Corona-Folgen bei Benjamin Rusch«Meine Lunge wurde ziemlich stark angegriffen»
Benjamin Rusch beendete 2020 als stärkster Golfer der Schweiz. Kurz vor der neuen Saison steckte sich der 31-jährige Weinfelder in einem Trainingslager an. Mit Folgen.
Zuerst dachte er, die grosse Müdigkeit sei die Folge des Trainingslagers im norditalienischen Bogogno, das er mit anderen Schweizer Golfprofis Anfang März absolviert hatte. Einen Tag nach der Rückkehr, es war ein Samstag, machte er bei seinem Zürcher Kollegen Marco Iten in Niederglatt noch ein Krafttraining. Am Sonntag fühlte er sich unwohl, «ich hatte mehr Muskelkater als üblich».
Am Montag waren sie dann da, die typischen Symptome: starke Gliederschmerzen, Kopfweh, sehr empfindliche Haut. Das Testergebnis, das er am Dienstag erhielt, überraschte Benjamin Rusch dann nicht: Er war an Covid-19 erkrankt.
«Mein Vater ist Risikopatient, er war glücklicherweise schon zweimal geimpft.»
«Danach wurde es kompliziert», sagt er im GC Lipperswil, seinem Heimclub. Der 31-Jährige wohnt übergangsmässig wieder bei seinen Eltern in Weinfelden, auch aus Kostengründen. «Mein Vater ist Risikopatient, er war glücklicherweise schon zweimal geimpft. Und meine Mutter steckte sich nicht an, obwohl wir drei Tage zusammen waren und auch gemeinsam assen.» Rusch musste sich zehn Tage in seinem Zimmer isolieren, die Eltern stellten das Essen jeweils vor seine Tür. «Etwa vier, fünf Tage hatte ich starke Gliederschmerzen und Druck auf der Lunge; die wurde ziemlich stark angegriffen. Und Geschmacksverlust.» Auch über vier Wochen später schmecke er noch nicht alles.
Auch Freiburghaus und zwei Coaches positiv
Rusch vermutet, dass er sich im Golfrestaurant in Bogogno angesteckt hat. «Bevor wir anreisten, hatten wir alle einen negativen Test gemacht.» Sofort informierte er die anderen, sie sollten sich auch testen lassen. Von der zehnköpfigen Gruppe traf es auch den Bündner Jeremy Freiburghaus, der aber kaum Symptome aufwies, und die Coaches Roberto Francioni und Russell Warner. Die anderen, wie Joel Girrbach, Marco Iten, Mathias Eggenberger und Luca Galliano, blieben vom Virus verschont.
Die ersten Tage in der Isolation habe er fast nur geschlafen, danach vor allem Filme geschaut und sich gelangweilt, sagt Rusch. «Die letzten Tage, als es mir wieder besser ging, waren die härtesten.» Als er endlich rauskonnte, spürte er rasch, dass er körperlich hart zurückgeworfen worden war. «Nach meinen ersten neun Löchern war ich so kaputt, dass ich nach Hause gehen und schlafen musste.» Die Kondition war weg, die Kraft fehlte, seine Schwunggeschwindigkeit war um etwa fünf Stundenkilometer langsamer geworden.
Saisonstart am Donnerstag in Südafrika
Die vergangene Woche sei die erste gewesen, in der er sich wieder einigermassen normal gefühlt habe, sagt Rusch. Wo er steht, wird er schon bald genauer wissen: Am Donnerstag beginnt die Challenge Tour im GC Euphoria nördlich von Johannesburg, danach folgen für ihn ein oder zwei weitere Turniere in Südafrika. «Mein Minimalziel ist es, mich für das Saisonfinal auf Mallorca zu qualifizieren», sagt der Thurgauer. Dazu muss er in der Gesamtwertung in den Top 45 klassiert sein.
Obwohl der Wettkampfbetrieb unter dem Coronavirus 2020 monatelang litt, spricht Rusch nicht von einem verlorenen Jahr. «Ich profitierte davon, dass ich viel mehr Zeit zum Trainieren hatte, sowohl technisch wie physisch.»
«Sollte ich die Top 45 verpassen, müsste ich mir schon Gedanken machen.»
Das zeigte sich in der zweiten Jahreshälfte, als er einige hervorragende Runden spielte, in der Schweiz vier Turniere und die Jahreswertung der Swiss PGA gewann. Rusch weiss, dass er mit bald 32 Jahren nicht mehr viele Chancen bekommt, seinen Traum zu verwirklichen, auf der höchsten Europatour zu spielen. «Sollte ich die Top 45 verpassen, müsste ich mir schon Gedanken machen.» Nach seinem vierjährigen Studium an der University of Virginia könnte er immerhin auf einen Bachelor (in internationalen Beziehungen) zurückgreifen.
Frischer Wind im Golfverband
Trotz der Pandemie spüre er eine starke Entwicklung in der Schweizer Golfszene, sagt Rusch. Unter Reto Bieler, dem Präsidenten von Swiss Golf, sei einiges in Bewegung gekommen. «Erstmals in meiner Karriere sassen Leute vom Verband mit uns Profis an den Tisch und fragten, was wir von ihnen gerne hätten.» Neben gemeinsamen Trainingslagern werden die besten Profis auch finanziell unterstützt. Der Verband decke rund ein Viertel seines Jahresbudgets ab, das sich, je nach Reisetätigkeit, zwischen 80’000 und 100’000 Franken bewege. «Und erstmals darf ich meinen Coach Andrea Mantoan an ein, zwei Turniere mitnehmen. Das bringt mir mehr, als einen Caddie zu bezahlen.» Im Mai und Juni sind Begleitpersonen und Caddies aber noch nicht erlaubt.
Rusch kann sich seit Jahren auf eine lokale Gruppe von Mäzenen abstützen, die auch sein Management übernommen haben. Doch die Zeiten sind hart, ein Hauptsponsor ist abgesprungen, und inzwischen erhält er auch seine Golfschläger nicht mehr kostenlos. Vom Preisgeld allein lässt es sich in den unteren Proficircuits nicht leben. In 54 Starts auf der Challenge-Tour sind erst 30’850 Euro zusammengekommen.
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