht.

Trotzdem ist Reinebo eines wichtig zu sagen: Mit dieser Übersichtsstudie werde die Bedeutung der Sportpsychologie als solches keineswegs infrage gestellt. Sie sei von zentraler Bedeutung, gerade was die psychische Gesundheit von Athleten und Athletinnen betreffe.

Er sagt: «Sportpsychologische Interventionen zielen sehr oft darauf ab, eine Balance zwischen Sport und dem restlichen Leben zu finden und sich bei allem Leistungsdruck die Freude oder gar Erfüllung zu erhalten. Die Optimierung der Leistung ist da nur ein Aspekt unter vielen.»