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Sozialdemokraten gewinnen in Norwegen
Der linke Millionär jubelt – beginnt nun die Schlacht ums Öl?

«Wir haben es geschafft»: Jonas Gahr Støre feiert mit roten Rosen den Wahlsieg   
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Norwegen bekommt eine neue Regierung unter Führung der sozialdemokratischen Arbeiterpartei AP. Bei den Parlamentswahlen am Montag schickte eine grosse Mehrheit der Wähler die acht Jahre amtierende konservative Regierung in die Opposition. 100 der 169 Sitze gingen an insgesamt fünf rot-grüne Parteien, der bürgerliche und rechte Block kommt gerade noch auf 68 Sitze.

Neuer Regierungschef wird voraussichtlich der 61-jährige Sozialdemokrat und ehemalige Aussenminister Jonas Gahr Støre, dessen rot-grüne Wunschkoalition aus Arbeiterpartei, Zentrum und Sozialistische Volkspartei auf eine Mehrheit von 89 Sitzen käme. «Jetzt können wir endlich sagen: Wir haben es geschafft», sagte der aus einer wohlhabenden Familie stammende Støre am Wahlabend, «die Norweger haben gezeigt, dass sie eine gerechtere Gesellschaft wollen.»

«Überwältigender Sieg für den roten Block»

Die AP wurde mit Abstand grösste Partei mit 26,4 Prozent der Stimmen. Das ist ein Prozent weniger als bei den vergangenen Wahlen, was der Partei allerdings nichts von ihrer Freude und Erleichterung nahm. Für AP-Chef Støre war es eine «Traumnacht», schreibt die Zeitung Dagsavisen. Das Ergebnis war weit besser als die Umfragen vorhersagten. Die AP ist nun grösser als ihre beiden möglichen Koalitionspartner zusammen – die rot-grüne Sozialistische Volkspartei verbesserte sich auf 7,5 Prozent der Stimmen, die ländlich-grüne Zentrumspartei um mehr als drei Prozent auf 13,6. «Einen überwältigenden Sieg für den roten Block», sah der Fernsehsender TV2. Nun stehen Regierungsverhandlungen an, mit der Bildung einer neuen Regierung wird nicht vor Oktober gerechnet.

Das Ergebnis gibt den Sozialdemokraten bei den kommenden Sondierungen und Koalitionsverhandlungen mehr Verhandlungsmacht, in der Regierung werden sie die Mehrheit der Minister stellen. Und wenn Jonas Gahr Støres gewünschte Dreierkoalition zustande kommt, dann erspart er sich schwierige Verhandlungen mit den beiden anderen kleinen Parteien des rot-grünen Blocks, die am Wahlabend ebenfalls Zugewinne verzeichnen konnten.

Und die weit radikalere Forderungen stellen, zum Beispiel für einen schnellen Ausstieg aus der Ölförderung: zum einen die sozialistische Partei der Roten, die erstaunlich zulegen konnte und erstmals die Vier-Prozent-Hürde überwindet, und zum anderen die Grünen, die mit 3,8 Prozent knapp an dieser Hürde scheiterten. Die Grünen werden dennoch mit drei Abgeordneten ins Parlament einziehen, sie werden aber nicht mit Ausgleichsmandaten bedacht, weil sie unter den vier Prozent blieben.

Klimaschutz-Debatte schadete den Bürgerlichen

«Ein anderes Norwegen ist möglich», kommentierte die linke Zeitung Klassekampen am Dienstag: Norwegens Wähler wünschten sich «ein Projekt, das Natur und Umwelt schützt, neue Industrie und Arbeitsplätze entwickelt und Unterschiede ausgleicht». Den Konservativen seien am Ende die Ideen ausgegangen: «Die Zeit war reif für eine Veränderung.»

Die Konservative Partei der amtierenden Premierministerin Erna Solberg verlor fast fünf Prozent und liegt nun bei knapp über 20 Prozent. Ebenfalls grosse Verluste musste die rechtspopulistische Fortschrittspartei FRP einstecken, die auf 11,7 Prozent kam.

Die traditionell öl-freundlichen bürgerlich-rechten Parteien hatten offensichtlich damit zu kämpfen, dass die vergangenen Wochen des Wahlkampfs bestimmt wurden von der Debatte um Klimaschutz und Ölförderung. Öl-kritische Parteien verzeichneten Zugewinne.

Die sozialdemokratische Arbeiterpartei gehört dabei ausdrücklich nicht zu diesem Lager. «Ich glaube, es wäre die falsche Industrie- und auch die falsche Klimapolitik, das Ende unserer Öl- und Gas-Industrie einzuläuten», sagte AP-Chef Støre nach seiner Stimmabgabe.

Potenzielle Partner wollen Ölförderungsstopp

Die Kommentatoren in Norwegens Medien gehen allerdings davon aus, dass die AP in diesem Punkt bei den Koalitionsverhandlungen unter Druck geraten wird: Die Wähler haben gezeigt, dass sie mehr Klimaschutz wollen. Und sämtliche andere Parteien aus dem rot-grünen Lager – und das schliesst Støres Wunschkoalitionspartner ein – stellen ambitioniertere Forderungen als die AP, wollen etwa einen baldigen Stopp bei der Exploration neuer Öl- und Gasfelder.

Die Zeitung Dagsavisen erwartet für die kommenden Regierungsverhandlungen eine «politische Seeschlacht um künftiges Öl». Norwegen ist der grösste Ölproduzent Westeuropas. Öl und Gas stehen noch immer für 42 Prozent der norwegischen Exporte und 160'000 Arbeitsplätze.

Jonas Gahr Støre gilt als vermittelnder und kompromissbereiter Politiker. Er war 2014 Chef der AP geworden, als Nachfolger von Jens Stoltenberg, der damals neuer Nato-Generalsekretär wurde. Støre hat einen für Sozialdemokraten eher untypischen Lebenslauf: Er ist Millionär und stammt aus einer reichen Familie. Støre studierte Politikwissenschaften in Paris und lehrte in Harvard, bevor er schliesslich Berater der ehemaligen Premierministerin Gro Harlem Brundtland wurde und 1995 in die Arbeiterpartei eintrat.