Viel Geld und ein grüner Daumen
Die Gemeinde löst 18 Millionen Franken für ein Stück Bauland – viel mehr als den vorgegebenen Mindestpreis. Käufer ist ausgerechnet jener Nachbar, der einst mittels Initiative einen Teil der Parzelle als Freihaltezone schützen wollte.

Die Geschichte klingt unglaublich: Eine Gemeinde erwirbt ein grosses Stück Land für 250 Franken pro Quadratmeter. Fast 40 Jahre lang lässt sie es brachliegen, lehnt zahlreiche Anfragen von interessierten Käufern ab. Dann, in Zeiten der immer höher werdenden Verschuldung, überlegt sie es sich anders – und will die Landreserve verkaufen.Von Baugenossenschaften und der SP kommt ein Aufschrei; die Gemeinde dürfe nicht zur Spekulantin werden.
Die Mehrheit an der Gemeindeversammlung im bürgerlich dominierten Dorf sieht das anders und legt 14 Millionen Franken als Mindestpreis fest. Dann entfaltet der freie Markt seine Kraft – und das Grundstück geht für sagenhafte 18,15 Millionen Franken über den Tisch. Auf fast das 15-Fache hat sich damit der Quadratmeterpreis des Baulands erhöht.
Firmenname lässt aufhorchen
«Selbst Fachleute waren eher erstaunt über diesen Preis», kommentiert Herrlibergs Gemeindeschreiber Pius Rüdisüli den Verkauf. Der Handel ist Ende Januar über die Bühne gegangen. Das betroffene Grundstück – heute eine Lamaweide – heisst Sellholz und befindet sich an der Langackerstrasse, an begehrter Hanglage mit Seesicht. Die Gemeinde hatte einen Makler beauftragt, der ein zweistufiges Bieterverfahren durchführte. «Die Interessenten haben einander hinaufgetrieben», sagt Rüdisüli. Die 18,15 Millionen der Firma ImmSell AG waren das höchste Gebot.
ImmSell AG? Der Name lässt aufhorchen. Tatsächlich ist die Firma eigens zum Zweck, die Sellholz-Parzelle zu kaufen, im Handelsregister eingetragen worden. Domizil ist die Fuederholzstrasse 13 in Herrliberg, als erster Teilhaber ist der dort wohnhafte Rico Baumgartner aufgeführt. Dass der Gemeindeschreiber sagt: «Wir sind damit nicht unglücklich», hat einen besonderen Grund.
Anwalt mit Herz für die Natur
Rico Baumgartner wohnt direkt hinter der Wiese, die bis vor kurzem der Gemeinde gehörte. Diese ist auf zwei Seiten gesäumt von einem zehn Meter breiten Streifen Grün, konkret: von Hecken und hohen Bäumen. Baumgartner, dem Nachbarn, verdecken diese zwar teilweise die Seesicht. Trotzdem hat sich der Anwalt und Inhaber einer Dienstleistungsfirma für Vermögende vor ein paar Jahren für den Schutz des Wäldchens engagiert. Das ging so weit, dass er 2011 eine Initiative einreichte, die verlangte, den bewaldeten Teil des Grundstücks der Freihaltezone zuzuweisen.
Während Baumgartner damals versicherte, dass es ihm um den Erhalt der Natur gehe, behaupteten böse Zungen, er wolle mit dem Vorstoss nur ein Bauprojekt seines Nachbarn verhindern. Der Gemeinderat war dagegen, weil sein Grundstück durch eine Abzonung an Wert verloren hätte. So oder so zog Baumgartner die Initiative einige Monate später zurück. Grund: Die Gemeinde Herrliberg und Pro Natura Zürich hatten einen Vertrag abgeschlossen, der den Fortbestand einer Hecke zuoberst an der Wiese sowie des ostseitigen Baumbestands sicherstellt. Die Schutzzone wurde im Grundbuch eingetragen, Baumgartners Anliegen war damit erfüllt.
Gemeinde mit sattem Gewinn
Wie der Herrliberger gegenüber der ZSZ sagt, pflanzt er dort mittlerweile seit zwei Jahren und in Absprache mit der Gemeinde einheimische Hölzer an. Auch Dachse und Igel würden in dem Wäldchen leben. Wird Baumgartner jetzt, da er Miteigentümer des knapp 5000 Quadratmeter grossen Grundstücks ist, seinen Traum einer grünen Oase verwirklichen?
«Wenn es meine finanziellen Verhältnisse zuliessen, würde ich das gerne tun», sagt der Jurist und Hobbyförster. Angesichts des bezahlten Preises liessen sich im Sellholz jedoch «nicht einfach Wald und Lamas halten». DieAktionäre, die mitgeholfen hätten, das Land zu kaufen, wollten auch eine Rendite sehen. Deshalb werde man «irgendwelche Wohnungen bauen», sagt Baumgartner – und stapelt damit wohl etwas tief. Denn auf der Parzelle ist eine Grossüberbauung möglich. Der Naturschutzvertrag hat laut Rüdisüli keinen Einfluss auf die zulässige Baumasse. Wegen der Gehölze auf zwei Seiten des Grundstücks müssten die Bauten einfach etwas «zusammenrücken».
Bislang führte die Gemeinde Herrliberg das Grundstück mit knapp 8 Millionen Franken in der Bilanz. Aus dem Landhandel ergibt sich daraus nun ein Buchgewinn von über 10 Millionen Franken. «Er wird sich in der Jahresrechnung 2017 positiv auswirken», schreibt der Gemeinderat in einer Mitteilung. Und fügt an: «‹Sellholz› hatte früher die Bedeutung von einem kleinen Anwesen mit Wald.» Eine Bedeutung, die sich jetzt erfüllen dürfte.
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