Ihr Browser ist veraltet. Bitte aktualisieren Sie Ihren Browser auf die neueste Version, oder wechseln Sie auf einen anderen Browser wie ChromeSafariFirefox oder Edge um Sicherheitslücken zu vermeiden und eine bestmögliche Performance zu gewährleisten.

Zum Hauptinhalt springen

Minderheitsregierung in Norwegen
Mehr Öl, mehr Gas: Linker Premier enttäuscht Klimaschützer

«Business as usual» statt neuer Kurs in der Öl- und Gaspolitik: Jonas Gahr Store, Norwegens neuer Ministerpräsident.
Jetzt abonnieren und von der Vorlesefunktion profitieren.
BotTalk

Mehr Lehrer und Lehrerinnen, kostenlose Schulmahlzeiten, kostenlose Fähren zu den Inseln, höhere CO2-Steuern: Heute hat in Oslo die designierte neue Minderheitsregierung aus Sozialdemokraten und Zentrumspartei ihr Programm vorgestellt. Für viele Beobachter war dieser Punkt der interessanteste: «Die Öl- und Gasindustrie muss entwickelt und nicht abgewickelt werden», heisst es da. Die Suche nach Öl und Gas also soll weitergehen, und zwar explizit auch «in neuen Gebieten».

«Düster und traurig» nannte Lars Haltbrekken von der Sozialistischen Linkspartei die Botschaft der neuen Regierung. Seine Partei war von vielen lange als dritter Koalitionspartner gesehen worden, verliess dann aber die Koalitionsgespräche, nachdem klar geworden war, dass Jonas Gahr Store und seine Arbeiterpartei an der alten Ölpolitik des Landes festhalten wollten.

Zum ersten Mal seit 20 Jahren führt wieder in allen skandinavischen Ländern die Sozialdemokratie die Regierung.

Wenn Arbeiterparteichef Jonas Gahr Store nun an diesem Donnerstag im norwegischen Parlament seine Regierung bildet, dann macht er das Quartett voll: Zum ersten Mal seit 20 Jahren führt dann wieder in allen skandinavischen Ländern die Sozialdemokratie die Regierung. Als Stores Arbeiterpartei AP vor einem Monat die Wahlen gewann, war der Jubel unter seinen Anhängern riesig. Und das, obwohl die AP mit 26,4 Prozent eines der schlechtesten Ergebnisse ihrer Geschichte eingefahren hatte. Hinzu kamen grosse Zugewinne für kleine grüne und linke Parteien. Auch in Norwegen ist die Kluft zwischen Arm und Reich rasant gewachsen.

Nach der Wahl prophezeiten die Leitartikler eine Politik, die sich dem Klimaschutz und der sozialen Gerechtigkeit widmen werde. Jonas Gahr Store hatte diese Erwartungen selbst geschürt. Im Wahlkampf versprach er einen «neuen Kurs» für Norwegen. Erklärtermassen wollte er dazu eine Wunschkoalition eingehen mit der ölkritischen Linkspartei SV und dem ländlich-grünen Zentrum SP.

Sozialdemokrat Store ist mehrfacher Millionär

Dabei war immer klar, dass Store vom rechten Flügel der Sozialdemokraten kam. Der neue Regierungschef hat einen für seine Partei eher ungewöhnlichen Lebenslauf: Er stammt aus einer wohlhabenden Osloer Industriellenfamilie, ist dank des Familienvermögens selbst mehrfacher Millionär.

Store studierte Staatswissenschaften in Paris und forschte in Harvard, bevor er Berater der einstigen Ministerpräsidentin und WHO-Chefin Gro Harlem Brundtland wurde. Später war er Stabschef bei Regierungschef Jens Stoltenberg, der ihn 2005 zum Aussenminister machte. Ein Amt, das Store mit grosser Leidenschaft ausfüllte. Aussenpolitik und internationale Zusammenarbeit treiben ihn bis heute.

Kritiker fürchten, statt eines neuen Kurses werde es nun mehr «business as usual» geben.

Der Jubel ist schon wieder verflogen, noch bevor Store das Amt des Ministerpräsidenten antritt: Store präsentiert seinen Anhängern nicht die Regierung, die sie sich gewünscht hatten. Dass er sich in den Koalitionsverhandlungen ausgerechnet von den Linken trennte, die mehr Distanz zur Ölindustrie und mehr Klimaschutz forderten, hat viele enttäuscht, auch die Jungen in seiner eigenen Partei.

Die linksliberale Zeitung «Dagsavisen» schrieb gar von «Generationenverrat». Kritiker fürchten, statt eines neuen Kurses werde es nun mehr «business as usual» geben: In der Ölpolitik unterscheidet sich die Arbeiterpartei nur graduell von der alten konservativen Regierung – vor allem der Gewerkschaftsflügel macht hier Druck auf ein «Weiter so».

Zwei Oppositionsblöcke gegen Regierung

Jonas Gahr Store hat sich entschieden für eine Minderheitsregierung aus seiner AP und der ländlich und protektionistisch orientierten Zentrumspartei SP. Eine Kommentatorin beschrieb es als Koalition aus «Feuer und Wasser»: Koalitionspartner des weltläufigen überzeugten Europäers ist nun SP-Chef Trygve Slagsvold Vedum, ein harter EU-Kritiker, der gerne für die Belange der Bauern und der Ölindustrie ins Feld zieht. Vedum wird nun Finanzminister werden.

Leicht wird es nicht für Store. Die Regierung wird im Parlament gleich zwei Oppositionsblöcke gegen sich haben: einen rechts und einen links von sich. Er muss nun die Skeptiker eines Besseren belehren, die ihn schon beim Start geschwächt sehen und ihm einen endlosen «Slalomlauf» zwischen diesen Blöcken prophezeien.